„Ich arrangier‘ mich hier für Shit, Altärr!“

Thomas Gessner findet mich hier zu euphemistisch:

Am spannendsten ist die Fachpresse für den gemeinen Leser in zwei Szenarien.

Das erste: Ein dickes Bündel Geldscheine will zu einem Motorrad werden und dass es das bereits ins Auge gefasste sein soll, müssen die Blätter vermittelst günstiger Berichterstattung bestärken.

Das zweite: Man besitzt bereits ein Kraftrad. Dass die bereits getätigte Kaufentscheidung eine gute war, müssen dann die entsprechenden „Tests“ faktisch untermauern.

Die Redakteure denken sich darob: Objektivität wollen scheinbar weder Käufer noch Hersteller, also lieber vorsichtig mit der Kritik an dem neuen Krad. So wird im ersten „Fahrbericht“ gelobt, was sich später als totale Gurke herausstellt. Das ist natürlich eine böse Unterstellung, aber die Lektüre der entsprechenden Artikel legt sie nahe.

Nun könnte man sagen, dass es wirklich schlechte Motorräder gar nicht mehr gibt. Leider falsch: Es gibt sie zuhauf und sie kommen wahrhaftig nicht ausschliesslich aus Italien. Wenn ich mir also eine fundierte Meinung bilden will, in welches Motorrad sich mein Geld verwandeln soll, wo wende ich mich hin? Richtig: In die entsprechenden Foren.

Gerade überlege ich mir, ob ich (a) auf meine alten Tage vernünftig werden soll und mir eine Ducati Multistrada mit Koffern holen elektronischem Püschfahrwerk soll oder (b) ich ein unverbesserlicher Kasper bleibe und mir eine große Supermoto hole. Die Ducati war aus dem Rennen, nachdem ich zwei Tage im entsprechenden Forum mitgelesen hatte: Kurbelwellenschäden, falsch gefertige Schaltwalzen, funktionslose Hinterradbremse, kaputte Dashboards, undichte Gabel. Man muss nicht jeden Beitrag auf die Goldwaage legen, aber in der Summe kommt wohl doch ein authentisches Bild heraus. Und das ist in diesem Falle nicht gut.

Interessant ist aber, dass ich in keinem professionellen „Test“ jemals etwas über herausspringende Gänge, klappernde Gabeln oder tote Bremsen gelesen habe. Meine Schlussfolgerung: „Scheißevermeider“ haben nicht das Interesse des Lesers im Sinn. Sie wissen, welche Motorräder nichts taugen, aber sie sagen es uns nicht. Das ist noch schlimmer als lügen. Dies mit „Arrangieren“ zu umschreiben, ist ein arger Euphemismus. Solcherlei Schönschreiberei duldest Du doch sonst auch nicht. Warum also hier?

Der Leserbriefonkel antwortet: Weil erstens „Arrangieren“ mit einer Misslage nie zu ihrer Lösung führt (es also nix Gutes oder Schönes ist), und weil ich es zweitens im konkreten Fall nicht sonderlich schlimm finde, sondern lediglich wissenswert (deshalb diese Medienartikel). Es ist deshalb nicht schlimm, weil es Unterhaltung ist. Die Welt kann sehr gut mit anderen Magazinen oder weniger oder wenn das Geschäftsmodell aus irgendeinem Grund implodieren sollte auch mit gar keinen weiter leben. Deshalb steht da absichtlich „Arrangieren“, damit klar ist, dass es keine fies berechnende Absicht gibt, sondern dass da normale Leute tun, was sie für am besten halten. Deshalb auch kein Rant, keine Glosse, kein fröhliches drauf Einschlagen, sondern eine Erklärung — für Leser (die Verlage wissen ja schon, wie es läuft, denen muss man es bestimmt nicht noch erklären).

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