Loud pipes won‘t save you
Ich schau mir das mit den lauten Auspuffanlagen jetzt schon lange an. Letztendlich gilt auch hier: Selbstregulierung funktioniert nie, leider auch bei uns ned.
Ich schau mir das mit den lauten Auspuffanlagen jetzt schon lange an. Letztendlich gilt auch hier: Selbstregulierung funktioniert nie, leider auch bei uns ned.
„If loud pipes save lifes….imagine what learning to ride would do. „
Ich muss zugeben, ich war mir nicht ganz sicher, auf welcher Seite der Debatte Du stehst – aber der Kommentar hat das wohl klargemacht. Sehr guter Artikel, vielen Dank dafür. 🙂
Klassisches Sommerlochthema. Kaum scheint die Pandemie abgewendet, können sich Medien und Politik wieder mit Minderheiten, Strohmännern und dem eigenen Bauchnabel beschäftigen.
In Deinem Heise-Artikel geht es vermutlich um folgende Bitte (genau das und nicht mehr ist sie, auch wenn sie etwas verbrämt „Entschließung“ heißt) des Bundesrats an die Regierung: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0101-0200/125-20(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1
tl;dnr:
– Max. 80dB(A) über alle Fahrzustände,
– sofortige Beschlagnahme bei Manipulationen,
– Verbot von Sounddesign,
– Förderung von e-Antrieben,
– flächendeckende Kontrolle,
– Ausweitung der Verkehrsverbote,
– Einführung von Frontkennzeichen bzw. Halterhaftung,
– verpflichtendes Fahrtenbuch, auch ohne Auffälligkeit
EXKLUSIV für Motorradfahrer (Zitat Titel: „wirksame Minderung und Kontrolle von Motorradlärm“).
Den Gleichbehandlungsgrundsatz zunächst beiseite und ignoriert, daß in Sachen Verkehrsgeschehen nach x-beliebiger statistischer Denkart die Fahrzeugklasse Motorrad“ um mindestens eine Zehnerpotenz weniger relevant ist, dann bleiben immer noch bedenkliche Anhaltspunkte dafür, für eine erschreckent geringe Kenntnis des Bundesrats von Zulassungsrichtlinien, Meßvorschriften und schlußendlich dem Deutschen Grundgesetz – insbesondere Artikel 14.
Außerdem würde ich gerne wissen, wie dieser Schnellschuß eines österreichischen Bundeslands vor EU-Recht besteht und dem Faktum, daß das Standgeräusch von Kraftfahrzeugen noch nicht einmal zulassungstechnisch reglementiert ist. Demnächst Streckenverbote für alle, die einen älteren Helm oder keine Warnweste tragen?
Besonders frivol wird die Sache dann, wenn man sich die Lärmreform für die Serienausrüstung von Automobilen anno 2016 zu Gemüte führt. Ausgerechnet dort gibt es ab ab einer Motorleistung von mehr als 272 PS (200 kW) pro Tonne eine Ausnahme, wonach diese Fahrzeuge 4 Dezibel lauter sein dürfen als andere Autos.
Gemessen wird übrigens eine Vorbeifahrt mit konstanter Geschwindigkeit und das volle Beschleunigen auf einer 20 Meter langen Teststrecke aus Tempo 50. Hochtouriges Beschleunigen oder hohe Geschwindigkeiten werden in den EU-Meßvorschriften nicht berücksichtigt. Das darf der Hersteller selbst nachreichen und treuherzig bescheinigen, daß die Lautstärke im Geschwindigkeitsbereich von 20 bis 80 km/h okay ist.
Und jetzt die Preisfrage an den Bundesrat zum Umgang mit dem „Sport-Plus-Phänomen“. Zugelassen und bei Verkehrskontrollen überprüft wird der Serienbetriebsmodus. Es obliegt dabei dem Fahrer/liquiden Käufer, spezielle Fahrprogramme nur außerhalb des öffentlichen Verkehrs zu aktivieren. Deswegen gibt es meist einen roten Druckknopf, den der Möchtegern-Sportfahrer eine Weile grdückt halten muß, ggfs. den Disclaimer „Ich bin mir bewußt, daß ich diesen Modus nur auf der Rennstrecke nutzen darf [Ja] [Abbruch]“ abnicken und fertig. Nach Klemmenwechsel ist wieder alles lupenrein, daher müssen die Motoren leider auf erhöhtem Standleerlauf laufen bleiben, wenn sich der Pilot die Prozedur nicht erneut antun will.
Ich bin übrigens mit Dir vollkommen einer Meinung. In Sachen Unmöglichkeit, alle Fahrzeugklassen über einen Kamm scheren zu wollen. Bei der Inflation von winkeladvokatischen Tricks, wie Hersteller ihrer Krawallbüchsen doch irgendwie durch die Zulassungsrichtlinien schummeln. Bei den Idioten, die solche Selbstdarstellungsvehikel auch noch kaufen. Und natürlich dabei, daß es weitere Streckensperrungen und Verschärfungen der Lärm- und sonstiger Vorgaben im Alleinvorstoß und hirnlosen Aktivismus gibt.
Laßt uns also das Konzept „Kraftfahrzeug“ am besten ganz schlachten, mir könnte jedenfalls der Betrieb meines Motorrads im Geltungsbereich der StV(Z)O nicht egaler sein. Ändern wird sich natürlich herzlich wenig, wie man objektiv an Umweltzonen und Feinstaub oder der unveränderten Verkehrsdichte feststellen kann, die sich kurze Zeit nach der freudestrahlenden Eröffnung eines Tunnels, einer Umgehungsstraße oder des 3-spurigen Autobahnabschnitts einstellt.
So sind wir Menschen halt. Immer bestrebt, einen gewissen Level an Diskomfort nicht zu überschreiten.
Nachtrag: Ich habe mir noch die wenig unterhaltsame Fleißaufgabe gemacht, die im Heise-Artikel genannten Referenzen durchzuarbeiten.
Was die Energica betrifft (Heulgeräusche aus dem geradverzahnten Getriebe), was Anwohnerbeschwerden betrifft, was die Livewire am Hockenheimring betrifft, was die Krawallbüchsen von BMW betrifft (S1000*, Ninette, R1250GS) und über das neue Fireblödchen von Honda. Von Winglets ist da die Rede, von brachialem Vortrieb, von 1000-fach regelbaren Fahrdynamikfunktionen, von Kohlefaserfelgen, von feinsten Dämpferelementen und von futuristischen Lampengesichern.
Einzig der Duc Streetfighter V4 S bescheinigt man in drei kurzen Sätzen einen „infernalischen Lärm“. Sodann weiter im Tagesgeschäft, Sportmotor problemlos, Antritt vehement, Null auf Hundert in 3300ms – etwa 3x weniger als die Reaktionszeit der meisten vierrädrigen Unfallpartner.
Honi soit qui mal y pense. Womöglich bin ich mit den etwas optimistischen 80dB(A) Fahr-/90dB(A) Stand meines Enduro-Anachronismus nach 22 Jahren plötzlich wieder ohne jegliche Schuldgefühle unterwegs. Wenn die Weißwurschthauptstadt den Bestandsschutz nicht durch die Hintertüre wegreglementiert, beispielsweise per Fahrverbot für alle Krafträder – außer jene mit weißblauem Propeller natürlich.
Dei alde Kant‘n hört man an der Ampel im Rudel moderner Schummler wahrscheinlich nicht mehr. Da brauchst Dir wirklich keine Gedanken machen. Es gibt zwei Probleme, die keiner gern zugeben will: Erstens sind es eben nicht fünf „schwarze Schafe“, sondern eine Mehrheit mag es laut. Und zweitens kannst du dem Problem auch nicht durch Messungen beikommen, solange diese lauten Serien- und Zubehör-Anlagen schlicht und ergreifend legal sind. Dieses Problem haben wir uns selber geschaffen als Szene, als Industrie. Jetzt schauen wir blöd zu, wie die anderen es für sich zu lösen versuchen, und das Einzige, das uns einfällt, sind Proteste und Stornos der Wirte, die auch nix dafür können. Es wird strengere Gesetze geben, und daran sind wir selber schuld.
Ich denke nicht „wir“ sind schuld, sondern nach der medialen Massen-Anti-Motorrad-Kampagnen sind nur noch die Fahrer übrig, die auf die Erziehung durch die Medien scheissen – und dieses Restklientel hat es halt gerne laut.
Wenn ich da an die Artikel denke, wo es um die Freigabe der 125er ging: Nicht ein Medium hat das als positiv dargestellt, weil nun vielleicht Autofahrer auf potente Piaggio-Roller umsteigen, nein, überall sah man dann als „Symbolbild“ so etwas wie eine Yamaha YZF-R125 von schräg unten fotografiert an einem Artikel, der den Eindruck vermittelte, jeder darf jetzt Hayabusa fahren und ist damit im Prinzip schon tot.
Was bleibt ist das erzieherische Medienmantra, dass wir alle in den Corona-ÖPNV oder auf das Fahrrad umsteigen sollen. Alternativlos. Aus Angst sonst angeprangert zu werden, nickt die Bevölkerung dazu, stimmt aber schweigend mit den Füßen ab … und nimmt das Auto.
Weil (relativ) kleinvolumige Zweiräder sehr benzinsparsam sind, muss diese Fortbewegung eben aus anderen Gründen verteufelt werden. Leider zeigt genau das Wirkung und der Kundenkreis, der – wenn man ihm nicht so vehement das Motorrad ausreden würde – auch Wert auf ordentliche Schalldämpfung legt, ist schlicht nicht mehr da. Was aber schade ist, weil die von Viertaktroller bis hoch zu NC 750 X auf dem Markt sind und halt sparsam und recht still Unmengen Pendler coronakontaktfrei, sprit- und parkplatzsparend zur Arbeitsstelle bringen könnten.
[…] Mojomag verlinkt einen Heise-Artikel: Der Feststellung von Mojomag, dass Selbstregulierung nicht fun… […]
Mal ‘ne Frage, weil der Klappenauspuff immer so verteufelt wird. Ich habe ja auch einen an meinem Moped (gehabt, ging kaputt, die CBF ist aber immer noch leise) und die Sache bislang immer so verstanden, daß das Ding da ist, damit bei niedrigerer Drehzahl und, damit einhergehend, niedriger Leistung, das Möpp nicht unnötig Radau macht. Braucht man mehr Leistung, braucht man auch mehr Durchlaß, was dann halt auch mehr Krach gibt, logisch. So gesehen ist ein Klappenauspuff doch eine gute Sache. Was habe ich also falsch verstanden?
Du nimmst an, dass der Hersteller die Klappen zur sinnvollen Lautstärkereduzierung benutzt. Die Hersteller optimieren jedoch rein auf ihre eigenen Belange (Saaaauuunndd!), die Klappen schummeln das System dann durch den Messbereich. Da der Messbereich nur einen kleinen Teil abdeckt, ist die Schalldämmung insgesamt im Vergleich zu früher deutlich geringer. Die Physik hat sich dabei nicht geändert: Die neuen Motorräder könnten im Leistungsbereich genauso leise sein wie die aus den Neunzigern. Sie sind es aber nicht, und das wird uns als Motorradszene noch in den Arsch beißen. Seit zwanzig Jahren werden die Motorräder trotz strengerer Regeln immer lauter, legal. Wie soll der Gesetzgeber anders reagieren als mit dem regulatorischen Hammer?
Es kommt für den Kunden erschwerend hinzu, dass auch die Ausrede „das is wecherm DREHMOMENT“ als Lüge herauskommt: Die Motorräder verlieren in diesen Bereichen häufig massiv an Drehmoment. Schlimmste Beispiele sind Honda (Fireblade) und Moto Guzzi. Wenn Tuner die Klappen nebst Steuerung ausbauen/deaktivieren, läuft die Kiste meist gleich viel besser (ist aber so dann nicht mehr straßenlegal). Oder kurz: Der Klappenauspuff wird verteufelt, weil er scheiße ist.
@alter Sack: An einem Klappenauspuff ist überhaupt gar nichts „gut“ oder „schlecht“.
Man kann eine variable Ansaug- oder Abgasgeometrie sehr gut zur Leistungsoptimierung einsetzen (Schaltsaugrohr, EXUP), nicht nur Zwei- sondern auch Viertakter profitieren durchaus von Anpassungen des Staudrucks über den Drehzahl- und/oder Lastbereich. Bei aufgeladenen Motoren ist der Nutzen geringer, aber auch dort gibt es variable Turbinengeometrien, Doppelturbosysteme, usw., usf. Außerdem sind schon seit langer Zeit variable Steuerzeiten (aka. „variable Nockenwellensteuerung“ bzw. „variable Ventilsteuerung“) und Kennfelder für Einspritz- und Zündzeitpunkt Stand der Technik.
Die Technologie verbessert die Literleistung und/oder mindert den Verbrauch, „Segelmodus“, „Schubabschaltung“ und „Start-Stop-System“ haben wir ja auch schon nutzbringend im Verkehrsgeschehen.
Nun kann man all diese Elektromecha(tro)nik eben auch zur Bespaßung, d. h. für Krawall einsetzen, in Form von „Controlled Misfire“, Fake-Zwischengas und furzenden Doppelkupplungsgetrieben, die im Sportmodus die Gänge reinknallen, als gäbe es den ersten Preis im Fahrerlagerposing zu gewinnen.
Die Gesetzgebung läuft diesen Prozessen natürlich permanent hinterher, wo früher die Prüfstandserkennung einfach auf die stillstehenden Vorderräder getriggert wurde, haben wir jetzt eben einen winkeladvokatischen Mischmasch, um die Penisprothesen des liquiden Clientel doch noch irgendwie durch die stetig weiter ausufernden Regularien zu bugsieren.
Eine Lösung würde einzig in den Köpfen der Käufer liegen, aber die ist noch lange nicht in Sicht und so wird eben weiter an Symptomen herumgedoktert, weil „wenn das Kackding bei einem x-beliebigen Fahrmanöver bis y km/h am soundsoweit entfernten Meßmikrofon mehr als z dB(A) erzeugt, ist es durchgefallen“ sofort die Heulsusen in den Automobillobbies auf den Plan ruft.
Und selbst das behebt nicht das „Sport-Plus-Phänomen“, wonach es bei legal nach StVZO in Verkehr gebrachten Fahrzeugen erlaubt ist, ohne große bauliche Veränderungen Otto Normalverbraucher diverse penetrante Krawallmodi zugänglich zu machen. Per Knopfdruck. Per Bluetoothdongle. Via Konfigurationsmenü.
Das gibts fixfertig ab Werk zu kaufen – vorbei die Tage wo man sich am Golf GTI I noch mit Koni/Monroe/H&R-Gewindefahrwerk, Audi-5E-Drosselklappe, Schrick-Nockenwelle, Schmiedekolben, Kompressionserhöhung, G-Lader/Ladeluftkühlung, Leistritz-Anlage und Hartmann-Fächerkrümmer selber die Hände schmutzig machen mußte.
Ist ein bisserl wie mit dem Pedelecdreck. Wo früher wenigstens auf dem Radlweg noch die Anarchie der Wade herrschte, kann heute jeder liquide Vollspaßt mit seiner elektrischen S-Klasse einen Ampelholeshot veranstalten.
Danke an Clemens und Volker für ausdauerndes und geduldiges Erklären. Die Annahme, bei meiner ziemlich leisen CBF wäre die Auspuffklappe nur als Schwanzverlängerung (vulgo: Sounddesign) eingebaut worden, fällt mir dennoch schwer. Dafür ist die einfach zu leise.
Wie Volker ausgeführt hat, gibt es viele überlappende Gründe für Klappen. Welche Gründe Honda bewegt haben, können wir jur vermuten. Eine modernere CBF ist jedoch wahrscheinlich lauter als eine Nineties-Hornet (ich habe sie noch nicht nebeneinander gehört). Schau Dir CBF-Kunden an: Sehr viele montieren Zubehör-Auspuffe. Auch hier also ein Saaauuund-affines Publikum.
Ich zweifle, daß die CBF-Kunden den Auspuff weilwegen zu leise austauschen. Es gibt noch mindestens einen weiteren Grund: Das Ding ist ein monströser Elefanten-Dildo; nur wenige CBF-Fahrer dürften den als optische Bereicherung empfinden. Den meisten dürfte es wie mir schlicht wumpe sein, wie das aussieht, andere aber, deren Ästhetik-Drüse nicht so verkümmert ist, möchten nettere Optik. Als mir mal ein unaufmerksamer Autofahrer ein paar Kratzer in den Auspuff gefahren hat, meinte mein Werkstattfritze, ich solle mir einen Zubehör-Auspuff aussuchen, der sehe viel besser aus. Von Krach hat der nix gesagt. Aber gut, wir mutmaßen nur.
Wenn Du über Mutmaßungen hinausgehen willst, schau in ein CBF-Forum, lies Auspuff-Threads und ich kann Dir praktisch garantieren, dass Du dort nicht nur die Optik, sondern auch den „Sound“ als Grund finden wirst. Ich dachte es früher auch nicht, aber an der CBF wird bemerkenswert viel modifiziert. Ich dachte auch vorher, das kaufen Leute, die eben einfach nur Motorrad wollen, war aber zu einfach gedacht.
Habe ich gemacht. Der erste Eintrag war einer, der einen Zubehör-Auspuff hatte, aber einen anderen wollte, der nicht so laut ist. Er bekam viele Antworten. Damit ist die Herrlichkeit aber schon vorbei, andere Beiträge sprechen von Soundoptimierung durch Sportauspuffe und solchem Kram. Die Resonanz auf solche Fragen blieb allerdings geringer. Ich kann also weiterhin wähnen, daß es sich nur um vereinzelte Idioten handelt, während die Masse wenigstens der CBF-Fahrer nicht so bekloppt ist ;-(
Von meiner Seite noch ein paar weitere Überlegungen, zum Regelwust, zur Extrawurst und zum Wurstegal von Krawall-Kfz:
In meiner gestrigen Diskussion mit einem Experten von der GTÜ über lärmende Kraftfahrzeuge bezog ich mich auf die seit 2014 und noch bis 2026 gültige „Verordnung (EU) Nr. 540/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austauschschalldämpferanlagen sowie zur Änderung der Richtlinie 2007/46/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 70/157/EWG Text von Bedeutung für den EWR“ (s. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32014R0540 und http://data.europa.eu/eli/reg/2014/540/oj), wo es ab Seite 32 im Anhang III „Grenzwerte“ zur Fahrzeugklasse M1 heißt:
Phase 1 anwendbar für neue Fahrzeugtypen ab dem 1. Juli 2016
a) Leistungs-Masse-Verhältnis = 120 kW/1 000 kg: 72 dB(A)
b) 120 kW/1 000 kg < Leistungs-Masse-Verhältnis = 160 kW/1 000 kg: 73 dB(A)
c) 160 kW/1 000 kg 200 kW/1 000 kg Anzahl Sitzplätze = 4 R-Punkt Fahrersitz = 450 mm über dem Boden: 75 dB(A)
Phase 2 anwendbar für neue Fahrzeugtypen ab dem 1. Juli 2020 und für erstmalige Zulassung ab dem 1. Juli 2022
a) 70 dB(A)
b) 71 dB(A)
c) 73 dB(A)
d) 74 dB(A)
Phase 3 anwendbar für neue Fahrzeugtypen ab dem 1. Juli 2024 und für erstmalige Zulassung ab dem 1. Juli 2026
a) 68 dB(A)
b) 69 dB(A)
c) 71 dB(A)
d) 72 dB(A)
Daraus geht klar hervor, daß Fahrzeugen mit hohem Leistungs-Masse-Verhältnis („Sportwagen“) eine Extrawurst gebraten wird. Natürlich sind +4 dB(A) quasi der Dreck unterm Fingernagel (ist ein deutlich wahrnehmbarer aber nicht extremer Unterschied – etwa 10 dB(A) bedeuten eine gefühlte Verdoppelung der Lautheit) – aber m. M. n. das vollkommen falsches Zeichen.
Zu den Lieblingstools für Krachdeppen dürften also zukünftig und weiterhin Mercedes E63 AMG, Audi RS6, BMW M3 und vergleichbare Penisprothesen gehören – aber auch weniger auffällige Hot Hatches wie der Hyundai i30 N, Honda Civic Type R, Mercedes-AMG A45 S, Mini Clubman JCW, Audi RS3 Sportback, der zukünftige Golf GTI VIII (den Opel Corsa OPC hat anno 2018 die Euro 6d-Temp-Problematik gekillt), sie sind in Kategorie b) und c). Kategorie d) wird man im Straßenverkehr kaum begegnen, deren Besitzer wissen Bescheid und betreiben sie vorwiegend im Motorsport.
Aber natürlich gibt es in dem vollkommen idotischen Wust an Rahmenbedingungen dieser Vorordnung auch weiterhin reichlich Schlupflöcher für Prüfstandserkennung.
Und ein wie auch immer geartetes generelles Verbot für Klappenauspuffanlagen oder Vorschriften für die Steuerung („Sport-Plus-Modus“ – allein die Forderung „nicht lauter als Serie“ greift m. M. n. zu kurz) habe ich in keinem Bundesgesetzblatt gefunden. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, denn https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav erlaubt im „kostenlosen Bürgerzugang“ keine Suchfunktion (die ist unverschämterweise nur in der kostenpflichtigen Abonnentenversion enthalten). Die gerne im Zusammenhang erwähnte „5. Verordnung zur Änderung des Gesetzes zur Steuerung vom Klappenabgasanlagen“ veröffentlicht am 01.04.2019 im BGBl ist ein Aprilscherz und existiert nicht.
Nun mal Butter bei die Fisch, zum finanziellen Risiko:
– Fahren ohne Betriebserlaubnis (mit Beeinträchtigung der Umwelt, 319609): 90€, 0 Flens.
– Lärmbelästigung (TBNR 130612): 80€, 0 Flens.
– Inbetriebnahme trotz übermäßiger Geräuschentwicklung (TBNR 349000): 20€, 0 Flens.
– Schalldämpfer defekt, mit Belästigung (TBNR 349101): 30€, 0 Flens.
Und, mein erklärtes Highlight:
– „Sie weigerten sich, die Geräuschentwicklung prüfen zu lassen.“ (TBNR 349106): 10€, 0 Flens.
(aus: https://www.kba.de/DE/ZentraleRegister/FAER/BT_KAT_OWI/bkat_owi_18_05_2020_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=4)
Da kommen mir ja glatt die Lachtränen.
HU ist offenbar auch optional (TBNR 329607): „Sie unterließen es, das Fahrzeug, das nach Nr. 2.1 der Anlage VIII in bestimmten Zeitabständen einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen ist, zur fälligen Hauptuntersuchung vorzuführen. Der Termin war um mehr als 8 Monate überschritten.“: 75€, B-1. Angesichts einer Anreise von 150km, damit ein pragmatischer Prüfer meine Sempre Competizione auch ohne gesslerhutverdächtige Verbeugungen vor Dingen wie „rechter Außenspiegel“, „Übersetzung 16:39“, „Soziusfußrasten“, „Spritzschutz und hinterer Reflektor“, „Abstand der seitlichen Fahrtrichtungsanzeiger von der Fahrzeuglängsachse“, „Kettenabdeckung“, usw. durch die allzweijährige Untersuchung hievt und 78,50€ für 10 Minuten Schwerstarbeit, hält sich mein Unrechtsbewußtsein in recht überschaubaren Dimensionen.
@Clemens: Dein CMS hat die = (kleiner/größer gleich) Sonderzeichen ruiniert. Aber man kann sich ja denken, daß die spezifische Leistung von a) nach d) zunimmt.
Übrigens gibt es diese Krawll-Extrawürste auch für weit weniger auffällige Karren wie den Hyundai i30 N, den kommenden Golf GTI VIII (den Opel Corsa OPC hat anno 2018 glücklicherweise die Euro 6d-Temp-Problematik gekillt) und vergleichbare Massenproduktionen: Sie sind in Kategorie b) und c).