Der klagende Bremssattel-Gospel am Vortag des Rennstreckentests. Das folgende war ein Forenposting nach einem harten Tag, den ich einfach in de.rec.motorrad loswerden musste.
Heute hab ich auch mal ne Werkstattgeschichte und sie zeigt sehr deutlich, warum ich Werkstattgeschichten nicht gerne habe. Am liebsten diagnostiziere ich und delegiere das Problem dann großkotzig, um bei schlampiger Ausführung dann Zeter und Mordio zu schreien. Leider geht das nicht immer, nichtmal oft. Gestern hatte ich Bremsscheiben zu montieren. Die originalen Buchsenschrauben passten nicht. Sie passten nicht, und zwar nicht um ein paar polierbare Tausendstel, sondern sie passten nicht um einen fetten halben Millimeter Durchmesser. Kleinere Buchsenschrauben kamen nicht in Frage, weil die Buchsen als tragendes Element bis in die Felge reichen. Angerufen. Keine Antwort. Liegengelassen.
Heute Rückruf aus Hamburg. Seufz. Ich muss da einfach mal wieder hin, es gibt in Deutschland einfach keine bessere Großstadt. Wie auch immer, der nassforsche Eigner der Bremsscheiben sagt, ich soll einfach den Bohrer nehmen und seine Bremsscheiben aufbohren. Nach dreimaligem Nachfragen denke ich mir, Okay, sind seine und geh in die Werkstatt, immer noch leicht zögerlich. Diese Keramikkohlefaserkompositbremsscheiben, die ich da testen soll, kosten immerhin 2000 Euro. Gut, hab ich mal aufgebohrt. Alu ist weich, die Passungen werden also ohne großen Aufwand deutlich exakter als bei den Originalstanzteilen der Suzuki GSX-R 750 K8. Schnell angeschraubt und Timo gesagt, er soll schon mal gehen, ich schieb ihm dann „g‘schwend“, wie der Schwabe sagt, die Zehner vonner Bühne, wenn ich die klee Gixxer verarztet hab. Es warn ja nur noch neue Bremsbeläge einzusortieren. Nur sind die bei vielen neuen Japanern mit Bolzen befestigt, die nicht mehr mit Splint gesichert sind, sondern verschraubt, Stahl in Alu. Und natürlich hat’s erstens Kontaktkorrosion und zweitens einen Deppen in der Vergangenheit, der die Dinger voll rangeknallt hat. Halb reicht in dieser Konfiguration ja schon.
Mit Hilfe von Kriechspray, Hammerschlägen, Verlängerungen und Frank-Albert „Brutale Gewalt“ Illg krieg ich drei der vier Bolzen raus. Einer davon ist verbogen, keine Ahnung, wie der letzte Belagwechsler das geschafft hat. Er steht auf jeden Fall auf dem Killfile [1] des Paten (das bin ich). Der letzte Bolzen geht gar nicht ab, sondern der Innensechskant dreht durch und rund. Arg! In solchen Situationen tendiere ich bei untergehender Sonne normalerweise dazu, ein Bierchen zu nehmen und das Problem zu vertagen. Nur dass das Krad diesmal am nächsten Morgen an den Sachsenring verschifft wird, wo die teuren, von mir mit dem Bohrer veredelten CMC-Scheiben getestet werden, sie haben nämlich keine Straßenzulassung.
Stunden später. Timo, Axel und ich haben es mit Hammer und diversen spitzen Werkzeugen geschafft, dass die Schraube ein größeres Loch hat und deutlich leichter geworden ist. Nur sitzt sie immer noch fest. Bevor er zu macht, ruf ich den Suzi-Händler an, ob er mir bis sofort ein paar Bolzen geben kann. Ne, geht nicht. Und ein Dichtset für den Sattel? Oder einen Sattel? Ne, ne… Aber er könnt mir eine Grip-Zange leihen, um das Gewinde vom gepackten Bolzen aus zu packen. Da ichs mit der Zange schon probiert hab, bietet mir der freundliche Werkstattmensch an, dass ich den Sattel vorbeibringe und er mir Bolzen aus einer anderen Gixxer gibt, bis die neuen bestellten übermorgen da sind. Ich verkneife mir ein „heirate mich!“ und leg auf. Später wird sich eh herausstellen, dass er mich irgendwie für den Chefredakteur der Motorpresse hält, eine erstaunlich häufige Verwechslung. Vielleicht ist das so wie in Fight Club, tagsüber MO, nachts zieh ich die Hosenträger an und schreib als Pfeiffer wilde Editorials.
Wie auch immer, freudig erregt wickle ich den Bremssattel ein und schwing mich auf die Shiver, neu bereift mit Z6 Interact, für beide möchte ich an dieser Stelle eine ausdrückliche Empfehlung aussprechen. Sofort schifft es aus Kübeln. Das passiert ja immer, wenn ich fahre. Ich skate um den Feierabendverkehr, der ebenfalls pünktlich angefangen hat und komm in die Werkstatt. Dort dasselbe: Hammer, Öl, etc. Geht natürlich nicht. Dann aber packt der Werkstattmeister das Schweißgerät aus und brennt einen präparierten Ring an, den er packt und … wieder abreißt. Ich stelle mich auf einen langen Abend ein. Der Meister nimmt diesmal eine dicke Mutter und schweißt die an, spannt den Sattel ein, dreht … und *knacks* — endlich. Wahrscheinlich hat mich noch nie ein Knacks so glücklich gemacht. Der Sattel (Alu) hat nur leichte Spuren. „Besser als ein neuer Sattel“, sagt der Meister und hat recht. Überschwenglich bedanke ich mich, fülle die Kaffeekasse und rutsche zurück in die Redaktion. Schnell alles befestigt und Bremse entlüftet (man muss/sollte an der K8 dazu einen Sattel hochhalten). Endlich fertig. Ne, natürlich nicht: Die alten Dichtungen, die ich aus Faulheit oder Vergesslichkeit dranließ, schwitzen. Also ab. Ja, ich liebe es, meine Hände in DOT4 zu waschen. Neue Dichtringe. Nochmal entlüften. Endlich fertig.
Ich hass sowas. Was war nochmal gleich der Nachteil, diese Drecksbolzen per Splint zu sichern? Aber bleiben wir positiv: Wir treten am Sachsenring an mit grünen Stahlflexbremsschläuchen, schwarzer Prollscheibe, schwarz-gold eloxierter Fußrastenanlage (alles Kawasaki ZX-10R), und auf der Gixxer mit Carbon, Carbon, Carbon und Carbon-Optik (die CMC-Scheiben sehen aus wie MotoGP-Carbon-Bremsen). In der Werkstatt beschließen wir noch, die BT016 am zweiten Fahrtag, wenn sie eh runter sind, durch Slicks zu ersetzen. Zusammen mit Pornokombi, Raserhelm, Schwuchtelstiefeln und Mafias werden wir damit die Créme de la Proll sein! Und wehe, jemand prollt mich her, dem zieh ich den 50er Gabelschlüssel über die Rübe.
Gruß, der Proll und Chefredakteur der Motorpresse
[1] „A killfile is in fact a file with a list of names of people you are going to have killed.“ (BSMFH)