geschrieben und mit freundlicher Genehmigung von Helmut Wicht
(Das folgende hat insofern mit Motorrädern zu tun, als ich mit einem dahin gefahren bin. Mehr nicht. Ihr könnt also aufhören, weiter zu lesen. Das, was folgt, ist einfach nur der Versuch eines Stückes Literatur. HerzSchmerzLiebe, und am Ende gibt es sogar einen Witz.)
„Ulle kommt!“
Das stand im „Betreff“ eines emails, das ich vor ein paar Wochen von einer mir gänzlich unbekannten Frauke M. erhielt. Normalerweise drück‘ ich sowas ungelesen in den Müll. Aber das … „Ulle“ … Ulrike O.? Meine erste Liebe?
Ja. Ulrike O. kommt. Das Mädchen, das ich, als Knabe, zuerst liebte. Ihr kennt das: dieses erste Mal, wenn die Kinderfreundschaft den bittersüssen Geschmack der Erwachsenenliebe bekommt. Diese Sehnsucht nach Körperlichkeit, dieser Verlust an Leichtigkeit der einfachen, kindlichen Freundschaft, dieses schmerzhafte Begehren des anderen. Schade. Nie hab‘ ich Ulle gehabt, es blieb rein platonisch, aber vergessen hab‘ ich sie auch nie ganz. Wie könnt‘ ich auch: hab‘ ich sie auch nicht am Leibe, so hat sie mich doch im Geiste entjungfert. Sowas sitzt.
Das war in der Untertertia. Dann hab‘ ich die Schule gewechselt und anderswo Abitur gemacht und anderswen geliebt und an anderen gelitten. Und ich hab‘ Ulle nur noch einmal, vor 25 Jahren, kurz und zufällig wiedergesehen. Damals studierten wir beide noch.
Und jetzt: „Ulle kommt!“. Nach Darmstadt, zum „Grohe“, in die Stammkneipe all derer, die jemals Darmstädter waren.
Im email steht, dass Ulrike jetzt in Afrika lebt, weil sie einen Senegalesen geheiratet habe. Senegal … da wo die Neger nicht nur schwarz, sondern schwarz-blau sind. Damals, als ich Ulle liebte, trug sie ein Mal an sich. Sie war teils dunkel, teils weiss: Sie hatte so eine Pigmentierungsstörung der Haut und sie sah aus wie ein grobgeflecker Leopard. Oder wie ein Schecken. Braun-weiss. Ich fand das sehr bemerkenswert und sexy.
„Ulle kommt!“
Sie kommt zum „Grohe“, ich auch, mit‘m Krad. Und Ulle, die jetzt im Senegal, in Dakar lebt, sitzt da, und ist käseweiß. Eine hübsche Albina…
„Weisst Du“, sagt Ulle, „das mit der Pigmentstörung ist weggegangen. Früher war ich braun-weiss gescheckt. Jetzt bin ich nur noch weiss. Und muss im Senegal höllisch aufpassen, dass ich mich nicht versenge. Sonnig und warm ist‘s da nämlich… andersrum wär‘s praktischer gewesen.“
Gut, sie ist weißer als weiß, dafür hat sie einen netten Neger geheiratet und erzählt von ihrem Leben in Dakar. Ärztin ist sie, Allgemeinmedizinerin, und verdoktert, was ihr so in die Praxis läuft.
„Und“, frag‘ ich, „ernährt das seine Frau?“
„Naja,“, meint sie, „die Frau schon, nicht aber die ganze Familie, zwei Kinder, Mann … und die Kundschaft hat oft kein Geld und will in Naturalien zahlen.“
„Was“, frag‘ ich weiter, „macht denn dein Mann?“
„Hühnerzucht“, sagt sie.
Und erzählt, wie sie in Hamburg, wo sie als Ärztin ohne rechte Perspektive und Lust arbeitete, auf einem Rock-Konzert einen fröhlichen Senegalesen kennen und lieben lernte. Und wie die deutschen Behörden diesen Senegalesen, als er arbeitlsos wurde, fürsorglich unter ihre Fittiche nahmen: „Ausbildung oder Ausweisung“. Und das erste Ausbilungsangebot, das man ihm machte, nahm er vor lauter Schreck an: Heizungsbauer.
„Weißt du“, sagt Ulle (und guckt sorgenvoll auf ihre herrlich weiße, sonnenbrandgefährdete Haut), „für Heizungsbauer gibt es nicht wirklich einen Markt in Dakar …“
„Hätt‘ er nicht Klimatechnik machen können?“, frag ich zurück.
„Womöglich“, sagt sie, „aber als ich ihn kennenlernte, war er schon mitten im Heizungsbau.“
„Und mitunter“, so nahm ich das Gespräch später wieder auf, „mitunter bezahlen dich deine Patienten in Naturalien?“
„Ja.“
„Aber Hühner nimmst du nicht an?“
(Sie lacht wie damals und mein Herz blutet)
„Nein.“
Danach hat sie mich kurz in die Arme genommen, und dann bin ich auf‘s Motorrad gestiegen und heim gefahren. Leicht sichtbehindert, feuchten Blickes. Irgendwas muss mir in die Augen gekommen sein, vielleicht war‘s ja auch nur ein staubiger Wind. Das kennt man ja, feiner, heller Saharasand, der aus dem tiefen Süden zu uns geblasen wird.
Senegalesen zu Heizungsbauern!
Eskimos zu Kältetechnikern!
Liebende zu Freunden!
Ach…
1A!
Einfach wunderschön! Und genauso schmerzhaft!
(Sie lacht wie damals und mein Herz blutet)
Danke
ein schönes Stück Literatur ! ! !
Geht es uns nicht allen ähnlich wenn wir nach Jahrzehnten mal
wieder unsere „Jugendliebe“ treffen ? ? ?
Einfach schee geschrieben . . . .