Unbesiegbar: Die Lock­heed SR-71 „Black­bird“

Die Lockheed SR-71 „Blackbird“ wurde in ihrer gesamten langen Einsatzzeit nie abgeschossen. Sie flog zu hoch für Projektile und sie war schneller als alle Raketen. Ein spätes Requiem auf die großartigste Flugmaschine des Atomzeitalters.

Wenn ein paar der seltenen guten Männer dieser Welt zusammenkommen und ein militärisches Projekt unter dem Namen „Archangel“ starten, ist jedem Kinofan klar, dass dabei eine Waffe herauskommt, die schon im Stand Angst macht. Als jedenfalls die Lockheed A-12 und schließlich die SR-71 das Licht der Öffentlichkeit erblickten, war es, als ob die Außerirdischen gelandet wären. Die Flugzeuge sahen und sehen noch heute derart fies aus, dass russische Kinder weinen mussten und die SR-71, die von den beiden sehr ähnlichen Flugzeugen schließlich das Rennen machte, blieb für Jahrzehnte das schnellste Flugzeug der Welt. Sie blieb außerdem unbesiegt.

Die SR-71 auf der Startbahn mit laufenden Motoren. Russische Kinder haben geweint. (Bild: NASA)

Mit dem Blackbird (deutsch: „Amsel“) wollten die Amerikaner ein Aufklärungsflugzeug, das höher und schneller fliegen konnte als die U-2, damit es keiner abschießen konnte. Sie gingen das Problem an, indem sie einfach das schnellste mögliche Flugzeug bauten. Die riesigen Triebwerke des Flugzeugs zum Beispiel waren darauf ausgelegt, mit Mach 3,2 zu cruisen, und dort waren sie auch am effizientesten. Bei dieser Reisegeschwindigkeit arbeiteten sie quasi als Ramjet, da etwa 70 Prozent der Schubluft um die Gasturbine herum flossen statt durch. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten konfigurierten sich die Triebwerke um, die Gondel schob sich nach vorne, Bypasses schlossen und öffneten sich, der Motor baute sich funktional komplett um.

Mach 3,2 ist wahrscheinlich für die meisten nur so eine Zahl, und nichtmal eine besonders hohe. Für die Ingenieure bedeutete dieser krasse Wert jedoch, dass sie keine Kompromisse machen konnten. Zunächst mal war da das Material. Ein normales Flugzeug würde bei dieser Geschwindigkeit derart heiß, dass es auseinander fiele. Die Blackbirds, oder „Habus“, wie sie ihre Crews wegen ihrer Ähnlichkeit zu einer japanischen Viper nannten, mussten daher aus Titan gefertigt werden. Das hatte noch nie jemand gemacht. Eigentlich alles in der Geschichte der Fertigung der SR-71 hatte noch nie jemand gemacht. Lockheed musste nicht nur das beste Flugzeug der Welt bauen, sondern auch noch die Werkzeuge und Maschinen, um das überhaupt angehen zu können. Nette historische Anekdote: Das Titan für die neuen Aufklärer stammte größtenteils vom Feind, aus der UDSSR. Die durften natürlich nicht wissen, was die Amis denn damit vorhatten, daher nahmen die Lieferungen wahrscheinlich abenteuerliche Routen.

Eine SR-71 vom Tanker aus fotografiert. Die Tankklappe ist noch offen und sie trielt Sprit aus allen Ritzen. (Bild: NASA)

Die Habus waren perfekt angepasst an ihren Lebensraum bei mehrfacher Schallgeschwindigkeit. Das führte dazu, dass sie am Boden, naja, sagen wir: weniger gut angepasst waren. Bei den extremen Temperaturen im Flug dehnt sich alles aus, und bei der SR-71 war der Unterschied derart groß, dass zum Beispiel die direkt in die Außenhaut integrierten Tanks am Boden nicht dicht waren. Die Fugen schlossen sich erst bei hoher Geschwindigkeit. Auf der Startbahn tropften die Amseln wie Kieslaster. Das machte jedoch nicht viel, denn der Sprit (JP-7) war äußerst schwer entzündlich und die Piloten starteten mit einem Minimum an Treibstoff, weil sie vor ihrer Mission immer erst in der Luft volltankten. Auch die an vielen Stellen wellige Außenhaut des Flugzeugs ist der Hitze geschuldet: Auf diese Weise kann sich das Material ausdehnen, ohne sich aufzuwerfen oder gar zu brechen. Trotz all dieser Maßnahmen kühlte die SR-71 ihre Hotspots wie die Schnauze überdies noch mit durchfließendem Sprit. Selbst nach der Landung war die Hülle noch über 300° C heiß und sie wurde praktisch bei jedem Flug neu hitzebehandelt und war deshalb nach einigen Einsätzen härter als nach dem Bau.

Man könnte Stunden und Tage über die SR-71 referieren. Das ist aber gar nicht nötig. Diese Maschine erschließt sich einem schon allein durch Angucken. Was für ein Design! Batman trifft Star Wars trifft Luftfahrgenies. Und die Coolness hört nicht beim Aussehen auf. Die „Standard Evasive Action“ bei Lenkwaffenbeschuss war einfach Gas geben. Und durch diese kurzen Episoden mit noch höherem Speed verbrauchten die monströsen Triebwerke bei einer Mission oft sogar weniger Sprit! Vielleicht eine Dankesgeste der Triebwerke. „Endlich mal was zu tun“ oder so. Die Motoren wurden am Boden mit Starter-Carts fremdgestartet, auf denen zwei fette Ami-V8-Motoren liefen, einige Buick, einige Chevy. Und die Piloten mussten, bevor sie in ihre Raumanzüge (dieselben wie im Space Shuttle) stiegen, eine kräftige Mahlzeit aus nur Eiweiß zu sich nehmen: Steaks und Eier. Die SR-71 war die Antithese zu diesem postfeministischen, politisch korrekten Quatsch, der hier jeden Tag per Pressemitteilung reinflattert; sie war damit nicht nur eines der besten Flugzeuge aller Zeiten, sie ist außerdem das coolste. Seit 1999 fliegt sie nicht mehr, doch sie ist uns allen ein Vorbild. Seinen Problemen wie seinen Feinden durch schneller sein entkommen ist zum Beispiel eine Lehre, die jeder ernsthafte Motorradraser verinnerlichen sollte.

Beide Triebwerke mit gezündeten Nachbrennern beim Testlauf. Ich muss mir so eins für die Kawasaki organisieren... (Bild: NASA)

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