Unschockbar: Frauen mit Motor

Irgendwas ist auf attraktive Weise komisch an Frauen mit Kraftfahrzeugaffinität. Vielleicht liegt es daran, dass sie irgendwie unschockbar sind.

Es gibt eine ganz spezielle Sorte Frau, die mich, fast wider meinen Willen, extrem fasziniert. Sie ist dort zu finden, wo es nach Benzin riecht, nach Motoröl, nach Lederpflegemittel — kurz: sie bewegt sich durch ein männerdominiertes Milieu und wird vielleicht durch den Kontrast so attraktiv. Zum Beispiel England, 2007: Nach der 100-Jahre-Jubiläums-TT auf der Isle of Man stand ich morgens mit der BMW F 800 ST am Hafen Heysham und hatte eine ganze Ecke Zeit, bis abends die Fähre von Hull auf der anderen Seite Englands nach Rotterdam gehen würde. Auf andere Motorradfahrer hatte ich keine Lust, aber ich hatte Lust auf Motorrad fahren, also wählte ich eine Route, die komplett über wunderbare Landstraßen durchs englische Hinterland ging. Irgendwann mittags kam ich durch Leeds. Das ist jetzt kein Hinterland mehr, aber mich hatte ein Lastwagen umgestumpt und ein Navi hergeführt. Außerdem meldete die kleine BMW dezent ihren Durst nach neuem Sprit an.

“So große Titten. Reicht ja eigentlich.“ Ich auf der Isle of Man vor der Abfahrt (Bild: Öli)

Zack, nächste Tanke rein, Tankrüssel hinten in die F 800 (das Krad wird rektal betankt). Dann an die leere Kasse, Bedienung!, ich will hier zahlen und Kaffee und außerdem will ich ein neues Zwanzigschussmagazin dieser englischen Lungenteerkippen! Zu der Zeit hatte ich mich nämlich derart über Leute aufgeregt, dass ich rauchen musste wie ein chinesischer Industrieschornstein. Meine Laune war trotz Nikotin seit Tagen beschissen. Und an dem Tag hatte mich dann wie gesagt auch noch ein Laster umgeschmissen. Bedienung, verdammt! Plötzlich jedoch kam so ein braun gelocktes Geschöpf mit völlig gelöstem Gesichtszustand aus einem Kabuff und sagte mit einem netten Lächeln ein sanftes, unglaublich langgezogenes „Hi…“, das klang wie wenn man gerade neben ihr aufgestanden wäre. Ich war sofort maximal fasziniert, sofort wieder im Einklang mit der Welt. Sie hatte Augen in der Farbe dieser hellblaugrauen Achate, war nach der Kommunikation zu schließen die Tochter dieser Tankstelle nebst Werkstatt und außerdem maximal entspannt. „Drogen“, werden jetzt manche sagen, aber ich glaube, dass es Grenzen dessen gibt, was Drogen leisten können. Ihre komischen wässrigen Augen wirkten, als hätten sie keinerlei Filter, als ließen sie alles einfach durch, wie es ist. Warum auch filtern? Ihr schien eh alles gleich gut. Ihr Alter ist schwer erinnerbar, denn ich bin mir sicher, dass man durch die Augen dieser Dame auch nach 80 Lebensjahren noch in das dahinterliegende Nirvana fallen kann. Nachdem ich ihr völlig willenlos meine Zahlungsmittel überreicht hatte, sagte sie aus ihrem Jenseits ein schleppendes „…Ta.“, das ich nie vergessen werde („Ta“ sagt man in der Gegend um Leeds für „Thanks“). Ich ging immer wieder da unter Vorwänden rein (Feuerzeug, Schokolade, mehr Kaffee…), nur um dieses gelächelte „…Ta.“ zu hören, und wenn ich nicht so auf die Abfahrt der Fähre fixiert gewesen wäre, weil ich, selber verstrahlt, schon eine verpasst hatte, dann stünde ich heute noch glücklich rauchend an dieser Tanke.

Mit der Honda CBF 600 in Spanien wars, glaub ich. In etwa so wie dieses Emorama(tm)-gefilterte Bild habe ich mich gefühlt. (Bild: Honda)

Ein Jahr später lag ich in einem Whirlpool irgendwo in Spanien. Auf einmal stieg das Treppchen direkt neben mir ein rosa verpackter Arsch zu mir herab, an dem ich fast an Ort und Stelle wegen Herzinfarkt gestorben wäre. Wir zogen die Arschinhaberin mit ihrem rosa Bikini auf, den sie sich vom Hotel hatte leihen müssen, aber es war eh vollkommen ohne Belang, was sie anhatte. Wäre sie mit Homer Simpsons dreckigen Unterhosen in diesen Pool gestiegen, hätte mein ramponiertes Herz denselben Halbinfarkt erlitten. Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass ich sie sofort zwanghaft auf ihren Arsch ansprechen musste. Wie sie das macht, dass der so aussieht oder so ähnlich. Irgendwas Peinliches halt. Mittlerweile habe ich keine Erinnerung mehr daran, warum wir da in Spanien waren, es muss wohl irgendwas mit Motorrädern zu tun gehabt haben, weil das erstens mein Job zu der Zeit war und sie zweitens davon sprach, wie sie zuhause ja noch ihr altes Motorrad herrichten müsse, was mir eine sofortige Vision von ihr in nichts außer einer blauen Latzhose völlig verglibbert in einer warmen Werkstatt bescherte. Jesus, Maria und Josef! Wie gesagt, ich habe den Anlass der Reise vergessen, doch dieser Arsch samt der angeschlossenen, fast ebenso wundervollen Person hat sich lebenslang in die Erinnerungsrinde gelasert.

Gestürzt, aber nicht geschockt im Würmtal.

Ich versuchte vor Ort, meine Emotionen unter einen mentalen Teppich zu kehren, eine Annäherung an den Normalzustand zu simulieren, weil ich bei guten Frauen immer zu beunruhigendem Verhalten neige, das ebendiese ganz schnell vertreibt. Professionell bleiben. Du bist hier zum Arbeiten, verdammt. Arsch. Nein! Arbeit! Und so weiter. Mein verwirrter Zustand führte mich dennoch in der Nacht in voller Montur durch einen Brunnen, einen doppelten Scotch in der Hand, den ich wirklich brauchte. Als ich später mit vor Nässe quätschenden Schuhen in die Hotelbar wankte, setzte ich mich zu einem netten Kollegen von der Motorpresse, der meine bis zu den Knien nasse Hose mit Wasserpflanzen drauf Gentleman-like ignorierte und einfach mit mir trank. Für diese echte Menschlichkeit führe ich den Mann noch heute in der kleinen Schublade mit „Freund“ außen drauf. Ich hab glaub ich außerdem noch eine CD von ihm. Egal, jedenfalls wäre es retrospektiv und emotional nüchterner betrachtet wahrscheinlich gar nicht so schlimm gewesen, die Zügel schießen zu lassen. Sie wäre wahrscheinlich wenig geschockt gewesen.

Oder die 180-cm-Blondine, neben der man im Bett manchmal dachte, da liegt ein Kerl, weil sie so groß war. Sie wollte es mit Ehrgeiz in der berüchtigten Brückenschikane des Würmtals wissen und fand heraus, wo die Grenzen ihres zu diesem Zeitpunkt nagelneuen Motorrads lagen: nämlich hinter ihr. Sie krachte in die Wiese, wo sie bei meiner Ankunft bereits von volltrunkenen Vatertagsfeiernden verarztet wurde, die ihr Wodka Feige auf ihre Schürfwunden gossen. Aber selbst das konnte sie nicht mehr schocken. Oder die hübsche Sadistin (Zahnarzthelferin), die gleich bei ihrer ersten Fahrt mit einem wildfremden Mann (mir) über einen Sprunghügel fast aus dem Sitz flog und nur sagte: „Nochmal!“ Oder Lois Pryce, die nur mit einem Lächeln bewaffnet durch Schwarzafrika fährt. Oder ganz einfach und bodenständig nur das Mädel beim Polo Leinfelden gestern, das dort mit einem Kaugummi im Mund die Werkstatt macht und mir mit fachkundig bedienter Schiebelehre das richtige Schraubenmaß verkaufte.

Ich hasse ja diese Posterklischees von Motorrad mit (fahrender, nicht nackender) Frau drauf oder von Autowerkstatt mit kompetent-attraktiver Mechanikerin, aber ich hasse sie deswegen, weil ich weiß, dass sie bei mir klicken. Wenn ich wieder auf die Isle of Man fahre, werde ich deshalb in Leeds diese Tankstelle suchen und der verstrahlten Frau eine Motorradladung Blumen und einen Heiratsantrag vorbeibringen. Schocken wird sie das nicht.

Kommentare:

ältere
  • REISEENDUROTEST... - Seite 2 meinte am 2. November 2012 um 12:30:

    […] […]

  • Jo meinte am 15. November 2012 um 17:11:

    Kerl, sprichst mir aus der Seele.
    Wenn ich mal wieder in der easyrider oder BN oder CS unterwegs bin und Inspiration suche, dann posen da dauernd irgendwelche Nacktärsche vor dem Bike herum… und verstellen mir den Blick.
    Aber wenn ich einer Schrauberin und/oder Fahrerin in die Augen schaue… da ist es dann wieder…

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