Bier and Loathing in Stuttgart

„We were somewhere around Barstow, on the edge of the desert, when the drugs began to take hold.“ So beginnt das wahrscheinlich beste Buch über Journalismus, das je geschrieben wurde. Ich habe es Toby als integralen Bestandteil seiner Ausbildung lesen lassen und bin jedesmal zu Tränen gerührt, wenn er mich unter den Tisch trinkt. Er hat verstanden. Nach der ersten Phase meiner Motorradschreiberausbildung bei MO vor langer Zeit wollte auch ich beweisen, dass ich verstanden hatte. Ich wollte als ein Gesellenstück eine Tour des Absturzes durch Bierfranken machen, und es ist ganz erstaunlich, wie tief man abstürzen kann, wenn das Motorrad nicht funktioniert (BMWs Ringantennenproblem) und schon im Haus mit dem gemieteten Appartement drei Bars ihre Flüssigkeiten anbieten.

Es wurde ein Desaster — allerdings auf andere Art als geplant, was wieder zeigt, dass Chaos nicht planbar ist. Ich ging vom Absturz in Franken gleich weiter zum Absturz auf der Isle of Mann zur TT, weil Timo bei einem Absturz von einer Enduro seinen Arm gebrochen hatte, sodass ich ihn trotz meiner fragilen Verfassung vertreten musste. Danach wurde der Artikel intern als jugendgefährdend eingestuft und gecancelt, weil man zwei Bierflaschen sehen konnte. Das ging nicht:

Bier and Loathing in Franken, mein Gesellenstück quasi. Wurde als jugendgefährdend eingestuft und daher nie veröffentlicht.

Man beachte meine selbstgemalten Bier-Fledermäuse („This is bat country!“). Man beachte, wie exakt der Füllstand beider Biere eine Linie bildet. Man beachte den Putzlumpen, der den Gasgriff der BMW fixiert. Alles umsonst, genauso wie meine Pläne, doppelseitige Anzeigen an die Würzburger Hofbräu GmbH, Marlboro Deutschland und alle deutschen Äther-Großhändler zu verkaufen.

Moralisch geläutert startete ich lange danach den zweiten Versuch einer Biertour, diesmal mit einer Ducati Streetfighter S, weil die deutlich zuverlässiger ist als die vorher verwendete BMW. Peinlich achtete ich darauf, nirgends Bier abzubilden, aber es nutzte nichts, weil auch diese Geschichte nicht gedruckt wurde. Vielleicht spielte das Glas voll Sperma, unter das ich „das ist Seife“ schrieb, eine abstoßende Rolle, man weiß es nicht.

Ich erzähle das, weil Käpt‘n Manfred mich auf eine Fotostrecke bei Motorrad Online zu deren Biertour aufmerksam gemacht hat. Dazu sollte man wissen, dass diese Fotostrecken eigentlich fürs Heft produziert werden und online nur als Resteverwertung landen, wenn der dazugehörige Artikel gecancelt wird. Es steht nicht zu erwarten, dass ein Klassenausflug der Motorpresse dieselbe Absturzeleganz aufweisen würde wie wir (wo ist zum Beispiel das Sperma?), doch es bleibt ein weiterer Beweis, dass Biertouren in Stuttgart intern verboten sind. Und vielleicht ist das auch besser so:

Klassenausflug ins Fledermausland

[Update:] Mein Theoriegebäude, es wankt! Offenbar war dieser Artikel in der Ausgabe 24/2011 drin. Man lasse mir ein Faksimile davon zukommen! An meiner schönen Theorie da oben ändere ich nichts, weil ich selbst unbesehen weiterhin davon ausgehe, dass niemand außer mir adäquate Biertour-Absturz-SKILLZZ hat.

Kommentare:

ältere
  • Bla meinte am 20. Dezember 2011 um 20:23:

    Ich bin mir sicher, dass der Artikel in der Zdjlakk erschienen ist und die Leserbriefe in der Ausgabe darauf vor Moralin gestunken haben.

  • Clemens Gleich meinte am 20. Dezember 2011 um 20:49:

    Was? In welcher Ausgabe war denn das? Meine wissenschaftliche Theorie!

  • Mike meinte am 20. Dezember 2011 um 22:12:

    Im Blogreader mit MoppedPlanet ist gleich über diesem Beitrag die Bierprobe für Dezember von Frank zu finden. Passt doch 🙂

    Übrigens: Bier+Bike=böse!

  • Holger meinte am 21. Dezember 2011 um 0:47:

    Tja, ich denk gern an die Zeit zurück, wo in der MO noch feine, lesenswerte Artikel über Pizzen mit Entenstopfleber abgedruckt wurden, die Reisefieber-Schübe beim geneigten Leser zur Folge hatten. Früher war halt mehr Lametta…
    Der Link zum Klassenausflug funzt übrigens so dauerhaft penetrant, dass es mehr als einen „Schnitz“ (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,296663,00.html) benötigt, um sich da erstmal wieder weg zu klicken, Mojamag muss sogar neu geladen werden, dass prangere ich an!
    Verscheuch hier mal nich Deine Leser 😉

    Ach, anstatt eines schnöden Putzlumpen zur Fixierung, hätte eine Warnweste (stil)sicher am Gastgriff eingeklemmt, gute Dienste geleistet und hätte ggf. sogar den Zensor milde gestimmt…

  • Clemens Gleich meinte am 21. Dezember 2011 um 10:30:

    Ach, Holger, das war damals eine andere Zeit, eine unschuldige Zeit, in der es noch keine Warnwesten gab. Wir waren ja wie Kinder. Wie Kinder mit 165 PS und Stopfleber auf der perversen Pizza.

    An diese Zeit denken Timo und ich auch gern dran zurück. Es ist nur leider so, dass die Mehrzahl der deutschen Leser sehr konservative Beiker sind, die nachweislich sehr ungehalten auf gedruckte Fröhlichkeit reagieren, und deshalb gibt es jetzt praktisch in der gesamten Schreiberlandschaft fast gar keine albernen Artikel mehr. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Umso mehr erstaunt es mich, dass der Artikel offenbar doch gedruckt wurde (Heft 24/2011), wobei ich ihn gar nicht lesen muss, um seinen Vibe zu wissen: konservativ, nüchtern. Und (siehe hoben) die Leserbriefe waren trotzdem empört. So ist die Hauptkundschaft der lesenden Motorradfahrer.

    Es wird immer wieder Versuche gegen, dem nüchternen, nutzwertigen Mainstream Alternativen entgegenzustellen, und deshalb möchte ich die Interessierten daran erinnern: Diese Alternativen wird es auch nur so lange geben, wie sie angenommen werden. Man sollte also die Motorpresse-Redaktionen positiv feedbacken (sagt das der Berater heute so?), wenn sie sich mal was Besonderes trauen, und man sollte mit offenen Augen durch den Kiosk gehen, und gelegentlich durch Unbekanntes blättern.

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