Clemens Gleichs Fahrschule: Die Hupe

Wir mittlerweile alten Hasen haben es alle schon gesehen: Der junge Kradist unterschätzt eines der wichtigsten TÜV-vorgeschriebenen KFZ-Bauteile im Straßenverkehr: die Hupe. Jetzt könnte ich hier den üblichen Schmonz dahersalbadern über unsere Nachbarn, die Italiener, ja, wie die mit der Hupe, also das, da erkennt man ja, das ist doch eine ganz andere Lebensart, um nicht zu sagen: doltsche wita. Keine Angst, mache ich nicht. Ich möchte dem jungen Kradisten nicht die Benutzung seiner eigenen Hupe näher bringen, denn die eigene Hupe ist am Motorrad nur pro forma für den TÜV montiert. Sie ist zu leise, als dass sie über dem Grundrauschen einer Stadt oder gar des Fahrtwinds von schläfrigen Verkehrsteilnehmern der Umgebung gehört werden könnte. Nein, es geht mir um die Hupe der Anderen. Deren Signale können nämlich maßgeblich zur Verbesserung des eigenen Fahrstils beitragen.

Dabei rede ich gar nicht von Fehlern, denn ein Hupsignal nach einem Fehler ist meistens eindeutig. MEEEP! Grüner wird‘s ned, du Schnarcher! MEEEP! Hier ist hundert, keine 30-Zone! MEEEP! Du darfst mich nicht überholen, denn ich fahre ein überteuertes deutsches Automobil und du nicht! Weniger eindeutig ist jedoch das Hupsignal als positives Feedback, das oft sehr missverstanden wird, weil es nicht positiv gemeint ist. So zum Beispiel mein drittes Beispiel von eben. Oder nehmen wir eine weitere typische Verkehrssituation: Der Motorradfahrer rollt an der Ampel nach vorne in die erste Startreihe. MEEEP!, ertönt das Signal. Doch was bedeutet es? „Ich fühle mich impotent und was ich nicht kann, soll keiner können!“, lautet die Langform dieser Hupenmotivation. Diese Information kann und sollte vernachlässigt werden. Wichtig ist jedoch folgende implizite Beiinformation: „Ich habe dich gesehen.“

Wenn also eine Hupe ertönt, gibt es eine einzige Frage: Habe ich einen Fehler gemacht? Nein? Dann ist die Hupe ein positives Signal, das möglichst oft gehört werden sollte. Solange der Opi mit Bluthochdruck fleißig auf die Hupe patscht, hat er dich gesehen, junger Kradist. Wenn du leise mit den Blechtonnen durch den Stau schwimmst, wird er dich schnell übersehen. Nimmst du jedoch am Begrenzer kreischend seinen Außenspiegel mit in die Berufsschule, wird er dich nie vergessen. Für die Fahrkönner: Wheelies sind ein ausgezeichnetes Instrument der Verkehrssicherheit. Man sollte da nicht auf die unqualifizierten Einwürfe der Verkehrspolizei hören, was wissen die denn schon?

Vielleicht fragst du dich jetzt, ob das nicht zu asozial ist, ob Opis mit Bluthochdruck nicht vielleicht doch Gefühle haben, die (Berufs-)Schulmeinung ist sich da ja noch nicht ganz einig. Der Gedanke ist richtig. Was ich nach einem bestätigenden Hupsignal also mache: freundlich deeskalierend winken — ein Dankeschön quasi. Darauf folgt im Regelfall wieder eine freundliche Bestätigung: MEEEEEEEEP!! „Ja, ich habe dich gesehen.“

Kommentare:

ältere
  • Max meinte am 18. November 2013 um 16:52:

    Vielen Dank, ich hab das all die Jahre immer völlig missverstanden.

  • Der-Alte Griesgram meinte am 18. November 2013 um 16:54:

    MEEEEEEEEEP!

  • Ansgar Brühl meinte am 18. November 2013 um 17:35:

    Wie recht Du hast!
    Jahrzehnte lange Erfahrung in Ablieferung nicht unerheblicher Mengen Blutzoll auf unseren Straßen haben auch bei mir die Erkenntnis gebracht, das es allemal besser ist angehupt als kommentarlos über den Haufen gefahren zu werden. Da ich tagsüber prinzipiell nur mit Fernlicht mopedfahre, freue ich mich immer wieder über entgegenkommende Huper o. Aufblender.
    Es ist einfach ein saugutes Gefühl von Opa u. Co. wahrgenommen zu werden. Viele von von uns haben sicherlich schon oft den Spruch : Oh, ich hab Sie gar nicht kommen gesehen! auf dem Rücken liegend gehört. Ich würde mich allerdings noch mehr über eine wieder zunehmende Benutzung dieses, anscheinend als völlig nutzloses Zubehör namens Blinker( Amtsdeutsch : Fahrtrichtungsanzeiger) erachtet Anbauteils, freuen. Ich wette wenn die Dinger Aufpreis kosten würden, gäbe es die schon lange nicht mehr o. alle hätten vom ersten bis zum letzten Meter den Warnblinker an.
    Meeep an Clemens von einem Stammleser, weiter so!

  • Jay meinte am 18. November 2013 um 17:46:

    😉 Seeeehr schöner Artikel…

    Mir stellt sich immer dann die Frage, wenn ich schon bei *etwas* schlechterer Sicht die Nebler am Möppi anwerfe oder immer mit Neblern fahre, wenn die Saison vorbei ist: Was möchte ich: Legal umgehämmert werde oder illegal überleben.

    Kleine Story dazu: Da hält mich vor Jahren die Rennleitung in der Senne (nen nahegelegener Truppenübungsplatz mit legal befahrbaren Strassen) an einem wunderschönen Herbstsonntagmorgen auf, fragt mich, welche Art Drogen ich konsumiert hätte und kommentiert meine Nebler mit ‚Naja, wenn‘s Visier beschlägt ist das ja auch Nebel, gute Fahrt‘….

  • Bla meinte am 18. November 2013 um 20:59:

    Na ja, ich pflege das präventive Hupen. Wenn ich sehe, dass ich gleich übersehen werde, genügt ein kurzer Druck aufs Knöpfchen und ich werde gesehen. Eine Doppelhupe plus Stebelhorn sorgen dafür. Steht sogar in der StVO §16,1. Und §5,5 (Hupen vorm Überholen) nutze ich auch gerne. Ich hupe gern. Manchmal winke ich auch.

  • travellingpete meinte am 19. November 2013 um 6:42:

    @bla: Mit allen fünf Fingern oder nur mit einem? Winken mein ich.

  • Bla meinte am 19. November 2013 um 7:13:

    @travellingpete: Mit beiden Armen und allen 10 Fingern.

  • Dirk Klatt meinte am 19. November 2013 um 10:07:

    „Nimmst du jedoch am Begrenzer kreischend seinen Außenspiegel mit in die Berufsschule, wird er dich nie vergessen“….was für ein Bronzesatz 🙂 ….

    Jetzt verstehe ich meine Mitmenschen besser, sie meinen‘s nur gut mit mir ‚altem Kradisten‘ …danke!

  • Dirk Klatt meinte am 19. November 2013 um 10:10:

    @Jay: ….da war die Rennleitung aber gut drauf! ….aber was ist das für ein Krad mit Nebelscheinwerfern? Da hattest Du wohl den GS-Rennleitungsbonus?

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