Mit meiner Duke R habe ich mit Guido Kupper fürs Magazin „Roadster“ eine Serie für den Dauertest ausgemacht, die ich schon länger mal machen wollte: verfallene, vielleicht gar vergessene Orte anfahren. Serientitel: „Duke Going Lost Places“ Wir haben ganz harmlos mit den Mammutbäumen im Schwarzwald angefangen, die dort seit dem 19. Jahrhundert stehen. Das war weniger verloren, als ich zunächst dachte, mit lauter Wanderern mit Kindern, hatte aber einen unbestreitbaren Vorteil: Es war sehr legal. Der zweite Punkt meiner Lost-Liste zeigte jedoch bereits das Dilemma der Serienidee: Lost Places sind mehrzählig entweder nur illegal zu betreten oder langweilig. Das merkte ich, als ich die alte, definitiv nicht langweilige Papierfabrik im Murgtal anfuhr.
„E. Holtzmann & Cie.“ war lange Zeit der größte Papierhersteller der Welt, und mit einer Gründung anno domini 1884 obendrein einer der ältesten. Im Murgtal gibt es die Murg für Wasser und Wasserkraft, außenherum gibt es Bäume, und Schienen transportierten die Produkte ab: Papier aller Sorten vom Schreibpapier bis zu Tapetenrohwahre. Die Firma durchlebte ihre Höhen und Tiefen, ich habe jedoch nicht herausfinden können, wieso genau sie vor die Hunde ging. Einen großen, einzelnen Grund gibt es wahrscheinlich also auch hier nicht. Klar: Früher führte die Murg deutlich mehr Wasser. Die Firma konnte sie für Wasserräder nutzen und zum Flößen von Holz. Aber solche Details allein können nicht der Grund gewesen sein für den Untergang. Im Gegenteil hatte die Firma schon früh viele Maschinen installiert, von denen man heute noch einige betrachten kann. Alte Dokumente weisen zum Beispiel eine verfügbare Leistung von „mind. 14.000 PS“ an Dampf- und Wasserkraft aus. Bessere Technik konnte das Minderwasser der Murg locker kompensieren.
Bei einem Kassensturz für die Bilanz 1994 fanden die Buchhalter einen Verlust von 66,6 Millionen DM für 1993 plus satte 92,8 Millionen DM Miese für 1994. Ich kenne die Umsatzzahlen dazu nicht, sie müssten aber bei etwa 700 Millionen DM gelegen haben (bitte helft mir mit Daten aus, wenn ihr sie kennt). Das brach der Firma also nicht gleich das Genick. Wohl eher starb der Konzern am Gewicht der eigenen Altlasten. 1995 stiegen die Papierpreise und taten das insgesamt bis heute. Dennoch krebste die AG vor sich hin, und irgendwann verkaufte sie Stück für Stück ihre Fabrikanlagen. Einige (z. B. in Karlsruhe) operieren heute noch unter anderen Besitzern. Andere verfielen, darunter eben dieses alte Hauptwerk nahe Weisenbach, neben dem auch die Besitzervilla steht. Es wurde zu meinem Dorado für Erforscher verlassener Orte, weil die Innenräume einfach so cool ausschauen. Die Grafiker von „The Last of Us“ hätten es nicht schöner zeichnen können. Die Innenansichten hier stammen von so einer Gruppe, die anonym bleiben möchte. Als sie dort waren, fanden sie schon einige neue, gewerbliche Mieter vor. In diesem runden Gebäude, das ich für einen Kühlturm hielt, der aber nach Aussagen des neuen Bewohners wohl eher eine Kläranlage der Papierfabrik war, hat zum Beispiel ein Vormieter versucht, irgendetwas aus Holz in den Turm zu bauen. Das Experiment wurde nie fertiggestellt, sodass man nur rätseln kann, was er tun wollte.
Als ich letzte Woche an der Fabrik vorfuhr, herrschte wegen Werktag überall ziemlicher Betrieb. Handwerker renovierten Räume, Straßenarbeiten fanden statt, auf dem Fabrikinnenhof steht eine Wohnwagensiedlung für billige Arbeiter, die dort wohl nächtigen. Als wahrscheinlich wichtigste Änderung fand ich jedoch dieses große Stück Stoff an der Einfahrt zur Fabrik: „Gewerbegebiet Breitwies“ mit Logo. Die Gemeinde Forbach, auf deren Gemarkung die alte Fabrik liegt, geht es jetzt offensichtlich an, die alten Gemäuer neu zu beleben. Das war so mein Grund, warum ich Guido anrief: „Das können wir nicht bringen.“ Ich wollte wirklich nicht alle Roadster-Leser der Umgebung dazu implizit aufrufen, da mal vorbeizufahren und hausfriedensbrecherisch einzusteigen – vor allem nicht, wenn die Gemeinde dort jetzt endlich ihr Gewerbegebiet per Flagge ausruft. Wir haben den Artikel also abgesagt, um sozial und fair zu den Leuten zu sein, die dort gerade einen Schlosserbetrieb, eine Holzverarbeitung, eine Farbenfirma oder sonstwas betreiben wollen, ohne dass am Wochenende Motorradfahrer durch die Fenster steigen.
Leute dieser Lost-Place-Szene sagen selten, wo ihre besuchten verlassenen Orte genau liegen. Vielleicht ist es ein Schutzbedürfnis gegenüber der Entdeckung. Vielleicht wollen sie vage bleiben aufgrund des Strafrechts. Ganz sicher ist es albern, weil man diese Orte immer in kurzer Zeit auf Google Maps findet. Die alte Papierfabrik liegt hier (Eingang): 48.711500, 8.365820 Vielleicht möchte ja ein Schwarzwaldbewohner dort eine Halle mieten. Soll sehr günstig sein (in Forbach fragen, nicht in Weisenbach). Ich wünsche Forbach Glück mit ihrem Gewerbegebiet. Schöner wäre es natürlich gewesen, wenn mein verlorener Ort noch etwas verlorener gewesen wäre. Für Guidos Roadster stellt sich mir jetzt die Frage, welche Orte die Lost Duke überhaupt aufsuchen kann, wenn das später öffentlich im Heft stattfinden soll. Lost, Legal, aber nicht langweilig. Ich habe schon ein paar Ideen. Wenn ihr auch welche habt: in die Kommentare. Ich fahre auch gerne mit einem lokalen Führer. Nur die illegalen Sachen, die können wir einfach nicht bringen. Deshalb habe ich eben bei der Zonenverwaltung von Tschernobyl angefragt, ob ich da mit der Duke mal reinfahren kann. Was soll schon schiefgehen?
So einen netten verlassenen aber legalen Ort habe ich heuer im Sommer besucht.
In Kroatien, nördlich von Zadar bei Zaton. Ein alter, verlassener Militärflugplatz. Fotos davon hätte ich und kann ich Dir gern zukommen lassen.
Belitz Heilstätten. Da gab es zumindest bisher legale „Besuchertage“.
Thshernobyl ist eine gute Idee, mach mal. Du kannst offizielle Touren mieten einschliesslich Essen in der ehemaligen Kantine.
Wenn Du alles organisiert und bezahlt bekommen hast ruf mich an. ich würde gerne mitfahren.
Hi Clemens, Hotel Haludovo Insel Krk bei Malinska, Kroatien. Da ist gerade auch besseres Wetter als im Murgtal. Ich würde aber mit ner GS hinfahren ist bequemer.
Haludovo ist ein Supertipp, danke! Das hatte ich noch nicht auf der Liste.
Tschernobyl? Da muss ich immer an den Film Stalker denken.
Inzwischen ist es dort jedoch möglich Bustouren zu machen, von Mopped-Touren weiß ich noch nichts. Ich bin gespannt.
Hi Clemens!
@“Schutzbedürfnis“ und „Menschen, die ein Geheimnis um Lost Places machen“: Schau einfach auf die Graffitis und Du beginnst zu verstehen. Zu Deiner Papierfabrik waren sie gnädig. Manch einer anderen Industrieruine erging es weniger gut und sie ist für Fotos (Deine sind übrigens recht hübsch!) verdorben. Da könnte ich auch gleich auf der Deponie knipsen.
Grüße,
Volker
Moin Clemens,
schöne Fotos! Da finden sich in meiner Ecke bestimmt auch einige Motive ganzer, verlassener Ortschaften rund um den Braunkohle Tagebau im Rheinland …
LG, Walter
Guten Morgen, evtl bietet sich ja auch ein ganzer Ort an. Wie zB der Immerath in Nordrhein Westfalen der spätesten 2017 dem Tagebau zum Opfer fällt. War diese Woche erst bei Galileo zu sehen.
Ja, Immerath stand schon zur Artikelplanung auf der Liste, genau weils ja bald weg ist. Danke!
Thematisch passend wäre die alte Norton-Fabrik in Wesseling bei Köln (aber natürlich für Dich weit weg). Da standen zumindestens vor kurzem noch Tür und Tot weit auf und waren ohne die Überwindung irgendwelcher Hürden von einem öffentlichen Weg aus frei passierbar. Ich müsste mal sehen, ob das noch so ist.
Hallo, ich kenne den Besitzer der ehem. Papierfabrik persönlich falls Interesse besteht gebe ich euch seine Handy-Nr. wegen mieten bzw. das ganze legal zu betreten.
Ich kann nur sagen, das ich es nicht es nicht gut finde, wenn tags und auch nachts irgendwelche Leute herumschleichen. Gestern musste der Rettungshubschrauber kommen, weil einer in der Fabrik abgestürzt ist. Es ist mega gefährlich da drin. Aber die Leute lassen sich nichts sagen und das tun wir auch nicht mehr. Macht also was ihr wollt, aber lasst die Anwohner in Ruhe.
Deshalb war ich ja nicht drin. Die Bilder von innen sind nicht von mir. Gibt es den Gewerbepark jetzt eigentlich noch, hat sich da noch was getan?
Guten Morgen Elyseka
Würde sehr gerne den LP besuchen gehen. Dürfte ich die Nummer erfahren?
Besten Dank
Claudia
Hallo, ich würde gerne mal in der Fabrik fotografieren. Ganz legel. Wäre nett wenn du mir die Handynummer vom Besitzer geben könntest.
Hallo 🙂
Ich würde mich auch für eine legale Besichtigung interessieren 🙂
Liebe Grüße und Dankeschön 🙂
Hallo, wir würden die Fabrik gerne besuchen. Würdest du uns die Telefonnummer geben?
Hallo Elyseka, ich würde auch gerne die Fabrik legal besuchen. Bitte schicke mir auch die Telefonnummer vom Besitzer, Vielen Dank im voraus. Viele Grüße Michael
Hey ich würde diesen Ort auch gerne besuchen um einige tolle Schnappschüsse zu machen. 🙂 Wäre es möglich die Nummer zu bekommen?
Liebe Nicole
Ich warte leider schon seit November 2020 auf eine Antwort von Elyseka. Aber bis heute warte ich immer noch. Was ich sehr schade finde.
Hallo,
Ich würde sehr gerne auf dein Angebot zurück kommen und den Besitzer kontaktieren wollen.
Im voraus besten Dank !
Schöne Grüße Andy
Hallo Clemens, ich bin auf deinen Bericht gestoßen, weil ich Infos zur ehem. Anschlussbahn der Holtzmann-Fabrik („Weisenbachfabrik“) gesucht habe. Ich war vorgestern auf dem Gelände, um Reste dieser Anschlussbahn zu dokumentieren. Im Gewerbepark war einiges an Lieferverkehr los, er läuft also, aber wieviel seit 2016 dazugekommen ist, kann ich nicht sagen. Die großen Holtzmann-Gebäude sehen noch so aus wie auf deinen Bildern; die Kneipe „Zur Alten Fabrik“ davor war geschlossen. Interessant dein Hinweis zu dem Rundbau: er wurde zwischenzeitlich teilweise angestrichen und gesichert, da scheinen Baumaßnahmen am Laufen zu sein. Ich dachte eigentlich, dass das im Zusammenhang mit dem Wasserkraftwerke Murg Breitwies Schlechtau GmbH steht, aber es kann durchaus sein, dass da jemand dabei ist, sich peu à peu ein außergewöhnliches Wohndomizil auszubauen.
Danke für die Infos! Ist ja schön, wenn es langsam wieder zur Nutzung zurückfindet.
Was mich jetzt doch verwundert: der Rundbau ist bereits auf einem Luftbild von 1968 (!) zu erkennen:
https://www.leo-bw.de/web/guest/karte-vollbild/-/gisviewer-expert/voll?_gisviewerexpertportlet_WAR_gisviewerportlet_map=DOP_1968,Maps4BW,Reliefkarte&_gisviewerexpertportlet_WAR_gisviewerportlet_center=3453177,5399144&_gisviewerexpertportlet_WAR_gisviewerportlet_zoomlevel=14
Eine Telefonnummer? Wozu das denn? Wer unbedingt eine Telefonnummer braucht, dem leihe ich gern meine. Wer das nicht braucht und weiß was er tut, geht einfach rein und genießt mit der größten Begeisterung, Hingabe und dem größten Respekt zu dem er fähig ist. Dann belohnt ihn dieser wunderbare Ort (ca. 300 oder ) mehrfach.
Alle anderen bestraft dieser Ort…
war gestern da, alles gut
Anonymous, ich habe gehört, es sei alles zu gemacht worden vom Besitzer. Stimmt das nicht, kommt man immer noch rein?
Ich war gestern da, irgndwelche Arbeiter in der Halle der Papierfabrik, ständig Liefer- und Warenverkehr um und in der Fabrik – scheint ziemlich belebt zu sein, ohne an den Leuten vorbeizugehen kommt man aber auch nicht rein. Der LP scheint nicht mehr begehbar zu sein.
Heute dort gewesen, nichts von „neuem Gewerbe“. Problemlos betreten, keine Zuschauer, aber das ganze Gebäude ist massiv einsturzgefährdet und echt gefährlich.
Danke Dir! War bei mir damals ganz anders, da waren lauter Bauarbeiter und Baustellen. Ist dann wohl alles nix geworden.