Ich wandere aus auf die Affeninseln

In letzter Zeit war ich öfter in Großbritannien — in Schottland, Irland und natürlich immer wieder in London. So verschieden die Völkchen an diesen Orten auch sind, es eint sie eine Leichtigkeit im Geiste. Sie nehmen sich selber nicht so ernst, deshalb gibt es das Ventil des britischen Humors, der stressige Situationen sozial entschärfen hilft. Bei uns geht es meistens überhaupt nicht, über eine dämliche Situation auch noch Witze zu reißen. Obwohl ich ein eher typischer Deutscher bin, fällt mir überhaupt kein deutsches Überdruckventil für soziale Stresssituationen ein, was erklären hülfe, warum wir immer alle so angespannt sind. Angespannt sehen wir zuallererst: Probleme! Da! Etwas Neues! Aber da gibt es PROBLEME damit! Das geht dann doch nicht so einfach, süffisalieren wir dahin, da muss man erstmal … Die Briten dagegeben machen mehr, Ärmel rauf, hochkoffeinierten Tee rein, und dann ran an den Speck. Die Ergebnisse sind oft weniger durchdacht, oft werden Probleme erst spät in der Entwicklung gesehen statt wie bei uns vor jeder Entwicklung. Aber es sind Ergebnisse! Mir ist ein verpfuschter Versuch noch jeden Tag lieber als dreißigtausend Nichtversuche wegen Problemen vorab. Die Deutschen sterben nicht aus, weil sie nicht ficken würden, sondern sie sterben aus, weil sie vor dem Kinder kriegen erstmal alle Probleme der Welt, die auftreten können, recherchieren und es deshalb dann lieber lassen. Genauso tun wir es mit Ideen. Zur North West 200 gibt es jedes Jahr einen BBC-Helikopter und einen Live-Stream. Die IDM bei uns dagegen filmt zwar alles, zeigt es aber keinem. Super. Ich glaube, ich muss auswandern.

Aber vorher verbrenne ich meinen Pass. 

Kommentare:

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  • Wolfgang Lonien meinte am 22. Mai 2014 um 7:51:

    Sehr schöner Artikel Clemens. Und das Bild welches Chris Roberts von Dir gemacht hatte: alle Achtung! Der muß auch so ein Verrückter sein…

  • Clemens Gleich meinte am 22. Mai 2014 um 8:54:

    Danke. Das ist übrigens Toby auf den Fahrbildern mit der Speed Triple, der damals mit mir in Irland war.

  • Volker meinte am 29. Mai 2014 um 8:37:

    Guten Morgen Clemens!

    Der Begriff „Fluchtdistanz“ sagt Dir was? Das ist – ich zitiere hier schamlos die Enzyklopädie der Halbwahrheiten – „[…] der Mindestabstand, den ein Tier zu einem anderen, potenziell bedrohlichen Lebewesen akzeptiert, ohne vor dem möglichen Angreifer zu fliehen […]“. Natürlich kann Homo Sapiens nicht immer fliehen. Z. B. wenn er in den Öffis eingezwängt ist, im Stau, in der Truderinger Mietswohnung.

    Da kommt dann ein Phänomen ins Spiel, das sich „Übersprungreaktion“ nennt. Man flieht also nicht, sondern daddelt auf dem Handy, hört Danzig mit den In-Ohr-Stöpseln oder lächelt freundlich und wälzt dabei blutige Axtmordphantasien. Man könnte also sagen, britischer Humor wäre eine Art Übersprungreaktion, zu der deutsche Staatsbürger evtl. nicht fähig sind.

    Übrigens hängt die Fluchtdistanz natürlich auch vom Aggressor ab. Eine Flasche Talisker lasse ich durchaus auf Armreichweite heran. Oder einen Stein. Für Polizei gibts einen kontextabhängigen Abstand, der auf der KTM „Sempre Competizione“ zügig gegen unendlich geht. Ähnlich bei der Bundesmerkel. Die könnte ich manchmal auf den Mond schießen – die unbeleuchtete Seite.

    Äh, und: Das mit dem Kinder kriegen und den Problemen der Welt ist nun wirklich zu stark verallgemeinert… 😉

    Ciao,
    Volker

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