Neu: der Martin Jetpack

Unzählige Kinder träumen seit den sechziger Jahren von ihrem eigenen Jetpack, der jedoch immer nur im Kino Realität wurde. Der „Martin Jetpack“ will diesen Traum für 50.000 US-Dollar wahr machen — noch dieses Jahr.

Ginge es nach unseren Visionen aus den sechziger, siebziger Jahren, würden wir alle in fliegenden Autos, angetrieben von Fusionsreaktoren, in den Urlaub reisen und der Raketenrucksack wäre unser Äquivalent zum Mofa: ein billiges persönliches Fortbewegungsmittel für alle. Wie das mit den Zukunftsvisionen so ist, kam alles ganz anders. Heute hat keiner einen Raketenrucksack, weil sowas zu bauen schwieriger ist, als wir uns das damals in der optimistischen Zeit der Luftfahrtechnikdurchbrüche vorgestellt haben. Ende 2010 soll dennoch der „Martin Jetpack“ ans Volk verkauft werden, und das könnte diesmal klappen, weil dieses Fluggerät die wichtigen Dinge ganz anders macht. Zunächst mal ist die Erfindung aus Neuseeland kein Raketenrucksack. Sie hat keine Raketen wie die Teile, mit denen James Bond damals durch „Thunderball“ flog, sie hat nichtmal Turbinen, obwohl die Düsen danach aussehen. Nein, die gekapselten Propellerschrauben des Martin Jetpack werden über Zahnriemen von einem zentral im Rückgrat der Maschine montierten V4-Zweitakt-Kolbenmotor angetrieben. Während James Bond damals nur eine halbe Minute in der Luft bleiben konnte, soll der Martin Jetpack eine halbe Stunde mit einer Tankfüllung schaffen. In der Luft ist man damit bis knapp 100 km/h schnell und schafft somit nach Adam Riese bis zu 50 Kilometer, bevor die nächste Tanklandung fällig ist. Die maximale Flughöhe beträgt gute 2400 Meter und der Preis geplant 50.000 US-Dollar.

Mit diesen Eckdaten öffnen sich dem Martin Jetpack Einsatzmöglichkeiten, die über den puren Spaß von Privatpersonen hinausgehen. Notfallsanitäter könnten zum Beispiel in einen undurchdringlichen Stau einfliegen. Spezialeinsatzkräfte von Polizei oder Militär könnten sich in kürzester Zeit auf Gebäuden taktsich günstig positionieren. Ein ähnliche Idee sollen ja die Nazis damals im zweiten Weltkrieg gehabt haben: Soldaten, die Minenfelder und Stacheldraht schwebend überwinden. Außerdem ist der Martin Jetpack sicherer als die meisten seiner Vorgänger. Zum Beispiel trägt ein Notfallschirm Pilot nebst Maschine zu Boden, wenn der Sprit in einem Kilometer Höhe ausgehen sollte oder etwas kaputt geht. Allzu harte Landungen des (ohne Fallschirm) 125 kg schweren Konstrukts aus Kohlefaserlaminat federt ein Stoßdämpfer an den Landefüßen ab. Das Flugwerk ist komplett aus CFK gefertigt, um den Jetpack leicht zu machen, und agiert als Schutz, um ihn sicherer zu machen. Die Propellerhüllen zum Beispiel schützen vor seitlichen Kollisionen, die Steuerarme bis zu einem gewissen Grad vor frontalen. Alle beweglichen Teile sind gekapselt und das heiße Abgas strömt erst in einigem Abstand zum Piloten in die Umgebungsluft. Es sieht also regelrecht benutzbar aus, was auch dringend nötig ist, denn der Martin Jetpack erfordert keine Fluglizenz. Die Firma will ihn deshalb nur Leuten verkaufen, die in einer Einweisung bewiesen haben, dass sie nicht sofort nach dem Kauf im nächsten Fernsehturm hängen. Nachtrag: „Keine Fluglizenz“ gilt nur für die USA, siehe Kommentare.

Die schnittigste Selbstmordmethode des 21sten Jahrhunderts: der Martin Jetpack (Bild: MAC)

Die Schwerkraft ist eben unnachgiebig, und wo Flugzeuge zumindest Tragflächen haben, mit denen sie zur Not noch manövrieren oder gar landen können, fällt ein Jetpack in so einem Fall einfach zu Boden wie ein Stein. Glenn Martin hat deshalb darauf geachtet, dass alles doppelt, dreifach, fünf- oder gar zehnfach gesichert ist, dass die Konstruktion an sich möglichst wenig Gefahrenpotenzial hat. Der Motor zum Beispiel ist eine komplette Eigenentwicklung, denn es gab in der Serienfertigung keine Maschinen, die die selbe Leistung (etwa 200 PS) bei einem vergleichbar geringen Gewicht (etwa 60 kg) einen vergleichbar linearen Drehmomentverlauf bieten. Selbst unter modernsten Motorradmotoren wird es schwierig. Der BMW-Vierzylinder des Sportmotorrads S 1000 RR etwa wiegt zwar ausgebaut etwa dasselbe, hat aber eine aufwendige Wasserkühlung und eine Druckumlaufschmierung, die betriebsbereit Gewicht und Fehlerquellen hinzufügen. Zudem dreht der BMW-Motor mehr als doppelt so hoch, und Martin wollte hohe Drehzahlen dringend vermeiden. Bei 6000 U/min ist daher Schluss.

Martin nimmt bereits Vorbestellungen entgegen und will Ende des Jahres die ersten Jetpacks ausliefern. Mit im Boot ist ein nicht näher genannter Partner aus der Luftfahrtbranche. Die ganze Sache mag sich für den Laien einfach nach einer lustigen Produktneuheit anhören, aber der gute Glenn Martin arbeitet seit fast 30 Jahren an seinem Jetpack, deshalb ist es auch beleibe noch nicht sicher, dass wir wirklich endlich unsere Jetpacks kriegen. Die Geschichte dieser Fluggeräte ist geprägt von Enthusiasmus, dem in den meisten Fällen Tragik folgt. Der Testpilot Harold Graham etwa, der den amerikanischen „Rocket Belt“ ausgiebig für das Pentagon testete, zog sich nach der Einstellung des Rocket Belt zurück und ging seiner Leidenschaft für die Lüfte in einem kleinen Flugzeug nach. Als ihm ihm die Luftfahrtbehörde wegen Krankheit die Lizenz entzog, marschierte er Ende Oktober 2009 in die Behörde und schoss sich in den Kopf. Glenn Martins neues Versprechen sieht bis jetzt nüchtern durchdacht aus, und noch niemand hat sich deswegen umgebracht. Jetzt muss er das Versprechen nur noch halten.

Die Martin Aircraft Company

Kommentare:

ältere
  • Capovau meinte am 9. Juni 2010 um 8:04:

    Das sieht ja alles sehr lustig aus und wird es sicher auch sein. Allerdings glaube ich bei den avisierten Flugleistungen nicht an die Lizenzfreiheit des Apparates. Ich möchte jedenfalls keinem derartigen Spaßgerät in RL begegnen, ohne sicher zu sein, das der Treiber tatsächlich alle Flugregeln kennt und beherzigt. Außerdem wäre es nett, ihn auch über Funk ansprechen zu können und gemeinsam die Luftraumnutzung „besprechen“ zu können. An ähnlichen „bürokratischen Hemmnissen“ sind früher schon einige „Volksflugzeuge“ gescheitert. Man unterschätze die deutsche und die europäische Flugbürokratie und Regelwut nicht. Ich wünsche dem Projekt fortune, flugtechnisch und gesetzestechnisch.
    Gruß
    Capovau

  • Capovau meinte am 9. Juni 2010 um 8:15:

    http://www.martinjetpack.com/classification.aspx

    Alles klar! Die Lizenzfreiheit gilt für die USA. Hier in den EU-Ländern braucht man eine Lizenz, nämlich die SPL (Sportpilotenlizenz). Das Teil ist seiner Herstellung nach ein 3-achsiges Ultralight-Fluggerät. Natürlich muss es auch erst noch durch die zuständigen Stellen zugelasssen werden, DULV oder DAeC. Damit entfällt natürlich auch die Möglichkeit kommerziell damit tätig zu werden. Polizei und Rettungskräfte werden auch weiterhin auf diese Art der Stauumfahrung verzichten müssen. Clemens nimms nicht als Besserwisserei nur als Ergänzung.

    Gruß
    Capovau

  • Clemens Gleich meinte am 9. Juni 2010 um 12:54:

    Ah, vielen Dank für die Nachrecherche. Wenn die das Teil allerdings tatsächlich nach Deutschland bringen, mach ich auch den entsprechenden Ultraleicht-Schein.

  • Cherif Reske meinte am 9. Oktober 2013 um 17:14:

    Fange jetzt schon mal an auf das teil zu sparen

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