Neu: Ducati 1199 Panigale 2012

Ducati hat den Ruf, rohe, simple Fahrmaschinen zu bauen. In Wirklichkeit jedoch sind die Italiener die größten Technik-Freaks der einspurigen Welt – in direkter Technoposerkonkurrenz zu ihren Feinden bei BMW. Als die ersten News von der Machart der Panigale via MCN durchsickerten, war schon klar, dass Ducati ein Monster aus der Zukunft geholt hatte — was die folgenden Bilder übergangslos bestätigten. Jetzt steht sie als rotes Alien auf der EICMA in Mailand und lässt eine BMW S 1000 RR irgendwie … alt aussehen. Wenn man eine Aprilia RSV4 Factory APRC mal vergisst (denn das machen ja alle), lässt die Panigale eigentlich alles alt aussehen, was zwei Räder hat:

  • Monocoque-Chassis: Dieser Schnitt zeigt vielleicht am besten, wie rücksichtslos Ducati unterwegs zu ihrem bestmöglichen Superbike ist. Sie haben die klassischen Stahlgitterrohrrahmen, eines ihres durchgängigsten Markenzeichen weggeschmissen, um 5 kg Gewicht zu sparen. Die neue Konstruktion integriert den Motor als tragendes Element. Dort setzen Alugussteile an, die zum Lenkkopf führen, das Federbein aufnehmen oder das Heck samt Fahrer tragen. Die Airbox liegt im vorderen dieser Alu-Hilfsrahmen (daher Ducatis Bennenung als „Monocoque“); ein Tank aus Aluminium (nochmal fast 3 kg Gewichtsersparnis) deckt sie ab. Die sonst übliche Tupperkisten-Airbox gibt es ebensowenig wie einen normalen Rahmen.
  • Neuer Motor „Superquadro“: ein 1200er Zweizylinder, der bei deutlich über 10.000 U/min 195 PS rausdrücken soll. Wie Aprilias RSV4 werden die Drosselklappen vermittels eines elektronischen Stellsystems bedient. Ansonsten haben sie aus ihrer Not eine Tugend gemacht. Ducatis 90°-V2-Konstruktionen mussten immer recht massiv gebaut werden, weil sie im Betrieb enorme Kraftspitzen aufnehmen. Das hätte man ändern können, und ich habe damals erwartet, dass sie das tun (z. B. 60° oder 75° bauen). Stattdessen haben sie die Stabilität des Motors weitergerechnet und ihn zum Teil des Chassis gemacht. Ich bin beeindruckt. Ich bin selten technisch beeindruckt. Der Motor besteht hauptsächlich aus Aluminium-Vakuumguss mit Deckeln aus Magnesium. Und er hat eine Luftpumpe: Die sorgt für beständigen Unterdruck im Kurbelwellen-Gehäuse, damit die riesigen Tellerkolben effizienter stampfen können.
  • Elektronische Dämpfereinstellung: Das gab es schon bei Tourern, aber die Panigale ist das erste Seriensuperbike mit so einem System. Wer es nicht kennt: Man wählt per Menu vordefinierte Settings (etwa „Sport“ oder „Landstraße“), und ein Servosystem dreht die Dämpferschrauben innerhalb von Sekunden in diese vordefinierten Positionen. Anders als die Tourersysteme darf der Fahrer bei der Ducati Electronic Suspension (DES) seine eigenen Settings anlegen und speichern: „Oschersleben“, dzzzt. Das Federbein ist außerdem extrem gut zugänglich für andere Einstellungen wie etwa die Umlenkung ändern von progressiv auf linear.
  • Optionales ABS: Wie BMW und Kawa und mittlerweile eigentlich alle verbaut Ducati das Bosch-System, und wie die BMW im Modus „Slick“ regelt das dann nur vorne, damit man das Hinterrad am Kurveneingang anstellen kann. Die Bremsen sind eine Weiterentwicklung der Anlage, die man aus der 1198 kennt, oder gelegentlich auch: fürchtet. Brembo-Monobloc-Zangen (M50) greifen 330er-Scheiben mit einem Biss, der manche 1198-Besitzer in die Tuning-Läden führte, damit die ihnen dort schlechtere Bremsen einbauten (das hab ich mir nicht ausgedacht). In Deutschland wird ABS der Panigale einen guten Verkaufs-Boost geben, und egal wie gut es funktioniert: Diese Bremse ist — passend zum Rest — ein Viech. Es gibt keine Entschuldigung dafür, sich mit oder ohne ABS nicht ausführlich mit ihr auseinanderzusetzen.
  • TFT-Instrumenteneinheit: BMW hat sich bei der K 1600 GT mit ihrem Auto-Cockpit gebrüstet, weil sie den hellsten TFT hatten. Den hatte die Ducati Diavel mit weniger Trara allerdings ziemlich zeitgleich, und den hat auch die Panigale. Er zeigt wie bei der RSV4 auf der Rennstrecke ein angepasstes Layout und die Einstellungen des Elektronik-Overkills.
  • Traktionskontrolle: Ducati Traction Control (DTC) heißt sie immer noch, hat auch immer noch acht Stufen, wird aber feiner regeln können, weil sie nicht mehr wie bisher eine Handvoll Schrauben als Impulsgeber für die Hall-Sensoren verwendet, sondern die wesentlich feiner auflösenden ABS-Lochkränze.
  • Elektronische Anti-Hopping-Regelung: Die „Engine Brake Control“ (EBC) reguliert das Motorbremsmoment darüber, dass es selber etwas Gas gibt, also die Servo-gesteuerten Drosselklappen in der Bremszone etwas öffnet. Das hat den Vorteil, dass man einstellen kann, wie stark die Motorbremse wirken soll. Das hat den Nachteil, das traditionelle Ducatisti dieses Feature eher verabscheuen werden.
  • Kruschtelzeug: Es gibt einen Quickshifter und ein erweitertes DDA+ (Ducati Data Analyzer), das ist ein GPS-Laptimer mit bisi Data Recording aus der Aufpreisliste.

Ducatis Präsident Gabriele Del Torchio fasst es mal zusammen:

Without doubt, this has been the most ambitious project in Ducati’s history.

In letzter Zeit werde ich ja eher dafür bezahlt, über Autos zu schreiben. Aber dieses Technomonster halte ich für derart wichtig, dass ich mit fiebrigen Augen verkauft habe, dass man das als Publikation unbedingt fahren muss, und mit „Publikation“ meine ich „Clemens Gleich“.

Ducati 1199 Panigale MJ 2012

Ist: aus der Zukunft.
Kostet:  19.490 in der Basisversion, 24.490 S-Version mit DES, 28.690 Tricolore-Edition mit DES und DDA+
Leistet: 195 PS (143 kW) bei 10.750 U/min
Stemmt: 132 Nm bei 9.000 U/min aus 1199 ccm
Wiegt: 188 kg leer fahrbereit (sagt Ducati). ABS wiegt 2,5 kg.
Tankt: 17 Liter Super
Hat: alles, was die Motorradelektronik hergibt.

Video: Ducati Panigale spielt mit Schachfiguren (Youtube)

Bilder: Ducati

Kommentare:

ältere
  • KAILO meinte am 10. November 2011 um 8:11:

    sehr geil geschrieben!!!!

  • Buron meinte am 11. November 2011 um 0:39:

    Ja, geil, der Clemens kann‘s. Schade, dass man von dem Burschen nicht mehr liest, aber der trinkt wohl lieber seinen Whisky, gelle…..

    Und das Moped….. muahhhhhhh!!!!

    Es kommt mir so vor, als ob die Japaner niemals Motorräder gebaut hätten. Die Italiener, der Wahnsinn, und das trotz Bunga Bunga.

  • Boxerlust meinte am 15. November 2011 um 7:16:

    Clemens,alles schoen und gut auf dem Papier !
    Bleibt als Frage nur wer so etwas noch (aus)fahren kann ?
    Wie lange ein Motor der 90PS aus 600cc pro Zylinder hohlt halten soll und wie Ducati das neue ach so tolle Rahmenkonzept den Ducatisti verkaufen soll wo selbst ein Renngott wie Rossi mit dem Rahmen nicht klar kommt und Superbikeweltmeister Checa auf der neuen Paginale gar nicht fahren will und 2012 weiterhin in WSB mit der alten 1198 antreten wird ?
    Typisches Spielzeug fuer Poser mit fetter Geldboerse die sonst noch eine Harley Ihr eigen nennen…;-)
    Da passt die S1000RR besonders im Schoenen Nazi schwarz-weiss-rot fuer 2012 als Raecherin der Arbeiterklasse weitaus besser in die heutige Zeit als das bourgoise Spielzeug als Italien das eher in geheizten Garagen von Zahnwaelten und Boersen-Bankster Asyl finden wird…voellig uncool oder so cool wie mit einem Ferrari 458 Italia heutzutage durch die Republik zu fahren…

  • eduard solovey meinte am 2. Januar 2012 um 23:52:

    besser knnman nicht beschreben als shlusvort!! bin zweimall ducati beschedikgikter 851 und 916 keiner leistung und3000 mark reparatur in 1995j EZ jahr! defekter geplazter aierboxx undischter federbein geplazter tachoglas etz.

  • 343423432 meinte am 26. Juni 2012 um 21:47:

    und legastheniker biste auch.. hauptschüler….

    • Clemens Gleich meinte am 27. Juni 2012 um 8:45:

      Mäßigung bitte, lieber Zahlenmann. Vielleicht lagen die Tippfehler des Vorposters lediglich an der Wut der Erinnerung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert