Schneller leben: Mein erstes Rennen

Etwas ehrenwertere Zeiten erreichen, vom lulligen 1:52-er Bereich zumindest unter 1:45 in Oschersleben kommen, das war die Zielvorgabe. Die Methode: ein Gaststart in Triumphs Marken-Cup auf Street Triple R. Dieses Motorrad ist ein grandioser Alleskönner, und der T-Cup ist Triumphs Vorschlag zur schnellen Freizeitgestaltung damit.

„Ich schwöre dir, beim Rennen fahren ist jeder gleich zwei, drei Sekunden schneller“, sagte Dirk Schnieders, als wir zusammensaßen, um die Geheimnisse des schnell Fahrens zu ergründen. Dann demonstrierte er, indem er die Continental Superduke Battle 2011 gewann. Das war dann auch der Grund, warum ich, als ich eine eher unerwartete Einladung zu einem Gaststart beim Triumph Street Triple Cup erhielt, einfach mal „Ja“ sagte, statt zu kneifen. Denn ich war in Urlaubsstimmung und hatte einfach schon zu oft bei solchen Vorschlägen gekniffen. Ein Rennen wird mir etwas Rückgrat aufzwingen!, dachte ich. Die Einladung zur Stunde der Wahrheit im T-Cup ist ja obendrein noch eine Einladung, zur German Speedweek zu kommen, also konkret zu einigen ausgewählt netten Lesern. Denn auf der Dschörmän Speedweek ist doch jeder, der Rang und Fastbike-Abo hat.

Die Ruhe vor dem Sturm in (Nicht-)Oschersleben. Tun wir so, als wär das Bild von da, weil es schön ist.

Die Rahmenbedingungen diese Cups lauten darfolgt: Das Fahrzeug ist ein Dreizylinder-Naked-Bike, das mit 106 PS etwas weniger Leistung hat als unser erster Lernturnschuh Honda CBR 600 RR mit ihren 120, aber eine fettere Mitte aus ihren 675 ccm. Zwecks Vergleich war derselbe GPS-Laptimer drauf (Starlane Stealth GPS-3), selbe Kombi, selber Fahrer drin. Rennstreckenerfahrung auf der Streety: bis jetzt keine; Sympathie für die Streety seit ihrem Erscheinen: maximal, weil dieses Krad irgendwie alles kann. Das erste Zeittraining sieht daher gut aus: 1:45.9 zeigt der Laptimer — im Zielbereich! Schicke erfreute SMS in die Fastbike-Headquarters. Erzähle Dirk davon. Dirk nicht beeindruckt: „Mm. Wird ja. Langsam.“ Offizielle Zeitnahme auch nicht beeindruckt: 1:46.0. Verdammt. War ja nur das erste Zeittraining, sage ich mir und baue mir eine Körriwuast ein, voller Hoffnung auf bessere Zeiten. Diese Hoffnung geht den Weg aller Hoffnungen: Sie wird enttäuscht.

“Wo ist die Aggression?“, wollte dieser Hintern wissen.

Denn im zweiten Zeittraining werden die Zeiten schlechter! Am Motorrad liegt das nicht. Am Wetter liegts auch nicht. Es liegt am Fahrer, genauer: seiner unendlichen, ja: stupenden Faulheit. Am Morgen des Rennens wirft der Herr Ketchup, der die Renn-Streety vorbildlich vorbereitet hat, einen Blick auf das Fahrergesicht und sagt: „Wo ist die Aggression? Damian Cudlin guckt vor jedem Rennen ein paar fiese Cage Fights an, um sich in die passende Stimmung zu bringen.“ Die Orga in Form von Herrn Schröter schüttelt leise den Kopf und wechselt zu harter, lauter Musik: Rammstein, voll ins Gesicht gefönt. Effekt in zwei Rennen: Zero. Nada. Wieder langsamere Zeiten. Genaue Selbstbeobachtung im zweiten Rennen ergibt Erstaunliches: Schon wegen der leichten Ermüdungserscheinungen der letzten Tage gibt der rechte Arm an mehreren (!) geraden Stellen nichtmal mehr Vollgas! Reiß dich zusammen, Mensch!

Erkenntnistheoretisch ist die Ausbeute schon größer. Zum Beispiel die Aussage von Herrn Doktor Scholl, dass schnell Fahren Sport sei, da habe ich im Interview in Gedanken noch gelacht darüber: Ha! Ich bin fit wie ein Turnschuh. Die Realität sieht ein bisschen anders aus: Ne, du bist nicht fit wie ein Turnschuh, du bist einfach nur dünn und illusionierst, das sei dasselbe wie fit. Kontext: In der zeitlichen Gegend des T-Cup verbrachte ich im Schnitt lediglich 2-3 Stunden die Woche mit nennenswertem Sport. Schwachpunkte waren die Arme und Hände, vor allem am Gas: Vielleicht hätte ein Kurzhubgasgriff länger gegen den Schneidbrenner meiner Faulheit bestanden; das Original jedenfalls mit dem vielen Umgreifen hat den Arm müde gemacht. Der größte Schwachpunkt bleibt jedoch die Psyche. Ob Cage Fighting bei jedem hilft, ist noch auszuprobieren, aber diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Setting („Rennen? Mir doch egal. Meine Hand ist müde.“), die geht gar nicht. Man muss sich der gemessenen Erkenntnis stellen: Ich bin ein gewaltiges Mädchen, das bei der ersten (eingebildeten) Schweißperle sagt: „Igitt, eine Anstrengung! Ich hör auf.“ Ja, Doc Scholl, jetzt glaube ich dir. Ich lache auch nicht mehr. Ich weine bitterlich.

Im dem T-Cup folgenden Urlaub habe ich mich von einer riesigen Lenkmatte bei schneidigem Wind mit dem Gesicht durch schneidige Scheidenmuschelsplitter am Strand von Amrum ziehen lassen. Das stärkt die Greif- und Rückenmuskulatur. Mit dem Kinn durch Kalkschalenscherben furchen ist zudem gut für die Charakterbildung. Charakterbildung schließt ein, auf Geraden auch bitte Vollgas zu geben, wenn der Motor eh so klein ist. Bei der Aggressivität klingt Damos Tip schon recht gut. 2009 ging ich Freitags boxen, was so ziemlich das Beste ist, was man als Mann nach einer stressigen Woche tun kann. Es ist gut für die Fitness und es ist gut für die Psyche, denn ich bin der Ansicht, dass es gesund für den Mann ist, sich ab und zu Schrammen zu holen. Es kurbelte vor allem die Testosteronpumpen derart an, dass einem der Sud zu den Ohren herauslief. Auch das ist gut, weil Testosteron aggressiv macht. Wie viel sich mein zweifelhafter Charakter verbessern lässt, muss dann die nächste Saison zeigen. Wenn die Antwort „gar nicht“ heißt, tröste ich mich damit, dass Testosteron außer aggressiv noch angenehm notgeil macht.

What I did on my holidays: much arse-skidding

Ze Brits, zey are cheap.

Abschließend und getrennt vom Projekt „schneller Fahren“ muss mal gesagt werden, was der T-Cup ist: eine wunderbare Veranstaltung. Klar kannst du bei vielen Anbietern günstig in einer Seriensportklasse mit verschiedenen Motorrädern gegeneinander antreten, aber der T-Cup mit den Street Triples ist die billigste Methode, einen echten Marken-Cup mit gleichwertigem Material auszufahren. Und er ist die vielleicht angenehmste. Wer ein Motorrad kauft, der will was erleben. Der T-Cup ist ein zum Motorrad angebotenes hauseigenes Erlebnis von Triumph: Probier‘ doch das mal.

Der Preis ist fair: für 10.490 Euro gibt es eine neue Street Triple R, Racing-Teile, einen X-Lite-Helm und die ganze Cup-Veranstaltung, alle Trainings, alle Rennen. Wer schon ein reglementkonformes Motorrad hat, ist mit 2295 Euro dabei und kriegt auch eine X-Lite-Mütze. Das Starterfeld ist extrem heterogen. Es zieht sich von ganz vorne mit dem 2011er-Sieger Franky Heidger und seinen krassen 1:36er-Zeiten bis nach hinten bei deutlich über 1:50 (Oschersleber Zeiten). Man findet damit praktisch auf jedem Fertigkeitsgrad jemanden, mit dem man sich kabbeln kann. Und gerade weil es klein ist, weil es um wenig geht, darum geht es dort so entspannt zu. Der T-Cup war deshalb 2011 ziemlich zügig ausgebucht.

Für 2012 ändern sich die Regeln, um diese Umstände besser zu reflektieren: Es gibt getrennte Wertungen für Profis (also Leute, die schonmal mit A-Lizenz Rennen gefahren sind) und Amateure. Außerdem gibt es ein Langstreckenrennen, in dem Zweierteams so gebildet werden: Der Schnellste und der Langsamste aus den Zeittrainings bilden ein Team, der Zweitschnellste und der Zweitlangsamste und so weiter. Wie lustig ist das denn? Wer 2012 eh eine Street Triple R haben und mit der schnell fahren will, für den gibt es aktuell keine bessere Richtung zum Geld werfen als die hier:

Der Triumph-Cup

Ich möchte den Jungs und Mädels vom Motorrad Action Team danken, die mich eingeladen und wie einen VIP-Gast betreut haben. Ich möchte das vor allem tun, weil ich immer höre, in der Motorpresse wohne der Feind und jeder Kontakt sei ein Fraternisieren mit demselben. Hier die schockierende Gegenwahrheit: Bei der Motorpresse arbeiten keine warnwestengelbsüchtigen Satanisten, sondern hauptsächlich Leute wie wir: ganz normale Motorradfahrer.

Bilder: Veranstalter

Kommentare:

ältere
  • Rick Lowag meinte am 9. Dezember 2011 um 23:14:

    Bin ich ein“ warnwestengelbsüchtiger Satanist“?!

    In jedem Fall freut es mich, dass du die Freunde am Fahren im Wettbewerb gefunden und den Freund im Feind erkannt hast.

    That‘s racing ! ! !

    • Clemens Gleich meinte am 9. Dezember 2011 um 23:34:

      Ich weiß nicht, ob Du ein Satanist bist. Ich verortete Dich bisher bei den Christen. Warnwestengelb biste aber definitiv.

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