Spielerisch schwul

Mein erster Job nach meinem Dienst fürs Vaterland (als Zivi in einem Fußballtor unter Beschuss von schwer erziehbaren Kindern des örtlichen Glasscherbenviertels) war in einer Videospieleredaktion. Manchmal lese ich heute noch Penny Arcade, verstehe kein Wort, kann mir aber immerhin einreden „früher, ne, da hättste jede Folge – zack! – gecheckt, noch bevor sie rauskommt“. Die Testjournalistenszene spielt hauptsächlich Rennspiele, weil sie gehört haben, der Casey Stoner macht das, um sich auf eine neue Rennstrecke vorzubereiten. Außerdem funktioniert es ja wirklich, man kann mit Rennspielen vorher bisschen gucken, wie der Streckenverlauf so ist, statt mit so einem 200-PS-Monster auf einer unbekannten Rennstrecke loszulegen, indem man motiviert zu spät gebremst durch die begrenzenden Blumenrabatten bricht – laut, doch unhörbar schreiend, denn im Helm hört dich keiner schreien. <- Dieser Spruch mit „Weltall“ statt „Helm“ wurde uns damals mal auf einer Redaktionskonferenz wegen Überstrapazierung per diktatorischer Zensur verboten. Gute Sache eigentlich. Der deutsche Journalistenverband sollte bei Gelegenheit nach diesem Vorbild zu einer Sondersitzung „breites Grinsen“ und „Stammtischpferdestärken“ zusammentreffen.

Man kann noch mehr spielerisch erproben. Wie man Hassgegner genüsslich umbringt zum Beispiel, eine Tätigkeit, die ganz weit oben auf der Liste der Gedankenverbrechen zu sein scheint, geht man von meinen monatlichen Mordaufträgen aus, die mir Leute antragen, die denken, ich verdiene ein hübsches Nebenhertaschengeld mit solchen Kontrakten. Wenden Sie sich für eine Stellungnahme hierzu bitte an meinen Anwalt oder meine Presseabteilung, ich rede lieber über die Folge bei Penny Arcade, in der er den wahren Wert von „Dissidia“ für die PSP demonstriert, indem er Tidus immer wieder schlachtet, Tidus, die nervtötendste Abscheulichkeit, die jemals als Hauptrolle fehlbesetzt wurde. Mir hat damals mal jemand die blaue DVD mit Final Fantasy X geliehen und ich habe meinen Fernseher angeschrien, weil dieser Depp da drauf war. Glücklicherweise habe ich bis zum Ende durchgehalten, das zeigt, dass Tidus nur die manifestierte Halluzination eines Riesenmonsters ist, die sich im Abspann auflöst. Dasselbe erhoffe ich mir von der Bundesregierung.

In Dissidia kommt man – willig oder nicht – mit seiner homosexuellen Seite in Kontakt, weil alle Protagonisten samt und sonders schwul sind, dass es kracht. Das ist bei Veröffentlichungen von Square Enix immer so, keine Ahnung, warum. Das Spiel führt die beliebtesten Schwuchteln aus vielen Jahren Final Fantasy in einer Arena zusammen, in der sie sich gegenseitig auf die Rübe hauen. Jetzt gibt es gute Schwule (in Hannover zum Beispiel) und schlechte Schwule (in der Politik zum Beispiel). Und es gibt Sephiroth, die Oberendgegnertunte aus Final Fantasy 7, an dem ich damals 1997 statt an Hausaufgaben arbeitete. Also, Sephiroth ist der vielleicht coolste Homo, der je in Japan erfunden wurde. Er ist der homosexuelle Superman (gut, Tautologie. Oder Pleonasmus?), er ist weiblicher als die meisten Frauen und er hat ein drei Meter langes Rohr, äh: Schwert! Er ist komplett wahnsinnig und reist mit dem blutigen, abgerissenen Kopf seiner halbkompostierten Mutter aus dem Weltall durch die Gegend! Hier ein Bild von Square/Enix:

Gut, das Wolfgang-Petri-Freundschaftsarmbändchen, den Traumfängerindianerschmuck und den Regenbogenfedernunterrock hatte er damals noch nicht, aber ich verzeihe ihm das! Vielleicht ist ihm Mamas Kopf einfach weggeschimmelt, kann ja sein. Da brauchte er Ersatz, Trost. Wenn Sephiroth hier anruft und sagt: „Clemens, willst du dich mit mir im Shinra-Simulator mit grotesk überdimensionierten Schwertern auf die Fresse hauen und dabei die Arena in Schutt und Asche legen? Nachher will ich aber auch die Geschlechtsteile gekrault haben.“ Dann sage ich nur: „Sephi, Schatzi, immer doch!“ Und jetzt gibt es für nur 20 Euro bei Amazon ein Spiel, mit dem man jederzeit auf der PSP als Sephiroth Tidus töten kann, also spielerisch üben kann, seine Hassgegner zu erledigen und dabei gleichzeitig wunderbar schwul auszusehen. Das ist eine, wenn nicht die perfekte Vorbereitung auf die Rennstreckensaison, besser als jedes Rennspiel. An der Rennstrecke ist als Kleiderordnung der hautenge Ganzkörperlederstrampler angesagt. An der Pissrinne steht jeder gebückt da, weil nur das ein frei fließendes Urinieren ohne Knick über das untere Ende des Reißverschlusses möglich macht. Lederkombis an der Pissrinne sind das unwürdigste Schauspiel in der Geschichte der Menschheit und dafür brauche ich tatsächlich etwas mentale Vorbereitung. Harter Alkohol allein reicht da nicht.

PS: Sephiroth, ruf mich an, ja?

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