Diese wahre Geschichte passierte auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch bei MO: Ortstermin Stuttgart, die Spritpreise gehen stramm auf die einsvierzig zu, also nehme ich das Angebot einer Automitfahrt dankend an. Soll ja eh viel sicherer sein, so ein Auto. Der Mensch am Steuer, nennen wir ihn in Ermangelung eines besseren Worts mal „Fahrer“, hat diverse Probleme. Mit mir, weil sich mir nicht erschließen will, wie supersportlich die moderat modifizierte Toyota-Kleinwagenwarze ist („tiefergeleechd, ich sags dir!“). Mit den anderen Fahrern, die das ähnlich sehen wie ich und seinen stark geforderten linken Blinker auf der Bahn ignorieren. Mit Bluthochdruck, mit der Realität und insbesondere mit der unnachgiebigen Physik. Ein Toyota Starlet ist eben keine Kawasaki ZZR. Sein Puls scheint analog zum Tacho ständig um die 180 zu schwanken.
Er braucht Beruhigung: „Reich mir mal die Flasche hinter deinem Sitz!“ Da liegen so fünf bis zehn, von denen ich wahllos eine greife. „Nee, nicht die. Die Volvic-Flasche.“ Wenn die Leute bei Volvic nicht angefangen haben, in ihre Vulkanquellen zu scheißen, ist das braune Zeug in der Flasche bestimmt kein Trinkwasser. Der Fahrer nimmt die Flasche, setzt den Blinker, öffnet den Verschluss, fährt dabei fast in die Leitplanke, flucht über die ganzen schlechten Fahrer auf der Welt und nimmt endlich ein paar tiefe Züge. Ein Laster zieht vor uns raus, aber das merkt er erst, als er die Flasche wieder absetzt und voll in die Eisen steigt.
„Cola“, behauptet sein Mund. „Jackie-Cola“, berichtigt seine Fahne. Aber er fährt gleich deutlich entspannter, das ist doch schon ein Fortschritt. „Is doch schön, mal nicht Motorrad fahren zu müssen“, sagt er. Ich weiß nicht. „Und sicherer isses“, fügt er hinzu. Hm. Seine Aussage wird dadurch noch weiter entkräftet, dass wir gerade in Richtung Standspur schlenkern — aber rein bauprinzipiell hat er immerhin recht. Das muss ich mir einreden, sonst krieg ich Angst. Auf einmal wird es grün auf der Überholspur neben uns: ein Polizeiwagen. Der Fahrer klemmt unauffällig die Flasche zwischen die Knie. Die Beamten fangen an zu gestikulieren. Erleichterung, sie meinen nicht ihn, sie meinen mich. Ich soll mich anschnallen. Ich schaue in die glasigen Augen des Fahrers, beobachte seine alkoholspastischen Dankzuckungen zur Polizei und finde, sie haben ausnahmsweise recht. Nächstes Mal fahr ich wieder Motorrad. Ist sicherer.