Eine Spur, keine Straßen

Dieser Tage bin ich das spaßigste Fahrzeug meiner Karriere als Motorschreiber gefahren. Das ist keine stilistische Übertreibung, das ist eine nüchterne Tatsache. Lustiger als ein BMW M3, ein M5/6, ja sogar als das 1er M Coupé, lustiger als eine Ducati Panigale oder Aprilia RSV4, lustiger sogar als meine KTM, lustiger als die Honda Monkeysex. Das Spaßfahrzeug heißt Sea-Doo Spark, kostet ab 6000 Euro, fährt auf Wasser, und ich bin mir sehr sicher, dass es mehr Spaß für weniger Geld bei Motorfahrzeugen derzeit nicht gibt.

Eigentlich wusste ich das damals schon, als ich in Holland den Entenquirl Sea-Doo RXP-260 gefahren bin. 120 km/h auf Wasser über Enten! Springt! Macht Männchen! Und wenn man einen Fehler macht, titscht man wie ein flacher Kiesel ein paar Mal auf der harten Wasseroberfläche auf, bis sie durch die verringerte Geschwindigkeit weich und durchlässig für Personen wird. Das einzige Risiko ist „forceful water entry into lower body cavities“, wie die Aufkleber auf den Sea-Doos warnen. Aber vergleich das mal mit einem Motorradsturz in Richtung Leitplanke. Und wo ein Motorrad nach einem Sturz nur mit Glück gleich weiterfahrbereit ist, bleibt ein Sea-Doo einfach im Wasser stehen, sobald die Reißleine am wegfliegenden Mann die Zündung unterbricht.

Es war ein wunderbarer Tag in Holland auf dem RXP. Man musste mich mit Gewalt von diesem Ding abpflücken. Ich fieberte, wie man die 17.000 Euro für so ein Teil auftreiben könnte. Und jetzt gibt es für einen Preis, der für Einsteiger wie mich erreichbar ist, ein Fahrzeug, das für Einsteiger wie mich noch mehr Spaß macht. Der Spark ist wie die Duke: Ich bin mir sehr sicher, dass er mich glücklich machen wird.

Meine Wasser-Duke ist ein noch wunderbareres Stück Plastik als meine Land-Duke.
Meine Wasser-Duke ist ein noch wunderbareres Stück Plastik als meine Land-Duke.

 

Drei Zylinder, ein Hallelujah: Leistung reicht

Der BRP-Konzern bietet den Spark mit zwei Motorvariationen eines neuen Dreizylinder-Saugmotors mit 900 ccm an. Die normale Variante hat 60 PS, die High-Output-Version HO hat 90 PS Nennleistung. Als ich an den Kompressor-Triple des RXP mit seinen 260 PS dachte, fürchtete ich, dass beides auf langweilige Art zu wenig ist. In der Praxis langt es aber, wie bei der Duke, weil das Fahrzeug so kurz und leicht ist. Der HO-Spark fährt je nach Wasseroberfläche bis zu 80 km/h Spitze — auch nicht wirklich langsam. Bei dieser Geschwindigkeit wird Wasser so hart, dass schon im Spark Topspeed nur eine kleine Rolle spielt. Den meisten ist es zu mühsam, Wellenberge mit den Beinen wegzufedern. Zur besseren Vorstellung: 80 km/h über das Meer unterscheiden sich kaum von 80 km/h über ein Geröllfeld. Wenige werden das drei Stunden lang wollen oder überhaupt können.

Nein, der Spark macht sich dort am beliebtesten, wo sich seine Besitzer die längste Zeit aufhalten: In langsamer bis mittlerer Geschwindigkeit in Strandnähe beim Herumalbern. Wir hatten ein paar Bojen als kleinen Rennkurs. Der GFK-Rumpf des Spark schneidet weniger brutal ins Wasser ein als der des RXP, geringere G-Kräfte reißen oben am Fahrer bei Kurvenfahrt. Dafür arbeitet das Heck mehr, die Beine können das kurze Heck mit Gewalt herumdrücken. Einsteiger erzielen damit schnellere Erfolge bei weniger Kraftaufwand, oder kurz: Der Spark macht ihnen mehr Spaß. Zur Vorstellung: Der RXP ist ein Race-Snowboard. Er ist am besten, wenn er carven kann. Der Spark ist ein Freestyle-Board. Er ist vielleicht langsamer, macht aber alles mit.

Es hilft auch, dass Sea-Doo als einziger Hersteller dieser Wassermotorräder eine Bremse anbietet, auch in der Aufpreisliste des Spark. Es ist eine Schubumkehr, die entweder an einem Fingerhebel links ergonomisch gut dosiert werden kann oder etwas günstiger über einen Handhebel aufgeschaltet wird, als Rangierhilfe im Hafen. Der Spark kann damit also auch rückwärts fahren, was den meisten kleinen Booten als Fähigkeit fehlt. Das ganze Wesen des Geräts schafft also Vertrauen. Nicht nur die Bremse, sondern auch die Ergonomie, das geringe Gewicht von 195 kg vollgetankt und die verzeihenden Fahreigenschaften spielen mit hinein. Schnell springen wir in der Gruppe über die Bugwellen der Boote im Hafen, bewerfen uns mit meterhohen Wasserfontänen voller gehäckselter Quallen. Der Spark ist eine wunderbare Erfindung.

Whee! Wasser hat keine Balken, aber es hat Struktur, wenn man schnell genug fährt.
Whee! Wasser hat keine Balken, aber es hat Struktur, wenn man schnell genug fährt.

 

Alles richtig gemacht

Eine wunderbare Erfindung, die nicht eingeht.
Eine wunderbare Erfindung, die nicht eingeht.

Die meisten wunderbaren Erfindungen gehen nach einer kurzen, freudigen Blüte schnell wieder ein, weil es ihnen am richtigen Umfeld fehlt. Ja, ich würde gern eine Aprilia RSV4 oder eine Shiver fahren. Nein, ich will die Kräder nicht bei einem Händler kaufen, bei dem sie zwischen der Hauptware Roller versteckt sind, und nein, ich will sie auch nicht auf dem Zuverlässigkeitsniveau, auf dem ich sie kennengelernt habe. Deshalb freut es mich besonders, dass BRP das Umfeld des Spark genauso beachtet hat wie die Grundkonstruktion oder die Positionierung. Es gibt eine Staubox für vorne, es gibt Schlepphaken für Wasserski oder Wakeboards, es gibt sogar eine Wakeboard-Halterung an der Seite. Es gibt Aufkleber-Sets. Ja, es gibt Leute, die kaufen sowas. Ich zum Beispiel. Für Familien bietet Sea-Doo eine Verlängerung auf die Dreisitzer-Sitzbank nebst verlängerter Plattform hinten an. Es gibt Sonnensegel aus Stoff, die auch am Strand funktionieren, und natürlich gibt es auch Standardzubehör, das für alle Sea-Doos taugt: kleine Clip-Fender zum Beispiel, selbst aufrollende Festmachleinen, Düsenspülkit mit Gartenschlauch-Adapter und einen Anhänger, der zum Preis des Spark passt. Es ist wie bei BMW: Wer möchte, kann in sein neues Hobby einsteigen, indem er alles aus einer Hand kauft, Kleidung inbegriffen. Genau so soll es sein.

Ein Sea-Doo-Mann berät mich von außerhalb des Bildes.
Ein Sea-Doo-Mann berät mich von außerhalb des Bildes.

Diese Überlegungen sind bei mir alle wie gesagt längst nicht mehr die eines Dritten, sondern die eines direkt Betroffenen: Kann ich mir das leisten, so mit Hänger, Zubehör und allem? Wenn nicht das, dann keins. Habe ich einen kompetenten Händler, der mir mit Technik hilft und mir alles verkauft, was ich möchte, aber nichts, was ich nicht brauche? Beratung, Kundenumkümmerung ist nach meinen bisherigen Erfahrungen die größte Stärke der BRP-Händler. Und schließlich: Habe ich das Gefühl, das Beste für mich zu kaufen? Der BMW-Grund halt. Ja, habe ich. Der Spark ist das hochwertigste Stück Plastik, das ich zu diesem Preis kenne, und ich bin immerhin ein alter KTM-Hase.

Am Ende des Tages musste mich ein BRP-Mann wieder herpfeifen und mit der Brechstange von den Sparks lösen, nachdem ich sequenziell bei einem nach dem anderen der Tester den Tank am leerfahren war. Nach dem Zusammenpacken suchte derselbe Mann Freiwillige, die drei Sparks irgendwo hinüberführen für den nächsten Tag. Ich, ich, ich! Erinnerungen werden wach an die Zeit, in der ich völlig abgebrannt meinen Motorradführerschein machen musste, weil mich jemand auf so eine Höllenmaschine gesetzt hatte. Den Bootsführerschein kann man auch in Stuttgart machen, hat mir mein Kapitänsexperte bestätigt. Wassermotorrad fahren wird mein neues Hobby sein — zumindest, bis mich jemand in einen Kampfjet setzt.

Ich denke, es gibt derzeit keine sinnvollere Geldanlag in Euro als das hier.
Ich denke, es gibt derzeit keine sinnvollere Geldanlage in Euro als das hier.

Sea-Doo Spark Modelljahr 2014

Ist: das lustigste Motorfahrzeug meines Schreiberlebens.
Kos­tet: 5.999 Euro in Grundausstattung und 6.899 Euro mit 90 PS.
Leis­tet: 60 PS (44 kW) oder 90 PS (66 kW)
Läuft: 56 oder 80 km/h
Wiegt: rund 190 kg.
Tankt: 30 Liter Super.
Trinkt: 7 bis 9 Liter pro Stunde normalen Herumalberns. Topspeed-Streckenfahrten natürlich mehr.
Hat: sich mir genauso verkauft wie meine Duke, gleich bei der ersten Fahrt. Die Sau.

Kommentare:

ältere
  • Timo Grosshans meinte am 4. Mai 2014 um 14:37:

    Auf dem Neggor‘ erlaubt?

  • Klausi meinte am 4. Mai 2014 um 17:47:

    Man, man, man ! Noch zwei Tage länger ohne Beitrag von Dir, und ich hätte Dich angeschrieben, ich dachte schon, Du wärst dem Facebook dauerverfallen, und ich muss mich da rumtreiben, auf dem virtuellen Straßenstrich-Boulevard !
    Und dann kommst Du mit so einer geilen Maschine ! Danke ! Für die Kohle wirklich viel Spaß ! Also muss man noch einen Schein machen ! Was braucht man dafür ?
    Bei uns an der Ostsee sind die Teile langsam geächtet – Scharbeutz/Timmendorfer Strand – da müssen sich die Schönen und Reichen ausruhen. Ich gebe allerdings zu, dass mich diese Wassermopeds auch nerven, wenn ich am Strand liege, umd Möpse gucken will.
    Aber nach Deinem Bericht – AUA ! Das ist Verführung mittelalter bis alter (49) Mopedfahrer und Nichtschwimmer !
    Das sehe ich mir mal genauer an, und denke, dass ich dann der absolute King bei meinen Töchtern bin ! Wasserskizubehör hört sich auch gut an !
    Aufbruchstimmung bei mir, wie zu alten Mofazeiten ! Früher konnten sich nur die Luden so ein Teil leisten ! Her damit !
    Danke und Gruß, Klausi !
    . . . in der Hoffnung darauf, demnächst wieder mehr von Dir zu lesen – ich schmeisse auch etwas in den Spendenschlitz . . .

  • Clemens Gleich meinte am 5. Mai 2014 um 11:21:

    Nachdem das im Naturschutzgebiet Wattenmeer erlaubt ist, geh ich beim Näggor davon aus, dass das ganz normal erlaubt ist. Die Schwaben sind Regeln gegenüber ja sowieso bekannt lax.

  • Winfried V. Berlepsch meinte am 5. Mai 2014 um 11:22:

    Ich will seit JAHREN so ein Teil fahren. Jetzt schlägst Du auch noch in die Kerbe.

    Ich werde also googlen und herausfinden, wo an deutscher Bucht man so ebbes einmal ausleihen kann. Oder hast Du da ebenfalls Infos vom Hersteller?
    BMW bietet ja diese netten B@iker-Hotels an, wo man die Bimpf samt Weißbier direkt an der Rezeption abholen kann.

    Danke für den Artikel. Habe wie Klausi sehr vermisst, von Dir zu lesen.

  • Clemens Gleich meinte am 5. Mai 2014 um 12:08:

    @Winfried V. Berlepsch: Ich hab „Sea-Doo Verleih“ und dann den Ort an der Küste in dieses Googledings gegeben. Es gibt welche, ist aber ned billig.

  • Uwe Seher meinte am 5. Mai 2014 um 14:44:

    Zur Info an Interessierte: An der Rheinfähre Linkenheim am Pfälzer Ufer ist ein Treff der Wasserheizer,

  • Uwe Seher meinte am 5. Mai 2014 um 14:48:

    Zur Info an Interessierte: An der Rheinfähre Linkenheim am Pfälzer Ufer ist ein Treff der Wasserheizer mit Slipanlage und netter Kneipe ums Eck. AFAIK alles legal und offiziell. Dem Grinsen, das dort über der Szenerie schwebt scheint das echt Spaß zu machen 🙂

  • Thimo meinte am 5. Mai 2014 um 16:10:

    „Nachdem das im Naturschutzgebiet Wattenmeer erlaubt ist, geh ich beim Näggor davon aus, dass das ganz normal erlaubt ist. Die Schwaben sind Regeln gegenüber ja sowieso bekannt lax.“ – muahaha … der war gut.

    Die Dinger sind spaßig, aber nur in ausgeschriebenen Gebieten. Nordsee bietet sich an, ist ja nicht so der klassische Badestrand. Ostsee ist latürnich etwas problematischer, da wo Klausi wohnt fährt man ja von Timmendorf bis Cismar eigentlich nur durch Ortschaften bzw. am Badestrand entlang. Hohewachter Bucht geht bestimmt. Und im entspannten Meck-Pomm eher als in Hedwig Holzbein. Problem sind selten die Einheimischen, eher schon die Urlaubers … Aber die Dinger machen schon Höllenspaß.

    @Klausi: Winkewinke vom Exil-Fehmarnaraner-raner aus der Spätzlefresser-Metropole!

  • Clemens Gleich meinte am 5. Mai 2014 um 17:19:

    @Uwe Seher: Ein Wasserbikertreff! Genial. Danke!

  • Volker meinte am 8. Mai 2014 um 21:28:

    Servus Clemens!

    Welkum back. Hatte mir schon Sorgen gemacht. War aber mal wieder klar, daß Du Dich natürlich nur amüsierst, wenn man länger nichts mehr von Dir hört…

    Ad „forceful water entry into lower body cavities“: Klar hat Wasser keine Balken und so eine Leitplanke kann Dir schnell ein paar zusätzliche Gelenke verpassen – aber der berühmte Fesh-Fesh auf den Sanddünen der Cremonesischen Motocrosspiste verspricht ebenfalls Genuß ohne Reue. Also weniger Reue jedenfalls als so ein Enddarmriß… 😉

    Schiff Ahoi!

    Volker

  • Moppedfahren meinte am 10. Mai 2014 um 10:01:

    Na toll, jetzt will ich auch so ein Teil. Schöner Artikel, habe ich sehr gerne gelesen!

    Für den entsprechenden Schein kannst du mal schauen, ob es an der nächstgelegenen Uni eine Segel-Initiative o.ä. gibt. Ich bin auf diese Weise recht günstig an meinen derzeit zu wenig genutzten SBF-Binnen und -See gekommen.

  • Guck mal Mama, ganz ohne Straße!* | moppedfahren meinte am 18. Mai 2014 um 9:30:

    […] habe ich ja gelesen, ich bräuchte ein Sea-Doo für den Hollandurlaub und das sei irgendwie fast das gleiche wie Enduro fahren […]

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