Es gibt kein richtiges Leben im falschen

Wir leben in einer Gesellschaft, in der es wieder Mode geworden ist, das Richtige zu tun, selbst wenn es nur das vermeintlich Richtige sein mag. Ich finde das gut. Die Leute interessieren sich wieder mehr dafür, wo das Essen herkommt, dass es am besten etwas taugt. Wer den Süden Spaniens kennt, der mittlerweile komplett unter Plastikplanen liegt, unter die vorbeifahrende Landwirtschaftsfahrzeuge kombinierte Dünge-/Vernichtungsmittel einblasen, wird wahrscheinlich selbst der Meinung sein, dass das nicht die schönste Art ist, wie wir in Zukunft Tomaten anbauen. Oder der sogenannte „Ökostrom“: Interessenten können heute selber entscheiden, wie viel (zusätzliches) Geld sie für alternative Stromerzeugung wie etwa die aktuell so boomende aus Solaranlagen ausgeben. Sie fördern somit auf sehr einfache Weise Dinge, die sie richtig finden. Es gibt dabei nur ein Problem: Der Schnitt der Gesellschaft, der Mob, dessen Einstellung mag sich in diese positive Richtung entwickelt haben. Der Abschaum der Gesellschaft entwickelt hingegen immer nur eins: neue Möglichkeiten, sowas auszunutzen.

Beim Biofutter sieht das so aus, dass jetzt auf bald der Hälfte aller Lebensmittel irgendeins dieser Biosiegel drauf ist. Ich bin nicht die Stiftung Warentest, welche dieser Labels frei erfunden sind und von keinem kontrolliert werden, ist hier nicht das Thema. Ich geh mal davon aus, dass jemand, der bis hierher lesen kann, imstande ist, ein Bullshit-Siegel zu erkennen, wie er das mit seinem täglichen Spam auch schafft. Nein, mir geht es um durchaus anerkannte, kontrollierte Siegel und bei denen um eine reine wahrscheinlichkeitsökonomische Frage: Woher kommt das ganze Biozeug auf einmal? Na, vom Biohof! Die haben also ihre Kapazitäten seit Ende der Neunziger verdrölfzigfacht, oder wie? Erkennt man ja daran, dass ganz Deutschland von Bioäckern bedeckt ist. Glückliche Kühe grasen auf einer ununterbrochenen Wiese von Garmisch bis Westerland. Klar. Nein, wie es leider oft läuft, weil die Biokontrollstellen nicht überall sein können: Das Biozeug kommt schon vom Biohof. Doch dahin kommt es von einem herkömmlichen Bauern, der es nur dort einlagert. Den Gewinn teilen sich die beiden brüderlich. Wie schön. Der Käufer hat davon halt nichts außer vielleicht ein gutes Gefühl. Der Abschaum verkauft virtuelle Werte.

Dasselbe gilt für Strom. „Ökostrom“ ist das vermeintlich Richtige – vor allem, wenn man damit eines dieser neuen Elektrofahrzeuge betreiben will, die ja auch irgendwie richtig zu sein scheinen. Hierzu kurz eine Erinnerung, wie das Stromnetz (stark vereinfacht) funktioniert: wie ein großes Faß, dessen einzelne Schlauchanschlüsse immer denselben Druck haben, nämlich 230 Volt. Damit alle denselben Druck haben, muss das Fass immer denselben Wasserstand haben. Ein Kernkraftwerk schüttet eine konstante Wassermenge ein, dasselbe gilt für die meisten großen Kraftwerke, die unsere Grundlast ausgleichen. Schwankungen zwischen Tag und Nacht gleichen zum Beispiel Pumpkraftwerke aus, die nachts mit elektrisch betriebenen Pumpen Wasser in einen Stausee pumpen, den sie tagsüber, wenn mehr Strom gefordert wird, als kleines Wasserkraftwerk nutzen. Die Windkraft, die als das Richtige lange gefördert wurde, führte in Bundesländern mit hohem Windkraftanteil zu großen Problemen, als längere Zeit einfach kein Wind da war.

Ich will jedoch auf etwas ganz Anderes hinaus: Der Strom kommt aus diesem einen großen Fass, an jeder Steckdose kommt dasselbe an, egal, was der Steckdosenbesitzer für einen „Strom-Mix“ bezahlt. Das große Fass wird zum allergrößten Teil aus Kraftwerken versorgt, die fossile Brennstoffe verbrennen: Braunkohle, Steinkohle, Erdgas, Öl. Das Richtige wäre daher, mehr Kernkraftwerke in Betrieb zu nehmen, am besten gleich Hybridkraftwerke entwickeln, die können gleich den ganzen alten Atommüll (vor-)verbrennen. Derzeit ist der Anteil von Kernenergie bei um die 20 Prozent. Strom aus Solaranlagen macht nur einen verschwindend geringen Prozentsatz aus. Er kostet aber viel und wie gesagt: Aus der Steckdose kommt überall derselbe Strom. Viele Leute wollen gerade das richtige tun, ich tippe auf mehr als einen verschwindend geringen Prozentsatz, der Solarstrom kaufen will. Woher soll der auf einmal kommen? Es wäre jetzt schön, wenn die Energiekonzerne sagen würden: „Sorry, Mädels und Jungs, aber wir haben unseren gesamten Prozentsatz an Solarstrom schon verkauft, der Rest ist rechnerisch Braunkohle. Wir möchten euer dreifach höheres Geld für diesen Strom daher nicht annehmen. Vielleicht in drei Jahren.“ Ja, das wär ganz schön. Ohne Konjunktiv: es ist ganz schön unrealistisch. Erinnerung: Der Abschaum verkauft virtuelle Werte.

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