Test Honda Crossrunner

Honda will sich mit dem VFR-Mashup „Crossrunner“ auf alle Stühle gleichzeitig setzen, entsprechend der Beliebtheit solcher Tallrounder. Beim Fahren fällt vor allem eines auf: der große grüne Bereich.

Zunächst mal zum Verständnis: Der Honda Crossrunner ist die Motorrad-Variante dieser „This-is-Spartaaa!!„-Youtube-Videos. Er greift Sachen auf, die es schon gibt, und reicht sie auf unterhaltsame Weise neu dar, wie wir Journalistenschnösel sagen würden. Und um beim Vergleich zu bleiben: Die Honda VFR 800 wäre „300“ (also opulenter Pathos mit Sportambitionen aus der Airbrush-Düse), der Crossrunner ist *räusper* SPARTAAA!! (also nur zum Spaß). Das sage nicht nur ich, das sagen genauso höchst ernste Motorradredakteure. Sie sagen es vielleicht etwas weniger eloquent, weniger verwirrend, weniger laut oder sie sagen einfach generell weniger. Sie sagen vor allem „warum nicht gleich so?“ und meinen damit den Motor. Der hat jetzt ein durchgängig schön steigendes Drehzahlband, statt diesen Drehmomentsprung beim Umschalten auf Vierventilbetrieb. Die neue VTEC-Abstimmung dagegen zieht an dieser Stelle einfach praktisch genauso weiter wie vorher — mit dem unterhaltenden Unterschied, dass es im Umschaltbereich plötzlich klingt, als hätte jemand einen Sack Teppichnägel in die Ansaugstutzen geschüttet. Dieses heisere Röhren kommt so unerwartet aus der Kehle des V4, dass man sich erst erschrickt und ab dann ausschließlich in diesem akustisch sehr grünen Bereich fahren will.

Das ist der wichtigste Punkt, denn der V4-VTEC-Motor war schon immer das Unterhaltungszentrum der VFR. Der Rest ist solide Basis: gutes Fahrwerk, optisch wie wartungstechnisch nette Einarmschwinge, hohes Gewicht, bombenfeste Zuverlässigkeit. Der Crossrunner ist nur etwas höher mit mehr Federweg. Der Lenker sitzt höher. Die Instrumente sitzen höher, hinter der Scheibe, am Rand eines schwarzen Lochs aus scheußlich häßlichen Plastikverkleidungen, in das man mindestens fünf respektlose Botschafter der Perser werfen kann, ohne die Achslast signifikant zu verändern (sowas muss der Käufer ja wissen!). Der Käufer sollte auch wissen, dass Honda den Crossrunner bei 200 km/h per Begrenzer abregelt (betrifft sowohl den fünften als auch den sechsten Gang), und das wenig schmuuv. Bei der VFR 1200 mit ihren sanft schließenden elektronischen Drosselklappen hätte es keiner gemerkt, dass sie ohne Abregel noch etwas schneller als (echte) 250 km/h laufen könnte, wenn sie es nicht gesagt hätten. Beim Crossrunner haben sie es (mir) vorher nicht gesagt, was im ersten Schockmoment aussieht, als wäre der Sprit alle. Mir persönlich ist es ein unübersehbarer Graus, wenn ich auf Autobahnetappen nicht an VW Passats vorbeikomme. Wer jedoch eh nie schneller als 160 fährt, der hat gerade fünfzehn Sekunden seines Lebens sinnlos beim Lesen der letzten Sätze verloren.

Schon bei den ersten Bildern gab es zu diesem Motorrad zwei Lager. Die einen wollten unbedingt fahren. Die anderen sahen in diesem Jetski-Design den Untergang Hondas plus der westlichen Welt. Die erste Gruppe sollte ihren Plan in die Tat umsetzen und fahren. Es fährt so, wie man sich das vorstellt — bis der Sack Teppichnägel durch den Ansaugtrakt schnorchelt. Ab dann wird‘s besser. Es gibt Alternativen, die spannender sind. Die KTM 990 SMT zum Beispiel. Oder die Ducati Multistrada 1200. Beide sind (außer teurer) auch wesentlich moderner im Aufbau. Sie sind allerdings auch um Längen unzuverlässiger. Wer also jeden Tag und dann um die Welt fahren will, ist mit einem Crossrunner besser bedient. Wenn es unspannend werden sollte: einfach in den grünen Bereich drehen.

“Sieht wie ein Ski-Do aus“, sagte man. „Ist Absicht“, sagte Honda.

Honda Crossrunner 2011

Ist: im grünen Bereich.
Kos­tet: 10.790 Euro
Leis­tet: 102 PS (75 kW) bei 10.000 U/min
Stemmt: 74 Nm bei 9.250 U/min aus 782 ccm
Wiegt: 240 kg voll­ge­tankt, 433 kg zulässiges Gesamtgewicht
Tankt: 21,5 Liter Super
Hat: spannendere Konkurrenten, die unzuverlässiger sind.

Bilder: Honda

Kommentare:

ältere
  • Der-Alte Griesgram meinte am 14. Juni 2011 um 21:00:

    200 km/h darf nicht die Höchstgeschwindigkeit sein, schon gar nicht von etwas Einspurigem.

  • Michael meinte am 15. Juni 2011 um 7:02:

    Stimmt! 200 Sachen sind zu wenig. Das fahr ich ja aus Versehen schon mal zwischen zwei Ortschaften. Und 240 Kilo sind auch seeeehr üppig. 220 hätten auch gereicht.

    Das Design sieht mir auch zu wenig „schnell“ aus. Ein Jetski, ok. Aber ein langweiliger. Und hat keine Upsidedown Gabel! Ich wusste gar nicht das es sowas heute noch gibt, abgesehen von der BMW F 800.

  • markus meinte am 15. Juni 2011 um 8:03:

    An der Upside-down Gabel ist halt gespart worden. Der Motor ist ja schon teuer genug. Die oben genannte Konkurrenz ist auch geschätzte 5.000 Euro teurer.

  • Berthold Blickle meinte am 15. Juni 2011 um 21:15:

    Das hohe Gewicht und die Telegabel erinnern einfach nur daran, dass es sich beim lediglich Cross-Runner um die hochbeinige Neuauflage eines über 10 JAhre alten Motorrads handelt.
    Angisichts dessen und der auf mich albern wirkenden 200 km/h-Begrenzung sollten sich Interessenten mal bei der Konkurenz umsehen, da gibt‘s moderners zu ähnlichen Preisen, legendäre Zuverlässigkeit hin oder her.

  • Gefahren: Honda Crossrunner : Motorsphere meinte am 16. Juni 2011 um 10:01:

    […] Quelle: Mojomag […]

  • butterfly meinte am 16. Juni 2011 um 21:52:

    hab das ding jetzt mal life gesehen – ist ungefähr so langweilig uninspiriert wie auf den bildern – das ding kommt nach generationen von tdms, v-stroms. tigers und ähnlichen hochgesetzten straßenbikes (tall bikes nach clemens-nomenklatur) einfach einige lichtjahre zu spät auf dem markt und liefert nix, was andere nicht schon lang anbieten. und den vtec gag könnte honda auch mal wieder in der mottenkiste verschwinden lassen, hat schon seinen grund warum 99,9 prozent aller motorräden ohne diese ‚fasziinierende‘ technik fahren….

  • Bike Tour Germany meinte am 23. Juli 2011 um 7:31:

    Hauptbild : Alter, du hättest die drei Pflanzen am Knie weg-retuschieren sollen 🙂
    Ich dachte schon du bist der HELD und fährst mit dem Ding und DIESEN REIFEN n‘ Berg rauf, lach.

  • Clemens Gleich meinte am 23. Juli 2011 um 11:08:

    Diese drei Pflanzen sind das Beste am Bild!

  • CHris meinte am 30. April 2013 um 13:17:

    Also ich bin die Crossdingsbums gefahren und das Ding macht Hölle Spaß. Laß es 15kg zu schwer sein, das Design mag gewöhnungsbedürftig sein, ist aber imho nicht schlimmer als z.B. eine Versys oder die oben erwähnte Multilala…
    Und bei dem Preis von aktuell 9990,- gibts wenig besseres…

    CHris

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