Mimimimimi

Jedes Mal, wenn ich über Medien schreibe, selbst wenn ich nüchtern beschreibe, dass für ein Papierheft Papier verarbeitet wird, kommt jemand an mit: „Wie kannst du sowas nur sagen?“ Antwort stets: Ich erkläre ein paar Interessierten einige Mechanismen, weil das interessant ist. Das ist doch jetzt bidde nicht schlimm. Dann kommt: „Aber wieso? Wir haben‘s doch eh schon schwer genug!“ Liebe Leute: Wir als Medienbranche haben die letzten 15 Jahre nichts gemacht, geschwiegen und ignoriert. Wir können jetzt unter „schweigen und nix machen“ einen dicken, fetten Haken bei „ausprobiert“ setzen. Wir haben es ausführlichst ausprobiert und es hat nicht funktioniert. Wie wärs stattdessen mal mit mehr reden? Ich schreibe ja keine Kritik, weil ich jedes Byte, jede Faser Papier so hassen würde, sondern gerade, weil ich das Geschäft mag. Ich will, dass es besser wird. Ich hab auch keine Patentlösungen, aber wie soll sich überhaupt was ändern, wenn jede Kritik an der Substanz de facto tabu ist? Es kann mir keiner erzählen, es gebe keinen Diskussionsbedarf, sonst wär da die Haut nicht so dünn.

„Das kann man ja auch unter sich ausmachen.“ Nein! Wir machen das seit tausend Jahren still unter uns aus, und immer mehr Leute fühlen sich langsam zu Recht verarscht davon, weil es sie direkt betrifft. In die Diskussion sollten gerade die Leser mit rein, die Endkunden der Medien. Das sind schließlich die, die immer weniger kaufen. Warum sind die wohl gefrustet, wenn (nur als Beispiel) auf keiner einzigen (mir bekannten) Fahrpräsentationsberichterstattung stand, dass die Einspritzanlage der MV Agusta F3 eine „unfahrbare“ (not my words) pre-Alpha-Version war? Dass die Maschine zum Niederknien schön ist, sehen Leser schon selber auf den Werks-Bildern. Warum gehen sie in die immer selbstbewusster werdenden Markenforen? Warum kommen sie sich immer wieder für dumm verkauft vor? Was sind die Dinge, die sie dann doch wieder für hochauflösende Bilder und Texte auf Papier glühen lassen?

Natürlich sind die meisten Leser keine Medienmacher, man kann sie nicht fragen, was sie wollen, wenn man sinnvolle Antworten will, weil bei sowas fast nur das kommt, was sie schon kennen („Ich will mehr Vergleichstests.“). Aber was man tun kann, ja: sollte: Sie mit einem Mindestmaß an Respekt behandeln. Wenn sich die Zeiten ändern, kann man zumindest versuchen, das den Lesern zu erklären. Vielleicht bringt genau das auf die Langstrecke genug Umdenken bei ihnen, dass es ganz andere Medienmodelle plötzlich zur Funktion schaffen. Dazu darf man sie halt nicht pauschal für blöd halten. Es gibt genug geistige Verarbeitungsleistung da draußen für ein „Leuts, soundso sehen die Dinge aus, wir probieren deshalb das nächste halbe Jahr dasunddas aus — und wir zählen auf euch“.

Ich habe den größten Respekt für und freu mich über jeden, der noch den Mut hat, Sachen auszuprobieren. Was haben wir alle hämisch gelacht, als die Motorpresse und der Nitschke-Verlag die Apps ausprobiert haben, weil es so wenig Tablet-Leser gab! Aber die Apps zu erstellen war gut, weil sie ohne Ausprobieren auch nix rausgefunden hätten. Von diesen Erfahrungen profitieren alle. Oder jetzt Monika Schulzes „Abenteuer Wege„. Oder Jochen Soppas „orig.“. Natürlich funktioniert nicht alles, was man probiert, sonst hieße es ja nicht „probieren“, sondern „machen“. Solange es noch dieses neugierige Probieren gibt, ist noch Leben in der Szene. Ich glaube, dass man heute sehr wohl noch kommerzielle Publikationen rein für Leser machen kann, und zwar nicht nur für Freunde der heilen Welt (Landlust), sondern auch für Freunde der Fahrkultur. Wir werden es ausprobieren (müssen). Apropos Fahrkultur:

Toyotas GT86 ist da sehr sophisticated

Kommentare:

ältere
  • Alfred Lockinger meinte am 6. Juli 2012 um 20:58:

    das ist ja mal wieder SOOOOWAS von wahr !!!!!!!!!!! das wollens aber sicher noch weniger hören als die urspüngliche abhandlung des themas…

  • Der Alte Griesgram meinte am 6. Juli 2012 um 21:29:

    Ausprobieren ist scheiße, weil wir in einer Erhaltungsgesellschaft leben. Wenn alle Auto fahren, wird es bald keine Kutschen mehr geben und dass ist mindestens der Untergang des Abendlandes. Oder wenn auf einmal die Bücher gedruckt werden und nicht mehr bei Kerzenschein in dunklen Katakomben per Hand abgeschrieben, gar nicht auszudenken.
    Und jetzt schreibst Du auch noch über Autos. Der Ende der Welt nah, nur noch bis zum 21. Dezember, dann machen wir alle den Dinosaurier.

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