Reisegeschichten sind Scheisegeschichten

Dieses Jahr war ich das erste Mal in Irland, ausreiten auf einer Kawasaki Z 1000 SX. Der Ausritt war jedoch gar nicht mein eigentlicher Auftrag, sondern der Auftrag des Herrn lautete vielmehr: „Mach mal eine Motorradreisegeschichte.“ Motorradreisegeschichten sind seltsam. Nach ausgiebigen Recherchen glaube ich, dass sowohl Schreiber als auch Leser dieser Artikelgattung in einer märchenartigen Parallelwelt leben, in der es ganz normal ist, alle drei Radumdrehungen beim Kaffee anzuhalten, „hausgebackene Leckereien“ zu fressen „wie bei Muttern“, zufällig ausgewählte Fakten über die Gegend (die Gegend!) statt über Grip zu präsentieren und mit „ordentliche Französisch-Kenntnisse“ die Sprache zu meinen. Ich habe außerdem herausgefunden, dass die Unterscheidung von Schreiber und Leser in der Reisegeschichtendimension nicht existiert, es gibt dort vielmehr ausschließlich sogenannte „Schreser“, die immer beides tun.

Diese Pflanzen da hinten sind ein beliebtes Irland-Fotomotiv. (Bild: Chris Roberts)

Mich fasziniert diese Parallelwelt ungemein, bisher konnte ich sie jedoch ebensowenig betreten wie Narnia durch meinen Motorradkleiderschrank und war daher froh, dass es in MO stattdessen die Rubrik „Erlebnis“ gab, in der es, soweit ich mich erinnere, um Saufen, Gripverhältnisse und (französischen) Geschlechtsverkehr ging — um Sachen also, die normale Menschen auch verstehen. Für diesen Auftrag schrieb ich mich allerdings doch in die Dimension der Gegend. Die Auftraggeberin sagte zum nüchternen Ergebnis: „Nein, ich will doch eine ganz persönliche Geschichte, wie das da war.“ Habe ich ihr dann gemacht. Meine persönliche Meinung zum Antichristen, der zufällig mitfuhr, zum Saufen, zum Rasen, zur Kombination beider Dinge und zu den Northern Ireland Crime Stoppers. Seitdem spricht sie nicht mehr mit mir. Ich habe den Text noch zwei anderen Leuten gegeben, die ebenfalls nicht mehr mit mir sprechen und glaube mittlerweile, der Text ist vom Teufel besessen oder vielleicht vom Antichristen verflucht. Das war bestimmt nicht mein bester Text, aber diese krassen Reaktionen machen mir abergläubische Angst. Deshalb steht der auch nicht hier, obwohl die Fotos nett sind. Ich sollte einfach keine Reisegeschichten machen.

Trotz allem betrachte ich mich seit dem Ireland Incident als Reisegeschichten-Schreser, als Experte gar, denn Auchschreserexperte Lars Wennersheide hat mich Dinge über seine Heimatdimension gelehrt, die ich hier nicht wiedergeben kann, ohne als gefährlicher Geistesgestörter zu gelten. Er hat außerdem gesagt: „Schau dir unbedingt die DVD von Erik und Sophie an, die sie über ihre Islandreise gemacht haben.“ Das schien mir genau richtig, um ins Schreser-Equilibrium zu kommen, ohne meine Netzhäute mit selbstgefressenen Kuchensätzen wie von Muttern zu peitschen. Also habe ich Sophie überfallen: Sie müsse mir unbedingt so eine DVD schicken! OMG! Antichrist! Kuchen!

Als die DVD schließlich kam, habe ich sie mir beim Fressen von Mutters Kuchen angeguckt und unentschuldbarerweise sofort vergessen, warum ich das überhaupt tat, weil mir jemand dieses unglaubliche Katzenvideo zukommen ließ. Dann rief das Finanzamt an, dann rief Berlin an, dann war es sechs Wochen später. Heute habe ich undeutliche Entschuldigungen nuschelnd die DVD zurückgeschickt und mir vorgenommen, sofort etwas darüber zu schreiben. Wie mir auffällt, hat dieser Vorsatz exakt so lange gehalten, bis ich oben „Irland“ geschrieben hatte und mich fürchterlich über die Erinnerungen an den Antichristen aufregen musste. Bevor ich jetzt wieder undeutliche Entschuldigungen nuschle, gelobe ich Besserung in Sachen ADS (habe meinen Monster-Intake bereits halbiert) und schick‘ euch alle weiter auf Eriks Seite, auf der er traumhafte Bilder nebst einen Trailer zu dieser DVD zeigt:

Nette Leute fahren nach Mordor zur Weihnachtszeit

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