Rückspiegel: Best of 2013

2013 war wechselhaft wie 12 Monate April. Es fing an mit der deutschen Ausgabe von Top Gear, dann kuschelte ich mich für eine Woche in einer Werbeagentur in Prag ein, dann rief MV Agusta an, als wären wir seit tausend Jahren ein Herz und eine Familia. Es fiel mir schwer, aus diesem Dauerfön Perlen für meine professionell sinnlosen Presseawards herauszupicken, aber ich habe keine Mühen gescheut, das trotzdem zu tun: Hier die Besten der Besten der Besten 2013.

Bestes Einspurfahrzeug

Das Bike of ze Year kann kein Geheimnis sein, weil ich es immer schon mindestens ein Jahr im Voraus verkünde. Den Titel diesmal erhält die fortschrittlichste Honda der Welt: die MSX 125. Mit Ausstattungseinzigartigkeiten wie dem serienmäßigen Muschimagneten, einem ausgezeichneten Angstzerstäuber, manueller Traktionskontrolle und dem klassenbesten Spastfaktor zeigt Honda, was heute bei den kleinen Motorrädern technisch-sozial alles möglich ist. Einen lauten Schamlippenapplaus für diesen unanfechtbaren Sieg, bitte!

Fahrbild Supermoto-Style
Gut zu sehen: Der enorm hohe Spastfaktor komplimentiert den Muschimagneten.

 

Bestes Zweispurfahrzeug

Vielleicht erwarten jetzt junge Menschen mit „Waffenfabrik Wolfsburg“ als Aufkleber auf ihrem Polo eine Würdigung des VW Golf GTI. Sorry. Zu langweilig. Nein, der begehrte Preis für das beste Zweispurfahrzeug geht dieses Jahr ausgerechnet an Russland! Ja, unerwartet, ne? Die Jury hat vor allem die lupenrein demokratische Regierung dieses Landes überzeugt, das Bild von Putin, wie er auf einen Bären gephotoshopt barbusig durch den Fluss reitet und das Asyl für Herrn Snowden, für das sonst keiner den Arsch in der Hose hatte. Den Preis gibt es jedoch nicht für diese Randbedingungen, sondern für ein konkretes Produkt. Es ist ein Gebrauchtfahrzeug, aber trotzdem bin ich 2013 kein interessanteres Zweispurfahrzeug gefahren: die 2S1, genannt Gwosdika: die Nelke. Das ist eine Selbstfahrlafette, die federleichte 18 Tonnen wiegt und damit sogar auf Wasser schwimmt. Es ist praktisch der Caterham unter den Kriegskettenfahrzeugen! Den Stich ins Herz der Jury machte die Nelke damit, wie sie mit der Pest des Straßenverkehrs umging: einem Peugeot. Sie fuhr einfach drüber. Göttlich. Einen lupenreinen Applaus für Russland, bitte!

Die Gwosdika erfreut Muttipanzerfreunde durch gute Geländegängigkeit und Leichtbau (18 t). Bild: Universal
Die Gwosdika erfreut Muttipanzerfreunde durch gute Geländegängigkeit und Leichtbau (18 t). (Bild: Universal)

 

Italienischstes Geschäftsgebahren

Nach den zwei großen, fetten Preisen ein kleines Intermezzo über mein Lieblingsvolk in Europa, die Italiener. Es ist mir jedes Mal eine Freude, italienisches Essen oder Sozialverhalten zu erleben, wobei zu letzterem natürlich besonders der soziale Straßenverkehr hervorzuheben ist. Nirgends wird mehr kommuniziert als hier, nirgends fährt es sich menschlicher. Dieses Sozialverhalten dehnt sich auch aufs Geschäftsgebaren aus. Zahlen zählen gar nichts. Menschen zählen alles. Wenn man einmal mit einer italienischen Firma ein Geschäft inklusive der wichtigen Meetings „Mittagessen“ und „Abendessen“ einigermaßen kompetent kommunizierend abgewickelt hat, erwarb man damit das, was wir in Deutschland „Freunde fürs Leben“ nennen würden. Mit Brembo telefoniere ich heute noch (hauptsächlich über Restaurants), obwohl ich dort nur einmal vor vielen Jahr war. Als daher im Frühjahr 2013 MV Agusta anrief, um mich zu fragen, ob ich mich für ihre Motorräder interessiere, stellte ich mir ein Treffen schon sehr sizilianisch vor. Nach dem Test der F3 800 traf ich dieselben Hanserln wieder bei der Testfahrt der Rivale, obwohl ich die F3 als enttäuschend beschrieb und es sicherlich größere Verlage gibt als mich, auch wenn das schwer vorstellbar sein mag. Verlage werden einfach nicht eingeladen. Menschen werden eingeladen. Keine Ahnung, wer mich damals auf die geheime MV-Gästeliste setzte, doch ich vermute, es war Ralf Steinert. Danke, Ralf! In bester italienischer Tradition werde ich mich für den nächsten Capo verbürgen, der unbedingt zu diesen Gang-Treffen kommen muss: Toby Münchinger. Wir planen nichts weniger als die Monopolisierung der gesamten Berichterstattung über MV. Einen Toast im Nadelstreifenanzug also auf Giovanni Castiglioni und seine ganze Familie!

“Magst du unsere Motorräder? Und magst du uns?“ Klar mag ich euch, MV. Aber Toby mag euch mehr.
„Magst du unsere Motorräder? Und magst du uns?“ Klar mag ich euch, MV. Aber Toby mag euch mehr.

 

Größte Überraschung

Wie das Beispiel mit den Motorrädern des Jahres zeigt, bin ich kaum überraschbar, weil ich so alt bin. Ich habe alles schon gesehen, von der Geburt der Sonnen bis Mickie Krause auf der Bühne von „Malle in Halle“, wie er „Geh‘ doch zuhause, du alte Scheiße!“ singt — also Dinge, die ihr Leser mir sowieso niemals glauben würdet. Selten, aber manchmal erlebe ich dennoch eine Überraschung. 2013 folgten gleich zwei nacheinander. Zuerst überraschte mich, wie zahm die KTM 1290 Super Duke R war. Unmittelbar darauf setzte BMW einen drauf mit der Überraschung, wie laut, wild, spannend die BMW S 1000 R wider jedes Erwarten war. Das Rennen machte schließlich die BMW, denn das KTM zahmer mehr verkauft, wussten wir schon seit der 2012er Duke. Klatscht die Tentakeln zusammen für die R, die überraschendste und wildeste BMW!

Fahrbild Mallorca
Nicht schön, aber gut: Die BMW S 1000 R ist unerwarteterweise die wildere Alternative zur Super Duke.

 

Helden der Arbeit

Anfang des Jahres war es hier sehr still, denn ich arbeitete an der deutschen Erstausgabe des britischen Autohefts Top Gear. Wie das dieser Tage so ist, gab es dafür wenig Geld, aber viel Begeisterung, sodass eine Menge Arbeit dadurch entgolten wurde, dass ich Gefallen einforderte — die italienische Währung quasi. Wie sich Leute den Arsch aufgerissen haben trotz sozialer Probleme nordkoreanischer Größenordnung, das erhält mir bis heute den Glauben an die Menschheit. Ich danke allen Beteiligten, doch besonders Daisy Latussek, Theresa Juranek, Fabian Grass, Volker Bartheld und Bertel Schmitt. Ohne euch wäre es nicht gegangen. Es gibt Top Gear Deutschland meines Wissens noch, jetzt allerdings nur übersetzte Geschichten aus dem englischen Heft ohne deutschen Teil und deshalb ohne mich. Die Übersetzungen macht Axel Catton, was mich nach dem Lesen sehr beruhigte, denn der Mann versteht sein Handwerk. Wie das Heft ansonsten gerade ist, erzählt mir am besten jemand von euch, der ihm am Kiosk begegnet ist. Meine finale Einschätzung war, dass es bei wenig Geld für Autoleser so vielleicht am besten funktioniert. Für Autoschreiber gibt es leider kein deutsches Top Gear mehr.

“Wieso bist du so unscharf?“, frug mich Herr Turner von der BBC. Weil ich schlotterte wie ein Kettenhund. Immerhin ging es mir besser als Volkers Fingern. (Bild: Volker Bartheld)
„Wieso bist du so unscharf?“, frug mich Herr Turner von der BBC. Weil ich vor Kälte schlotterte wie ein Crack-entziehender Kettenhund. Immerhin ging es mir besser als Volkers Fingern. (Bild: Volker Bartheld)

 

Unpassendste Kombination

Der bekannt-berüchtigte Medienpreis für die unpassendste Kombination 2013 geht an mich. Ich fuhr im September mit einem Audi Q3 bei meiner Schwester, der Königin unserer Galaxie vor. Gleichzeitig zum Auto hatte ich mir ein Album von Big B bestellt, sodass ich im beschaulichen Lindelbach am Steuer des merkeligsten Autos der Welt unter dem lauten Bassstampfen von Outlaw unter den Sonnenblumen in die Parkbucht einlief. Nachdem ich die Königin mit anderer Musik, Myrrhe, Gold und dem Aluminium eines Apple Macintosh besänftigt hatte, gewährte sie mir die untertänige Bitte, ihre Aussagen verwursten zu dürfen, auf dass sie das Volk erbauen mögen. Den Q3 mit Big B im iPod werde ich nicht vergessen. Es wundert mich immer noch, dass mich auf dem Parkplatz der Brennpunktschule, auf dem ich meine Freundin abholte (sie schwingt dort als Wärterin die Peitsche), nicht von Jugendlichen mit „schwul!“-Rufen und Kalaschnikows attackiert wurde, wie es heute Brauch ist. Es gibt vielleicht doch noch Hoffnung für die Jugend.

Standbild Front
„Na gut, dann fahre ich aus meiner unendlichen Gnade heraus eben diese Scheißkiste. Das wird aber Geschenke kosten!“

 

Enttäuschung des Jahres

2013 konfrontierte mich mit einem Kollegen, der ständig gegen Dacia wetterte. Was da an Ausstattung fehle! Nicht mal C-Säulen-Zahnbürsten hat das Scheißding! Mir war dagegen ein simples Fahrzeug höchst sympathisch, deshalb fuhr ich den Dacia Sandero mit dem Dreizylinder-Benzinmotor. Das Teil war jedoch nicht einfach simpel, sondern tatsächlich billig gemacht. Keine Ahnung, wie das in Zeiten der gleichen Baugruppen überhaupt geht, aber der Motor lief kalt so schlecht, dass ich den Wagen abstellte und bei Dacia/Renault Deutschland anrief im Glauben an einen Defekt. Gehört aber offenbar so, inklusive großer Serienstreuung. Das lauwarme Feuchttuch für die Enttäuschung des Jahres 2013 geht daher an Dacia. Ausstattung ist mir egal. Aber die Basics sollten gescheit funktionieren. Man kaufe lieber gebraucht. Man spende keinen Applaus.

Standbild Seite
Nicht blind kaufen, am besten aber gar nicht den kaufen, sondern was Gebrauchtes: Dacia Sandero.

 

Markigster Spruch

Unter Motorradfahrern ist es üblich, große Sprüche zu klopfen. Ist ja alles ned so ernst gemeint, und haften müssen wir für unsere Aussagen auch nicht. Deshalb geht der verhustete Schluck Scotch für den markigsten Spruch 2013 auch nicht an einen Motorradfahrer, sondern an Dr. Ralf Herrtwich, der einem 200-köpfigen Team von Software-Entwicklern bei Daimler vorsteht, die autonome Autos im Software-Verhalten verkehrstauglich machen sollen. Er sagte zum Thema Unfallhaftung für fahrerlose Fahrzeuge: „Den Part finde ich sehr einfach: Der Hersteller haftet bei einem Unfall, fertig. Wir haften doch heute schon für Fehler an unseren Fahrzeugen. Ich kann nicht sehen, dass es irgendwie anders sein kann.“ Respektvolles Nicken dafür bitte, denn wenn ich mir die ständig falsch positiv piependen Daimlers von heute anschaue, hat er sich das schon jetzt verdient.

Ralf Herrtwich
Ralf Herrtwich sitzt in der Mitte und schaut zu Boden. Liegt aber glaub ich eher an der Uhrzeit als an Reue über seine Aussage.

 

Bester Url… Arbeitsauftrag

Honda hat mich 2013 eingeladen, mit ihnen die Rennen der TT auf der Isle of Man anzuschauen. Ich habe den Grund dafür nicht verstanden, aber sofort zugesagt, denn um auf die Isle of Man zu kommen brauche ich keinen expliziten Grund. Die Natur des Events wurde mir schnell klar, als ich in einer Gruppe mit Che Mayer und zwei netten belgischen Rassisten eingeteilt wurde, die diesen Aufenthalt bei einem Gewinnspiel von Honda Belgien als Urlaub gewonnen hatten. Ich habe natürlich etwas darüber geschrieben, aber nur, weil ich unter Schreibzwang leide. Sobald mich jemand fürs Urlauben bezahlt, mache ich eine Therapie (auf der Isle of Man), dann hört das umgehend auf. Deshalb lautes, anfeuerndes im-Takt-Klatschen für Honda bitte, auf dass sie mich künftig beurlauben und dafür auch noch bezahlen. Ist ja wohl das Mindeste.

Auf die Isle of Man gehe ich jederzeit ohne Grund. Und ohne Scham über die schamlose Pressebespaßung dort, das auch.
Auf die Isle of Man gehe ich jederzeit ohne Grund. Und ohne Scham über die schamlose Pressebespaßung dort, das auch.

Und schließlich: Ich wünsch euch und mir und uns nur das Beste für 2014!

Kommentare:

ältere
  • Wolfgang Tausch meinte am 7. Januar 2014 um 11:13:

    geil und krank wie immer 😉 (y) mach weiter so

  • Tag am Rum | MoJomag meinte am 7. Januar 2014 um 12:00:

    […] Ich werfe Awards in den Rückspiegel […]

  • Hilly Hunger meinte am 8. Januar 2014 um 9:35:

    In Ermangelung vollständigem Wissens einiger Punkte muss ich Dir doch in den meisten Punkten zustimmen. BMW hat mich auch positiv überrascht. Der Dacia ist für mich ein Statussymbol für Leute die eigentlich KEIN Auto wollen und nur sinnloses Geld verschwenden wollen, bevor sie es eventuell spenden. Meine Meinung……TOP Gear schaut man entweder im Original oder lässt es. Dieses „Ich hab da ein TV-Konzept gesehen.. lass es uns kopieren“ ist echt das beschissenste was uns hier passieren konnte. Bescherte es uns doch so sachen wie „Big Bruder“ und „ Deutschland verflucht den Superstar“.

    Ich hoffe wir können 2014 wieder Spaß mit echten Neuheiten haben und müssen uns nicht mit aufgewärmten Updates von Show´s oder Produkt-Wiederholungen im Farbwechsel begnügen.

    Meine Erkenntnis im Dezember: Verdammt……ich muss abnehmen… Tasten zu eng am PC.

    Gruss dor Hilly

  • Clemens Gleich meinte am 8. Januar 2014 um 11:20:

    @Hilly Hunger: Wichtiger Disclaimer: Ich habe NICHTS mit der scheußlichen Kabel1-Synchro von TG zu tun oder mit einer Kopie der Sendung. Wir haben das PRINT-Magazin an den Kiosk gebracht.

    Die Methode „ausländische, erfolgreiche Konzepte eindeutschen“ ist übrigens so beliebt geworden, weil sie den darbenden Verlagen das bietet, was sie sich so schmerzlich wünschen: eine einigermaßen vorhersagbare Erfolgswahrscheinlichkeit, die im Vergleich zu eigenen, neu entwickelten Konzepten sehr wenig Geld kostet.

  • Dirk Klatt meinte am 8. Januar 2014 um 12:49:

    @Hilly Hunger: ….wenn es ein deutsches Top Gear in der Qualität des englischen Originals gäbe hätte ich gegen Kopien nicht das geringste einzuwenden …ich denke da nur an so skurille Vergleichstests wie dem zwischen einem Bentley und der Merzedes S-Klasse unter dem Aspekt des Anforderungsprofils albanischer Mafiabosse …beispielsweise die Eignung der Kofferräume zum Transport von Leichen und ähnliche praxisbezogene Testkriterien ….einfach göttliche, respektlose, moderat anarchistische Unterhaltung vom Feinsten …hat den besten Sendeplatz verdient: Samstagabend 20:15 Uhr im ZDF ….selbst unsere Rentner haben nämlich Besseres verdient, als Carmen Nebel und ähnliche GEZ-Seilschafts-Profiteure…

  • 3-plus-1 meinte am 9. Januar 2014 um 11:17:

    Zur MSX 125 muss ich noch mal meinen Senf dazu geben, vor allem weil ich den Artikel in der „Motorradfahrer“ 2/2014 (Seite 34) las. Die stellen die These auf, dass gerade die ältere Generation darauf anspringt, aber überhaupt nicht die Jugendlichen.

    Ich kann mir das sehr gut vorstellen, denn viele Jugendliche haben überhaupt kein Interesse mehr an Motorrädern (und kein Geld) und die übrigen sind männlich und zu groß (mehr als deine 1,80 m). Der ältere Auto-Führerschein-vor-1980-Inhaber ist aber kleiner gewachsen, hat jetzt mal Lust das Fahren auszuprobieren und will etwas ohne große Einstiegshürde, das aber auch modern aussieht (und nicht so als wäre es schon 1980 zwanzig Jahre in Produktion gewesen). Außerdem ist dieses Klientel bodenständig und will Händler mit Servicenetz. Alles das bietet Honda mit der MSX 125 und spricht damit den älteren Herrn mit zweitem Frühling an.

    Also – wenn das Ding nicht komplett floppt – dann erleben wir hier das gleiche wie bei der BMW F 650 CS „Scarver“. Die war auch ganz innovativ an Jugendliche entwickelt worden und wurde dann hauptsächlich von den Älteren gekauft, denen die großen Boxer zu schwer geworden waren.

    http://de.wikipedia.org/wiki/BMW_F_650_CS

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