Test Honda CBR 600 RR C-ABS 2011

Mal Klartext: Es gibt Motorräder, die sind gut, aber dennoch irgendwie behindert. Hier glänzt die BMW GS und die Suzuki Frau Strom. Dann gibt es noch Motorräder, die sind geil, aber keiner merkt es. Verbeugt euch, ihr Unwürdigen, hier kommt die Honda CBR 600 RR!

geschrie­ben und mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Tobias Münchinger

Der 600er-Markt ist tot, keine Sau will die Dinger haben. Selbst in England, wo die Versicherungen für 600er-Supersportler derart günstig sind, dass es bislang eine breite Käuferschicht für diese Maschinen gab, erschlafft die Nachfrage immens. In good old Germany war der letzte 600er-Supersportler-Boom im Jahre 2006. Zu der Zeit kamen grade Yamahas neu gestylte R6 und Suzukis aufgehübschte 600er und 750er Gixxer raus. Junge Leute mit ein bisschen Geld, ein wenig Geilheit auf gute Motorräder und einem Elternhaus mit tolerantem Weltbild haben sich diese Maschinen gekauft. Für die 34-PS-Eintragung in die Papiere ist nach wie vor eine Absegnung vom TÜV notwendig, also hat man sich dieses lästige kleine Stück Metall, das den Gasweg auf einige Millimeter begrenzt, eben gekauft und eingebaut. Nachfolgende tüftlerische Aktivitäten an besagtem Zusatzgewicht sind unumgänglich, alles andere wäre Blasphemie.

Toby an seiner eigenen Suzuki GSX-R 600 von 2006.

Bei nachfolgenden Modelljahren haben die Hersteller selbst für einbrechende Verkaufszahlen gesorgt. Suzukis Designer haben ihren künstlerischen Horizont offenbar mit bewusstseinserweiternden Pilzen upzudaten versucht, die über‘s Verfallsdatum hinausgelaufen waren. So kamen die kleineren Gixxer-Modelle zu einem X-förmigen Quasimodo-Gesicht, inklusive dreier vom Fahrer anwählbaren Leistungsmodi, die keine Sau braucht, und einem klobigeren Auspuff. Yamaha hat im letzten Modelljahr mit fünf PS weniger Leistung und einem größeren und ebenfalls hässlicherem Auspuff dagegengehalten. Dass diese Entwicklung bei den Käufern keine Begeisterungsstürme ausgelöst hat, kann man sich irgendwie denken. Hondas 600er stand immer zwischen den Extremen, denn sie war gekommen, um zu bleiben: Hübsch, aber nicht herzzerreißend geil wie die R6, schnell, aber ohne das Drama, das auch Graupen ein schnelles Gefühl gibt.

Die CBR 600 RR hat meines Wissens nie einen Vergleichstest der 600er-Supersportler gewonnen. Der Motor ist seit dem Modelljahr 2007 praktisch derselbe, es gab nur kleine Modifikationen. Ein DOHC-Reihenvierzylinder (dieser Motor ist auch Basis des Einheitsmotors für die Moto2) mit konservativen 120 PS. Seit jeher besitzt die 600 RR eine Underseat-Auspuffanlage, obwohl allgemein bekannt ist, dass das für den optimalen Schwerpunkt scheiße ist. Massenzentralisierung und so. Desweiteren hat sich auch optisch seit 2007 (Modell PC40) nichts getan. Halt, stimmt nicht ganz: Honda bringt jedes Jahr ein paar sexy neue Dekors und Lackierungen für die RR als produktlebensverlängernde Maßnahme.

Hondas Motorsportfarben stehen der 600 RR zum Beispiel gut. Eine von sehr vielen netten Designs, die es mittlerweile für die 600er gibt.

Das komplexe C-ABS ist bereits seit 2009 für die 600 RR und für die Fireblade verfügbar. Die wirklich gute Nachricht dabei ist: Das C-ABS von Honda funktioniert nicht so wie das aktuelle ABS der Triumph Speed Triple, es versucht nämlich nicht den Piloten umzubringen, indem es einfach viel zu früh die Bremse aufmacht. Dafür kostet es tausend Euro Aufpreis, wiegt zehn Kilo zusätzlich und bepackt die ansonsten zierliche 600 RR mit Plastiktaschen an der seitlichen Verkleidung, weil da die zusätzliche Technik unterkommen muss. Diese Dinger sitzen dort, wo vorher der Motor offen zu sehen war und versammeln entsprechend massiv Hitze, die dann in Richtung der Beine des Fahrers strömt. Außerdem fühlt sich die ABS-Bremse im Gegensatz zu der ohne ABS ziemlich stumpf an. Mein Tipp daher: das Geld für den ABS-Schrott sparen, dafür eine normale, sehr gute Bremsanlage bekommen und die übrige Kohle in Sprit investieren. Damit kommt man dann ziemlich weit, weil die Honda nicht über 6 Liter auf 100 Kilometer verbraucht und das Tankvolumen bei 18 Litern liegt.

Hinter diesen schwarzen Beuteln liegen Teile des ABS der Honda. Ohne is' schöner.

Die CBR 600 RR hat außerdem die angenehme Eigenschaft, dass sie bereits beim ersten Aufsitzen passt wie ein maßgeschneiderter Anzug. Ich bin 1.82 Meter groß und es ist wirklich alles dort, wo es auch sein soll. Auf dieses Motorrad draufzusitzen ist ein bisschen, wie nach einer langen Reise endlich mal wieder das heimische Wohnzimmer zu betreten. Alles ist sofort vertraut, es passt einfach. Bei ihrem Einsatz im Oschersleben blieb sie bis auf Rennstreckenreifen serienmäßig. Ich war nicht dabei, aber der Fotograf dieser Story hat mir später erzählt: Dirk Schnieders kommt angeschlappt, federt die Gabel der Honda ein paarmal ein und rückt dann aus zum ersten Turn. Nach einer respektablen Rundenzeit von 1:37 passiert er wieder die Ziellinie, mit über 200 km/h auf dem Hinterrad. Er kommt später zu dem Fazit, dass die 600 RR ein schnelles und richtig gutes Motorrad ist. Er bestätigt damit auf der Rennstrecke ganz eindeutig das, was ich bereits auf der Landstraße vermutet habe. Das Fahrwerk der Honda spielt dank Stabilität und Präzision in der oberen Liga, der Motor gibt seine Leistung sehr linear ab und verärgert kaum durch Lastwechselreaktionen. Die Kupplung und das Getriebe arbeiten Honda-typisch makellos.

Unterm Strich muss ich sagen, dass man mit diesem Motorrad wirklich sehr gut bewaffnet ist. Und ich kann diese Behauptung noch mit einem weiteren Argument untermauern. Kürzlich war ausnahmsweise mal akzeptables Wetter bei uns in Süddeutschland, so richtig ohne Regen und sogar mit zweistelligen Temperaturen. Ich habe einer Freundin von mir erzählt, dass ich am Wochenende auf jeden Fall eine Runde fahren gehe. Sie hatte Bock mitzukommen, also sind wir zusammen in Richtung Schwarzwald aufgebrochen. Vorher hab ich ihr gesagt, dass normale Klamotten völlig ausreichend sind. Die Julia kommt also auf mich zugeschwebt, in Sneakers, einer supersexy zerrissenen Jeans und im Top. Wir fahren zusammen los und die Welt ist einfach absolut in Ordnung. Unterwegs kommt keine einzige Beschwerde über einen unbequemen Soziussitz, die Honda lässt sich trotz Mehrbelastung von vielleicht 50 Kilogramm genauso easy wie zuvor in Kurven legen. Wir machen kurz Halt für nen Kaffee beim Höhenhotel Rote Lache in der Nähe von Baden-Baden. Ich will noch ein paar Bilder von der 600 RR vor dem Alb-Panorama machen. Ich sage also: Julia, ich will noch kurz ein paar Bilder von der hübschen machen. Sie schwebt auf die Maschine zu, setzt sich drauf und sagt: Du meinst von den zwei hübschen? Verflucht, ja! Das ist sozusagen sich anbahnende Erotik durch japanische Motorrad-Ingenieurskunst. Ich steh‘ voll drauf!

Dieses offene Flügel-Design hat sich über die Jahre gut gehalten - genauso wie der Rest. (Bild: René Schulze)

Honda CBR 600 RR C-ABS 2011

Ist: funktionell erotisch.
Kos­tet: 11.790 Euro (Aufpreis ABS: 1000 Euro)
Leis­tet: 120 PS (88 kW) bei 13.500 U/min
Stemmt: 66 Nm bei 11.250 U/min aus 599 ccm
Wiegt: 197 kg voll­ge­tankt mit ABS und 186 kg vollgetankt ohne
Tankt: 18 Liter Super
Hat: im Serienzustand 1:35er-Zeiten in Oschersleben geliefert.

Kommentare:

ältere
  • Streety meinte am 27. Juli 2011 um 15:11:

    Ick hol‘ mir ne Daytona – da hab‘sch besseres Drehmoment und wesentlich geileren Sound.
    Auch wenn die CBR600RR natürlich auch eine der geilsten 600er ist.

  • motophil meinte am 27. Juli 2011 um 15:21:

    Und wo bleiben die Fotos von den zwei Hübschen, Du Nase?

  • Clemens Gleich meinte am 27. Juli 2011 um 15:21:

    Persönlich hinzufügen möchte ich noch: An den Fettbeuteln des ABS schlagen meine Schienbeine an, und sie werden wie Toby schreibt recht heiß. Das offene Flügel-Design ist mit ihnen auch nicht mehr offen, was Honda durch die schwarze Verkleidung kaschiert. Ein unerwartetes Plus der ABS-Bremse auf der Rennstrecke: Es gibt kein Hebel- oder Druckpunkt-Wandern, weil der Hebel nur als Geber funktioniert und das System den Bremsdruck danach hydromechanisch selbst einregelt.

    Man beachte (bitte!) auch die diesjährige, superschöne Sonderlackierung: http://honda.de/motorraeder/modelle_cbr600rr_farben.php (auf das schwarzweiße Symbol ganz rechts klicken)

  • Test Honda CBR 600 RR C-ABS 2011 : Motorsphere meinte am 27. Juli 2011 um 16:02:

    […] Quelle: Mojomag […]

  • Christian meinte am 28. Juli 2011 um 18:17:

    Geil und CBR600RR???
    Die letzte gute 600er war die F4 von vor ueber 10 Jahren!
    Honda muesste so etwas mit 800ccm bauen,ordentlicher Sitzbank,H-Staender und Koffern fuer die Reise dann koennte man sagen ein gutes und brauchbares Motorrad geil zum Fahren auf Kringel und Tour…
    Die heutigen 600er Kringelluftpumpen aus Japan sind mega-UNgeil…und voellig unpraktisch.
    Zumal die heutigen 1000er von BMW und Kawa sich Dank ABS/TC genau so einfach fahren lassen aber wenigstens genug Power zum Erschrecken haben.
    Kein Wunder dass die 600er Tod sind…
    Vielleicht sollten Honda und Suzuki mal wieder es mit etwas mehr charaktervollen Twins versuchen.Zuverlaessiger und guenstiger im Unterhalt als Ducati und etwas praktischer a la R1200S.
    Ich meine ja nur die Japaner verkaufen zur Zeit nur alte stinkende Fische…

  • philo meinte am 2. Juni 2012 um 22:57:

    Hi,

    ein paar Sachen hast du durcheinander gebracht.

    2009 gab es sehr wohl einige Änderungen an der CBR: neben C-ABS gab es Änderungen am Motor für mehr Drehmonent in unteren und mittleren Drehzahlen zu erreichen.

    Das Gewicht von 194 kg ist das fahrbereite Gewicht einer CBR mit ABS. 184 kg ohne ABS. Damit ist sie die leichteste 600er am Markt.

    Gruß

    Philo

    • Clemens Gleich meinte am 4. Juni 2012 um 10:47:

      Danke für den Hinweis! Habe gleich mal die realen Messwerte auf der Waage nachgeschlagen und schreibe die jetzt rein.

  • Toby meinte am 21. August 2013 um 23:56:

    So war das damals. Heute is die CBR 600 RR immer noch da. Die Julia is übrigens weg. Was war besser? Hm…beides zusammen war ein herber Kracher. Oh Mann, was für ein Trauerspiel.

    Cheers,
    Toby

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