Wenn der Vater mit dem Boxer…

Die letzte Woche bestand nur aus Deadlines, und der Fachbegriff „Deadlines“ bedeutet, für Nichtschreiber erklärt: „Mach das bis morgen. Oh, und das bidde auch.“ Diese Woche ist im direkten Kontrast sowas wie Ferien, also war ich heute im Schwarzwald. Zwei Anlässe dazu: Erstens hat Toby angerufen, ob ich Motorrad fahren will. Zweitens konnte ich dann meine Bildungslücke BMW R 1200 R schließen. Wir sind also wie der 600er-Sohn mit dem 1200er-Vadder im Genack durchs Gehölz gecruist. Mein Fazit dazu: Der Sitz ist gut. Der Rest ist irgendwie enttäuschend. Ich dachte ja, die Buckelpisten des Schwarzwalds, konkret die Rote Lache, das ist die Paradedisziplin dieses Teils. Ich habe erfahren: Ist es nicht. Die R schwänzelt durch die Gegend, als wär ich Haga auf dem rundenrekordschnellsten Weg in die nächste Notaufnahme, obwohl ich als Mädchen sehr touristisch da durchtuckere. Beim Anbremsen und Runterschalten schwänzelt die tödliche Kombo aus massivem Motorbremsmoment plus Kurbelwellenkippmoment, dass es ein Graus ist. Beim Rausbeschleunigen schwänzelt es, weil die träge Radführung durch die Schlaglöcher trampelt wie ein blattgefederter polnischer Lastwagen voll Tequila (und ich meine hier den Fahrer). Selbst das langsame, aufrechte Überfahren eines abgesenkten Bordsteins kracht derart in der armen Telelevergabel, dass man als Umsteiger von einem normalen Motorrad um Luftdruck und Felgen fürchtet.

Maik hat dazu den Tip gegeben, möglichst nie zu schalten oder gar zu bremsen. Mm. Oder steile Drehzahlamplituden meiden. Man könnte dann eigentlich gleich Harlay-Schwungmassen einbauen. Toby sagt „…aber langsam ist man mit der auch nicht.“ Das stimmt. Man kann die Kuh da durchprügeln, ihr ständiges Gekrache im Gebälk ignorieren, im Wissen, dass BMWs Fahrwerk das schon irgendwie macht. Macht es ja. Nur irgendwie macht es keinen Spaß. Im direkten Vergleich hatten wir die Suzuki GSX-R 600 2011 dabei, die trotz halben Hubraums alles besser macht. Sitzposition. Federkomfort. Straßenlage. Kurvenausgangsbeschleunigung. Sie hat ein knackig hörbares Verbrennungsgeräusch, wo die BMW nur das Flüstern ihrer Ventile auspresst. Maik verweist dazu auf die hohe Klasse der Supersportfahrwerke. Ich verweise dazu auf Triumph Speed Triple oder Kawasaki Z 1000. Die werden doch in den ewigen Vergleichstests immer gegen die BMW gestellt, damit sie verlieren. Vergleichstests haben mir ein völlig falsches Bild der 1200 R vermittelt. Ich bin enttäuscht. Vielleicht sollte ich fairerweise enttäuscht von Vergleichstests sein — oder einen Gegenentwurf schaffen: „Im Vergleichstest mit der GSX-R 600 verliert die R 1200 R an der Roten Lache nach Punkten.“

Kommentare:

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  • Willi Bremer meinte am 10. Mai 2011 um 22:51:

    „oder einen Gegen­ent­wurf schaf­fen: „Im Ver­gleichs­test mit der GSX-R 600 ver­liert die R 1200 S an der Roten Lache nach Punkten“

    Genau das wäre wohl politisch korrekt und vielleicht sogar in der Motorradpresse noch gerade eben publizierbar.

    Da jedoch der persönliche und subjektive Eindruck des Motorradfahrers zählt und auch nur Er auf seinem Eisen glücklich werden muss gilt der alte Spruch: Probieren geht über studieren. Wenn mich ein Bike anmacht, dann mache ich eine Probefahrt und das auch ohne die geringste Kaufabsicht, die könnte ja dabei rauskommen.
    Tests lese ich nur noch wegen des Unterhaltungswert und da kommen nicht mehr viele Schreiberlinge in die nähere Auswahl .

    Und wenn etwas nicht gut fährt, dann sollte man das auch genau so darstellen auch wenn die importierten Teile in Berlin zusammengefügt werden.
    Das ändert allerdings nichts daran, dass die persönliche Wahrnehmung viele Moppedfahrer dazu bewegt das Bike mit dem B zu erwerben weil die europäischen oder asiatischen Produkte nicht in das Konsumschema passen obwohl diese Geräte wesentlich besser über den Asphalt zu scheuchen sind.

    • Clemens Gleich meinte am 11. Mai 2011 um 9:23:

      Ein bisschen Leine hat jede BMW aufgrund ihres Namens. Eine F 800 R ist weniger lustig als eine Hornet oder gar eine Street Triple, sie ist aber die BMW. Weil sie außerdem beileibe nicht schlecht ist, verkauft sie sich unter dem Propellerlogo halt besser. Nur war die R 1200 R halt im buckeligen Schwarzwald auffällig viel schlechter als die Bigbike-Konkurrenz, und da frage ich mich schon, ob die R-Fans diese Konkurrenz mal gefahren sind.

  • Michael meinte am 11. Mai 2011 um 9:55:

    Toller Bericht. Kann ich nachvollziehen und stimmt meiner Erfahrung nach alles. Auch der Stellungnahme von Willi Bremer ist nichts hinzuzufügen.
    Spätestens wenn die neue BMW Boxer Generation Wasserkühlung und integriertes Getriebe haben wird, werden laut „Fachpresse“ viele der Nachteile der jetzigen Generation behoben sein.

    Wie sagte ein guter Freund zu mir: Nach einem Facelift sind alle Probleme und Schwachpunkte behoben, die vor dem Facelift gar nicht da waren.

    Allerdings: Ein Boxer wird immer seitlich abstehende Zylinder haben. Mit Nachteilen in der Aerodynamik, beim Rangieren, in der Schräglagenfreiheit vor allem mit modernen Reifen, beim Gaswechsel wegen der sehr ungünstigen Form der Ansaugkanäle. Und als Sahnehäubchen ist bei einem Sturz oft der Zylinderkopf platt.

    Gibts alles bei einer GSX R 600 nicht. Aber die ist halt leider keine BMW.

  • Frank Kemper meinte am 11. Mai 2011 um 10:22:

    Tja, die R ist halt nur die unkomfortable Variante der GS. Und da ich mit meiner 14 Jahre alten GS bussifeinst durch miese Schlaglochpisten gleite und es beim Überfahren von Bordsteinkanten mitnichten kracht, vermute ich entweder einen Schaden bei deinem Testmotorrad oder ein Fahrwerk, das auf einen Fettsack wie mich eingestellt war und dich Flatterjacke einfach durch komplette Nichtbeachtung gestraft hat.
    Das mitunter deutliche Eigenleben des Kraftstrangs ist nicht wegzudiskutieren. In meinen Augen macht es aber genau den Reiz der dicken Boxer aus. Entweder man mag das oder man mag es nicht. Bei Reihenvierern mit linearem Schub zwischen 6.000 und 12.000 Touren dagegen kommt doch bei Fahrten innerhalb der StVO so etwas wie Langeweile auf. Klar ist man auf einem Gixxer schneller unterwegs als auf einem BMW-Boxer (also zumindest, wenn man besser fahren kann als ich). Aber man muss dann schon so schnell fahren, dass eigentlich immer die Pappe in Gefahr ist. Wer das mag, sollte das tun. Er spart viel Geld dabei und ruiniert sich keine Zylinderköpfe (meistens bleibt es bei den Zylinderkopfdeckeln, die kosten 150 Euro pro Stück und sind in fünf Minuten gewechselt – mach das mal mit der Verkleidung eines Joghurtbechers)

  • Clemens Gleich meinte am 11. Mai 2011 um 10:29:

    Es stimmt, auf der GS funktioniert diese Motor-Fahrwerks-Kombo besser. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Rote Lache deshalb als Testbett so ideal ist, weil man dort 100 fahren darf, es in den Kurven aber meist nicht kann. Man bewegt sich also von der Physik gezwungen die längste Zeit im legalen Bereich, und das mit beiden Motorrädern. Und die Gixxer tut dort einfach besser. Jedes Motorrad, mit dem ich dort war, tat dort besser. Auch das Fahrwerk der spochtlicheren R 1200 S habe ich als grundgütig in Erinnerung.

  • Rick Lowag meinte am 11. Mai 2011 um 12:41:

    Clemens, bei den Honda-Testtagen habe ich noch mit vielen der Blogger-Kollegen gesprochen und alle haben mich in meiner Einschätzung deiner Person bestätigt – DU BIST DER LETZTE EHRLICHE SCHREIBER, DEN ES GIBT!!!

    Dafür erstmal danke. Ich kann deine Testeindrücke der 1200R zum aktuellen Zeitpunkt weder bestätigen noch wiederlegen. Aber ich werde dieses Jahr auch noch Gelegenheit dazu bekommen – vielleicht fahr ich dann sogar die selbe Maschine und kann dir sagen, ob es ein Defekt war oder zwischen dir Hemd und mir Dickerle nur einfach gravierende Unterschiede liegen.

    Bestätigen kann ich Dich aber in Punkte GSX-R600 – das Teil ist einfach geil! Diese rotzige Röcheln aus dem Ansaugtrackt hat orgasmische Züge. Sowas kann ein Boxer sicher nicht und wird es nie können… Aber ich glaube, das will er auch garnicht.

    Danke jedenfalls für jedes deiner Worte!

  • Christian meinte am 31. Mai 2011 um 0:41:

    Clemens eines muss ich Dir lassen,Du bist mutig!
    Du outest Dich als Ahnungsloser nach dem Motto wenn der Bauer nicht schwimmen kann liegt‘s an der Badehose…;-)
    Eine R1200R ist sicher ein emotional eher schwaches Krad aber mit Ohlins drauf ist das Teil sogar schneller als eine S1000RR,vorrausgesetzt man kann fahren.Will sagen kann smooth/weich mit Zwischengas runterschalten und gibt am Kurvenanfang schon wieder Gas.
    Eine GSXR600 ist dagegen nur eine Luftpumpe und eine unkomfortable dazu!
    Kauf Dir einen alten 2 Ventil Boxer oder Guzzi und lerne die hohe Fahrkunst.
    Wenn Du mit diesen Teilen schnell bist kannst Du deinen Kumpels auf Allem davonfahren…;-)!!
    Habe mir meine Hoerner selbst als Frischling und Greenhorn auf einer R65 abgestossen weil ich die „unfahrbare“ R45 Fahrschulmaschine hehasst habe.
    Langweilige,einfach zu fahrende Maschinen gibt es zu viele;japanische 08/15 Massenware.
    So wie die S1000RR…;-)))
    Wenn Du ein Maestro oder „Alpenkoenig“ werden willst fahre 2-3 Jahre Boxer oder Guzzi…

  • Biker Kuno meinte am 14. März 2013 um 10:22:

    @Christian: So isses….

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