Das mit der Elektro(im)mobilität

Es haben mich jetzt einige gefragt, warum ich mit einem Elektrokrapfen durch die Alpen fahre, wer mir mit wie viel Geld das aufgedrückt hat. Also: Es war meine Idee, ich habe auch vorgestreckt. Ich hatte nichtmal einen Leaf aus dem Nissan-Pressefuhrpark, weil sie alle an Hybrid- und Elektroauto-Blocker verliehen hatten, die sich auch angeregt miteinander darüber unterhielten. Sie haben mir lediglich eine Homebox geliehen, damit ich damit die erlaubten 16 A ziehen konnte statt der 10 A des beiliegenden Schuko-Notsteckers. Aber fangen wir bisi vorher an…

Im März war ich in Brühl bei Nissan für den Infotainment-Artikel in der c‘t. Der Leaf war zu diesem Zeitpunkt das einzige batterieelektrische Auto am Markt, das seinen Nutzern mit guten IT-Systemen im Auto, auf dem Smartphone und im Web-Interface bei ihrem Leben in ständiger Energieknappheit hilft. Zum Verständnis: Der Akku des Leaf enthält etwa die Energiemenge von zwei kg Diesel (24 kWh). Umgerechnet auf die unterschiedlichen Speicher- und Motoreffizienzen kann sich ein Dieselfahrer vielleicht vorstellen, wie weit er mit viereinhalb Litern 1500 kg motort, und ob er Hilfe dabei möchte, seine fünfstündigen Tankpausen zu planen.

Das Infotainmentsystem war wie erwartet japanisch: Stellenweise seltsam, manchmal verspielt, aber immer mit viel Liebe zum Detail. Unerwartet war, dass dieses Auto wirklich gut zu fahren ist. Sein hohes Gewicht in Verbindung mit den hohen Reifenseitenwällen der Leichtlaufreifen sorgen für enormen Federungskomfort, und der Elektromotor ist dem Verbrenner ohnehin in jeder Hinsicht bis auf die Reichweite überlegen. Wir haben Verbrenner ja nur erfunden, weil schon vor hundert Jahren die Akkus scheiße waren, und leider hat sich daran trotz allen Fortschritts nix Grundlegendes geändert: Der Aktionsradius des Leaf beträgt realistisch 50 km. Das sage nicht nur ich, das sagt auch die Firma Schletter, die den Wagen als Pool-Fahrzeug bewegt und dieselben Erfahrungen gemacht hat. 100 km normales Fahren in normaler Gegend sind drin. Bei dieser Reichweite nicht drin ist dieses beliebte Geeier mit ständig Bremsen und dann wieder Gas geben. Nicht drin ist Klimaanlage bei heißem Wetter anschalten. Und nicht drin sind Berge. Wir sind von Bruck die Großglocknerstraße in Auto-Tempo hochgefahren. Nach nichtmal 30 km auf der Edelweißspitze war der Akku zu drei Vierteln leer. Realistisch kann man also rund 50 km Pässe fahren. Rekuperation ist dabei schön fürs Marketing, aber nicht schön, wenn man hofft, viel Energie zurückzukriegen. Wer von der Ebene niedrig dreistellige km-Etappen elektrisch die Alpen hoch fahren möchte (warum auch immer), sollte sich auf das extremste Schwuchteln seines Lebens einstellen oder auf eine Übernachtung.

Das alles wusste ich ja theoretisch. Aber ich wollte praktisch beweisen, dass eine Familienkutsche bei einer e-Rallye mitfahren kann, ohne liegenzubleiben (jeden Tag vor der Etappe kam jemand, der sagte: „Ein Leaf?! Das schafft ihr nie.“), und dass man dabei voll den Urlaub hat. Wir sind nicht liegengeblieben. Aber Urlaub war es wirklich nicht. Es war sechs Tage lang das Gefühl, mit Restfeuchte im Tank durch eine Wüste zu fahren. Meine Nackenmuskeln wurden zu Diamant. Ich möchte daher eines sagen: Alle Angst in Sachen Reichweite ist mehr als berechtigt. Wer Elektrofahrzeuge fahren will (was er tun sollte, weil es lustig ist), achtet auf einen definierten Bereich: pendeln mit 50 km einfach. Endurieren mit Akkuwechsel-Zwischenstops. Sowas. Es gibt immer wieder Artikel, in denen Elektroenthusiasten es nicht schlimm finden, sich mit einem Tagesschnitt von 25 km/h oder weniger von Steckdose zu Steckdose quer durch die Republik zu betteln, aber ich möchte geistig normale Menschen davor warnen. Es macht keinen Spaß. Die ganze Geschichte bereite ich grad für Heise Autos auf.

Nissan Leaf auf der Edelweißspitze
Mit dem (voll geladenen) Nissan Leaf von Bruck aus die 30 km zur Edelweißspitze hochfahren. Behauptete Reichweite vorher: 194 km. Behauptete Reichweite nachher: 20 km. „Einfach Strom tanken“ kann man drüben am Gletscher — wenn man vier, fünf Stunden Zeit hat.

Kommentare:

ältere
  • Tobias meinte am 22. August 2012 um 9:15:

    Dem kann man allem nur zustimmen, allerdings sehe ich für Elektroautos grosses Potenzial als Zweitauto welches sich immer noch erstaunlich viele Leisten. Ich denke ein Auto mit grosser Reichweite und eines für die kurzen Wege würden sich sehr gut ergänzen und den zweit Q5 wohl ausreichend ersetzen.

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