Die Werblogosphäre

Vor ein paar Tagen habe ich darüber gelästert erläutert, warum sich mit Berichten in Auto-Weblogs nichts gegenüber der klassischen Motorjournallie ändert, außer dass es weniger Kritik geben wird. Jetzt gibt es ein wunderbar belegendes Fallbeispiel von Autofan Jens Stratmann. Er betreibt außer seiner persönlichen Website noch die schön gemachte Metaseite freude-am-erfahren.de, auf der er gerade eine Presseschau zum (schön gemachten) Mercedes CLS „Shooting Brake“ liefert. Dort listet er Lobeshymnen von Bloggern auf, gefolgt von den Lobeshymnen der Motorjournos. Ego-massierend Interessant finde ich hierbei, wie exemplarisch jede meiner Thesen bestätigt wird. Die recht positiven Berichte von Focus, Handelsblatt, Auto Bild und Co. werden getoppt von Prosa, die so auch (mit besserer Orthographie) in den Daimler-Kundenmagazinen stehen könnte, deshalb steht sie in Daimlers Online-Kundenmagazin. Zum Lob musste Daimler auch niemanden speziell auffordern, es reicht, das sage ich ja immer wieder, jemandem so ein Auto hinzustellen. Das muss gar nicht perfekt sein, es reicht vollkommen, wenn es gut genug, aber teuer ist.

Das Schreiber-Selbstverständnis bleibt dabei „Ich mache Meinung“, wie die Erklärung zeigt: „Hier werden Sie keine Pressemitteilungen finden, hier werden nur Unique-Content-Themen aufgegriffen, die aus der Freude beim Erfahren entstanden sind.“ Ich kenne genug Leute, die denken, sie seien über dergleichen erhaben. Sie liegen falsch. Ich habe mittlerweile genug Fälle gesehen, um behaupten zu können: Die Erhabenen liefern dasselbe Lob ab wie alle, wenn man ihnen das Zeug gibt. Es gibt da auch keine Ausnahmen. Nein, ich bin keine Ausnahme. Es ist ein menschlicher Mechanismus, einem Wohltäter wohlgesonnen zu sein. Wer sich als immun gegen freundliche Menschlichkeit ansieht, begibt sich in die wunderbare Welt des Selbstbetrugs. Von daher sollte man die Aktivitäten von Daimler & Co. von innen wohl eher so sehen: „Jemand schreibt uns kostenlos Kundenmagazine. Wie geil ist das denn? Da können wir auf Orthographie doch gepflegt scheißen.“

Der Grund, warum mich dieses Thema beschäftigt, liegt im aktuell üblichen Verhältnis von Herstellern zu Medien. Heute macht der Hersteller die meisten Fotos, die aufwendigsten Videoproduktionen, die coolsten Reportagen — alles Dinge, mit denen sich früher Verlage von der Konkurrenz abgesetzt haben. Ich habe zum Beispiel deshalb ein Video der BMW HP4 gemacht, weil ich eine fertige Videoproduktion auf BMWs Server gefunden habe, die ich nur noch schnibbeln und volllabern musste. Fast alle Fahrbilder von allen Fahrpräsentationen? Hersteller. Artikelideen? Immer mehr: Hersteller. Skoda lässt den Yeti touren. Land Rover muss ihre Experience Tours nicht bewerben, weil immer genug Medienleute mitfahren. Daimler fliegt den SLS auf die Panamericana, damit jeder den Straßennamen über seinen Test schreiben kann. Ich finde viele der Sachen, die die Hersteller produzieren, ziemlich gut. Umso trauriger sieht das (Wenige) aus, was die eigentlichen Medienfirmen noch selber stemmen. Klar kommen sie sich da nutzlos vor. Sie sind es ja. Das macht mich betroffen.

Die Situation liegt hauptsächlich daran, dass die Verlage keine Kohle haben oder die aus Zukunftsangst nicht ausgeben wollen. Es bliebe ihnen als Alleinstellung der kritische Kommentar. Der kostet zwar kein Geld, aber ein Mindestmaß an Mut, also wird er selten bleiben. Ihr als Leser solltet euch bewusst sein, dass die meisten Berichte mittlerweile direkt oder indirekt von den Herstellern finanziert und daher teilgestaltet werden, und Gegenstimmen wenig Raum kriegen. Ich würde zum Beispiel gern schreiben, dass die Husqvarna TR 650 als neue Verpackung für den ausgesucht schrecklichen BMW-F-Einzylinder-Stationärmotor wie goldener Sprühlack auf einem frischen Stück Scheiße ist. Aber ich trau mich nicht. „Es gibt ja eigentlich gar keine schlechten Fahrzeuge mehr“, sage ich da als Motorjourno lieber. Und als Blogger möchte ich noch hinzufügen: „Diese Husky, ne, die ist das Beste, was mir je passiiiert ist, sie ist so gut!; wie ich sie lieeeb! Vergesst den Rest der Welt, das Bike, das ist der Schie-hieet!“ Meine Meinung: Genau so isses.

Kommentare:

ältere
  • Alfred Lockinger meinte am 19. September 2012 um 13:10:

    der grad zwischen halbwegs realistischer kritik und einer verlogenen hure ist ein kleiner 🙂

  • Ben meinte am 19. September 2012 um 15:53:

    Fehlen in den Kommentaren noch (vorbe-)haltlos zustimmende Jubelrufe von Fanboys und wenige aus-prinzip-alles-kacke-finder-(Neider)-was-sie-nicht-selbst-fahren-durften.

    Denn darin spiegelt sich die Reichweite des Mediums und die Kauflust der Zielgruppe.

    In diesem Sinne… HURRA!

  • Jonas meinte am 20. September 2012 um 10:18:

    Schöner Text auch wenn mir der Teil über die Husky als F650GS-Fahrer* ein bisschen weh tut! Eier und Herzblut sind wichtig im Journalismus. Vielleicht bildet sich ja aus den von den Bloggern & eierlosen Journalisten arbeitslos gemachten Werbefuzzis ein böser Mob, der es sich zur Aufgabe macht die Pressetexte ihrer Ehemaligen Arbeitgeber kritisch zu hinterfragen und darüber zu berichten. Schreiben können die Jungs schließlich auch.

    *) Ja, ich fahre ne 650GS und lese Mojomag (Fastbike Abo hab ich auch), ich ziehe mir jetzt meine Warnweste an und gehe in die Ecke um mich zu schämen.

  • Clemens Gleich meinte am 20. September 2012 um 10:27:

    In die F 650 GS passt dieser Motor wenigstens, denn sie ist so für Alltag und Allround gemacht. Und: Der Motor hält und hält, egal, wie viel Vollgas er kriegt, deshalb sein Spitzname „Stationärmotor“. Irgendwie ist er auf Dauervolllast ausgelegt.

    Aber zum Punkt: Jonas! Es gibt hier keinen Fahrzeug-Faschismus. Es kommt mir auf die Position Deines Herzens an, nicht auf die Bauart Deines Motorrads. In diesem Sinne: Setz Dich. Nimm Dir ein Bier. Feel very welcome.

  • Abacus meinte am 20. September 2012 um 19:01:

    @Ben: Bin ich neidisch wenn ich lese das ein Blogger um die halbe Welt geflogen wird um einen 150.000 Euro teuren AMG mal gepflegt durchs kalifornische Hinterland zu prügeln und dann zur blauen Stunde bei einem guten Rotwein vom Entwicklungschef persönlich die Positionierung des Autos im Markt erklärt bekommt? – Ja verf… sch…, natürlich bin ich da neidisch. Als Durchschnittsmitteleuropäer der seine Autos vier Klassen tiefer kauft und im Autohaus noch nicht mal in so einem Gerät probesitzen darf bin ich da selbstverständlich grün und gelb vor Neid.

  • Clemens Gleich meinte am 20. September 2012 um 19:10:

    @Abacus: Auch ein Autoblog aufmachen und sich in Daimlers Liste eintragen lassen!

  • Jonas meinte am 22. September 2012 um 1:37:

    @Clemens: Danke fürs Bier. Das die Fahrzeug-Faschisten wo anders wohnen weiß ich ja, war eher eine inb4 haters Anmerkung. Den Motor der 650GS haben die Österreicher echt gut hinbekommen nur leider hat BMW da einen fetten Schweineeimer drum herum gebaut. Fahre sie jetzt seit 14tkm (insgesammt 44tkm) und habe schon ein neues Lenkkopflager und am WE ist die Vorderradbremse fest gegangen (beide Probleme sind in Foren häufig zu finden). Und ich hab in meinem Anfängerwahn echt gedacht die BMWler könnten es besser, weil se ja schließlich auch mehr Geld haben wollen. Der Fahrlehrer hat außerdem immer gesagt „auf so ner GS da ist die Schräglage noch besser weil wg. größerer Entfernung von Kopf zu Aufpunkt und so“, verdammter Fascho. Das du dir dafür als Rookie in die Hose scheißt hat er nicht gesagt. Die nächste wird irgendwas geiles, die gehen zwar auch kaputt aber waren vorher wenigstens geil und nicht nur Allroundnormalo.

  • AllgemeinerMensch meinte am 18. Oktober 2012 um 14:28:

    Auf meiner Suche nach einer lesbaren Motorradzeitschrift hab ich es letztens mal zwei Monate mit dem „Motorradfahrer“ versucht und fühlte mich prompt an deine Ausführungen hier erinnert.
    Es ging um die NC 700 Reihe von Honda, eine Entwicklung aus dem Jahr 2012, die von den Eckdaten her knapp mit meinem Wintermopped konkurrieren kann (eine15 Jahre alten MZ, die von einem 20 Jahre alten Yamaha Motor angetrieben wird). Leistung und Drehmoment sind bei vergleichbarem Hubraum auf gleichem Niveau, vom Gewicht her ist die Honda noch einige Zehn Kilo schlechter als die bereits als viel zu schwer geltende MZ. Einziges Kaufargument für die Honda sind irgendwelche nutzlosen Gimmicks, die den Bock am Ende nur noch 10 kg schwerer machen und ein schweine Geld in Anschaffung (und wohl möglich später auch in der Wartung) kosten. Was tut man, wenn man über so einen Bock trotzdem positiv berichten muss/will?
    Man lädt 2 Hände voll Leser zu einem Test ein, von denen mindestens eine Hand voll „gerade leider kein Motorrad“ oder „bald NC 700“ fährt und ergießt deren Dankbarkeit über ein nettes, kostenloses Wochenende auf viel zu viele Seiten Motorradzeitschrift. Am Ende muss dann ein langjähriger Moppedfahrer lesen, dass irgendwer, der seit Ewigkeiten überhaupt kein Motorrad mehr gefahren ist, sich nicht vorstellen kann, dass sich dieses geniale automatisierte Getriebe in Zukunft nicht durchsetzen würde. Da läge definitiv die Zukunft der Motorradkultur.
    …gut, dass ich Motorradzeitschriften auf dem Klo lese!

    Irgendwie schade drum. Ein zwei andere Artikel waren wirklich nett geschrieben, aber das geb ich mir nicht nochmal.

    • Clemens Gleich meinte am 19. Oktober 2012 um 10:19:

      Ich kann Deinen ungläubigen Frust schon verstehen, nur ist er in diesem Fall wahrscheinlich gar nicht gerechtfertigt, denn die Hondas sind wirklich sehr gute Motorräder. Das lässt sich an den mauen Eckdaten nicht festmachen, also fahr mal eine, wenn Du bei einem Honda-Freundlichen vorbeikommst. Die Meinung tät mich dann interessieren.

  • Allgemeinermensch meinte am 19. Oktober 2012 um 15:55:

    Gut möglich, dass Honda da gerade den Frust abbekommt, den eigentlich das Heft verdient hätte. Allerdings fällt dieses Motorrad so überhaupt nicht in mein Beuteschema, dass ich wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen dabei hätte, ein Motorrad Probe zu fahren, nur um es scheisse zu finden.

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