Gegenkultur jetzt: Die Achse der Guten

Dieser Tage bin ich mal wieder ein Jahr älter geworden. Das ist kein Grund zum Feiern, das schafft jeder, sogar Kurt Beck ist leider wieder ein Jahr älter geworden. Es ist allerdings ein guter Meilenstein, um zu reflektieren, weil man ja an Sylvester meistens zu alkoholgeschädigt, zu familiengeschädigt ist. 2010 war für mich ein gutes Jahr, ein Grund, mich selbst schick zum Essen einzuladen. Das Motto „arbeite nicht mit Idioten zusammen“ bleibt auch 2011 die wichtigste Maxime für professionelles Arbeiten. Nach der ersten Flasche Wein, beim Grappa, bei einer Neuinterpretation des klassischen Bourbon Highball, die ich testfahren durfte, bei bezaubernder Begleitung fiel mir außerdem ein, dass kaum jemand meine eigentlichen Ziele kennt (bis auf das mit den russischen Atomabschussrampen, das kennt ja jeder): Mein Ziel für die nächste Zeit ist es, die gewichtigste öffentliche Gegenstimme zu den ganzen politisch korrekten Miesmachern nicht nur der Motorkultur zu werden.

Ich weiß, dass ich kein Mainstream bin, und dass ich, obwohl ich es gern wäre, nicht wirklich in der Lage oder schlicht willens bin, mich dergestalt zu filtern, dass ich dort schwimmen könnte. Nein, soll der politisch korrekte Mainstream weiter über CO2 reden, als wäre das wichtig. Soll er sich über immer noch mehr Gesetze freuen, als würden die irgendwas besser machen. Soll er sich in weichgewaschenen, schönen Worten über Dinge äußern, über die jeder weiß, dass sie in Wahrheit scheiße sind. Ich möchte zeigen, dass es immer eine Alternative gibt, dass die Welt wild und schön und voller Abenteuer bleibt — für alle, die das so wollen. Und ich mache das nicht allein.

An meinem Geburtstag habe ich meine alte Mille verkauft. An Mr. Constantine, weil der sie wieder fahren wird. Mr. Constantine hat mir den Reitwagen mitgebracht, den mit Herrn Berzerks klugen Äußerungen zum Thema ABS wegen EU. Das sind gute Jungs dort. Am selben Abend habe ich in alten MO-Heften geblättert, habe eines davon ausgleichend nach Ösistan verschenkt (Salzburg). Darin waren Abenteuer, bei denen ziemlich viel gebrannt hat: Sprit, Autos, LKW, Herzen… Außerdem: Diese Szene, die derzeit prominent im Heft stattfindet, gibt es entgegen der Unkenrufe wirklich. Ich kenne sie sogar: Normale Jungs, die sich günstige Maschinen gebraucht kaufen und sie für sich kreativ in Form biegen. Normale Jungs und gute Jungs. Das alte Geraffel ab den Achtzigern war einfach gut genug, um Spaß zu haben, und ein Trend, der billig Motorrad fahren feiert, ist mir mehr als recht.

Und die Jugend, immer die Jugend! Es kommen einige Änderungen des EU-Führerscheinrechts, zum Beispiel fällt die bescheuerte 80-km/h-Grenze für 125er weg. Davon erhoffen sich die Hersteller einige neue Kunden von unten. Siehe hierzu auch das sehr aufschlussreiche Interview von Hondas Roland Berger gegenüber dem Reitwagen. Die ständige Verwendung von „die Jugend“ macht allerdings auch klar, was die nächste Generation für uns ist: ein amorpher Haufen Aufmüpfiger, die alles falsch machen, weil alles falsch ist, was anders ist als das, was wir damals alles falsch gemacht haben. Nein, „die Jugend“ gibt es nicht. Es gibt jedoch zum Beispiel Toby, der mir bei der KTM 125 Duke hilft. Und es gibt Jesko Raffin, der mit Baujahr 1996 schon jetzt geradezu obszön gut Motorrad fährt. Das sind auch gute Jungs, da in dieser „Jugend“. Die Fastbike wird Jesko in der kommenden Saison im R6-Cup begleiten, den er unter den besten Drei beenden will — gescheite Ziele eben. Egal, ob beim Rennen das Getriebe seine Räder durch die Gegend spuckt oder der Bub seine Gegner versammelt einbetoniert: Wir erzählen die Geschichte, wie sie passiert.

Wie gesagt: Ich bin nicht allein. Ich bin wir. Und wir sind die Guten.

Ich rufe alle Superhelden, alle großen Meister,
alle Highlander, alle Krieger, alle guten Geister,
alle Superfreaks und Auserwählten zu mir ins Hier.
Ich hab‘ Millionen Legionen hinter mir.

Kommentare:

ältere
  • Willi Bremer meinte am 8. Februar 2011 um 23:38:

    Clemens, zum älter werden hast Du die falsche Messlatte angelegt. Nicht nur der uralte Spruch Carpe Diem mahnt dazu, auch der aktuelle Auftritt von Frau Lierhaus verdeutlicht jedem der es sehen will, dass sich der körperliche Verfall in einer sehr unangenehmen Art und Weise vom Zustand des Geistes abspalten kann. Die Messlatte ist eher die Woche denn das Jahr.
    Weiterhin bist Du in der Situation deine Direktive nicht mit Idioten zusammen zu arbeiten auch durchhalten zu können. Das liegt an deinem winzigen Rucksack, den Du tragen musst.
    Der Rucksack vieler Gleichdenkenden ist um ein vielfaches Größer und demnach auch die Kompromissbereitschaft mit Idioten zusammen zu arbeiten, die Epochen nach Dir den Arbeitsvertrag in der Firma unterschrieben haben und Du es Dir nicht im Traum hättest einfallen lassen dass genau diese Firma sich zum Saftladen entwickelt!
    Mit Blick auf die alte Mille gab es mal die Tradition altgedientes Gerät ein Gnadenbrot zu gewähren. Der verschrammte Bock in der Garage ist eben wesentlich emotionaler als die vergilbten Erinnerungsfoto`s von der Karre .
    „Die“ Jugend interessiert mich nicht, es reicht mir vollkommen die eigenen Kinder bei entsprechendem Talent lebend über das erste Jahr mit 48 PS zu bringen.Ich bin da aber sehr optimistisch.

    Weiterhin hatte ich nie das Bedürfnis ein preisgünstiges Motorrad zu erstehen nur um es individuell auf Links zu ziehen. Es gibt ausreichend exklusive Motorräder zu einem kleinem Kurs, die auch ohne Kernsanierung ihren Dienst auf den Strassen der Welt zufriedenstellend erledigen.

    Meiner Meinung nach gibt es schon viel zu viele Menschen, die Ihre Zeit damit verbringen Ihr Moped in einen Zustand zu bringen der von wenigen Gleichdenkenden als Geil bezeichnet wird, anstatt mit einem Motorrad nach Gusto an einen Ort nach eigener Wahl zu reisen, wo es Geil ist.
    Und wenn wir Alten alles gut gemacht haben mit der Weitergabe von Emotionen, dann wird dieser Ort nicht die angesagteste Eisdiele am Ort sein.

  • Clemens Gleich meinte am 8. Februar 2011 um 23:57:

    Du vergisst vielleicht, dass auch ich als Angestellter gearbeitet habe, und dass zu meiner Maxime mit den Idioten gehört, selbst zu gehen, den Idioten oder idiotischen Umständen aus dem Weg zu gehen. Viele sagen mir, ich hätte Glück. Das ist jedoch nicht ganz korrekt. Ich habe zunächst mal Eier — den Mut, vorhandene Sicherheiten hinzuschmeißen und dem Glück überhaupt eine Chance zu geben.

    Wohin gehen Deine Reisen? Sag mal Bescheid, ich suche für das beginnende Jahr nämlich noch Serviervorschläge für Abenteuer auf dem Motorrad.

    PS: Der Mille geht es hervorragend. Sie kriegt eine neue Gabel, einen neuen Motor, eine neue Schwinge und eine neue Verkleidung. Und dann geht‘s wieder auf die Rennstrecke. Das war schlussendlich der Grund, warum ich sie dem Konstantin verkauft habe. Nichts ist deprimierender als ein Motorrad, das rumsteht. Fahrzeuge müssen fahren.

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