Hintergrund: Wie Werbung die Medien beeinflusst

Offenbar ist für den Kioskkunden das Mediengeschäft eine schwarze Kunst voller geheimer Rituale. Er stellt sich vielleicht vor, es gibt perverse Initiationen, bei denen engschlitzige Japanerinnen mit Ziegenblut oder HP Sauce eingeschmiert und vom Teufel persönlich bestiegen werden, nur um danach von ihm zu erfahren, wie der Texteditor funktioniert. Anders kann ich mir den Unglauben kaum erklären, der mir bei Erzählungen über meine Brongsche entgegenschlägt („… das wusste ich nicht.“). Deshalb möchte ich vor der Diskussion über „wie Werbung in Medien und konkret Fahrzeugmedien funktioniert“ sagen, dass die Infos hier keine unheiligen Exzerpte aus dem verbotenen Nekronomitelekomnikon sind, sondern öffentlich zugängliches Wissen. Jeder, der sich aktiv für Medien interessiert, weiß das. Normalerweise weiß er noch einiges mehr, aber wir wollen die ekligen Sachen einfach weglassen, weil das Thema eh ausreichend emotionalisieren wird, und bereiten das Thema stattdessen nüchtern auf für alle, die sich über manche Dinge wundern, für die es die Erklärung „Werbung“ gibt, für die Leser also. Beginnen wir mit Geld.

Die klassische Einnahmenverteilung

Am Kiosk sieht die traditionelle Transaktion so aus: Der Käufer bezahlt den Brutto-Ladenpreis. Es sei ihm daher nachgesehen, dass er denkt, dieses Geld finanziere das von ihm derart unterstützte Heft. Im klassischen Finanzierungsmodell ist dem jedoch nicht so. Der Kiosk-Umsatz bezahlt hier die Papier- und Distributionskosten, bei extremen Niedrigpreisheften nichteinmal die: oft mehr als doppelt so viel Papier, wie der Kunde in Händen hält, mehr als drei mal so viel Transportkosten plus etwas Overhead. Das eigentliche Heft, also alle Produktionskosten (Alkohol, Benzin, Koks …), alle Mitarbeitergehälter, die Miete, das muss im traditionellen Modell aus der Werbung kommen — am besten auch etwas Gewinn, denn ohne Rücklagenbildung läuft ein Medienobjekt nicht langfristig stabil.

Der Leser ist hierbei die quantitative und qualitative Maßzahl dafür, was die Werbung kosten darf. Schaut euch einfach mal die Mediadaten an, die es bei vielen Objekten zum Download auf der Website gibt. Diesen Broschüren zufolge ist jeder Leser James Bond: reich, konsumfreudig, stilvoll, lebensgierig. Ihnen zufolge wird auch jedes Heft stets von mindestens 2,5 Menschen gelesen. Diese Daten sind Eigenerhebungen aus Leserumfragen. Sind Sie wie James Bond? Ja, schon. Und meine 1,5 Frauen auch. Nach Erhebung werden die Zahlen üblicherweise noch bisi geschönt. Das wissen Werbetreibende, und deshalb gibt es die IVW, die „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“. Dieser nichtkommerzielle Verein versucht, möglichst realistisch die Verbreitung eines Mediums zu messen, um Werbekunden eine bessere Entscheidungsgrundlage zu geben.

Die Teilnahme bei der IVW ist für ein Medienobjekt freiwillig. Üblicherweise tritt man bei, wenn sich das Objekt über einige Zeit etabliert hat. Üblicherweise tritt man wieder aus, wenn einem die Zahlen peinlich werden, denn IVW-Zahlen sind öffentlich. Das ist dann die auflagentechnische Bankrotterklärung. Wen die IVW mehrfach beim Schummeln erwischt, den wirft sie hinaus. Die IVW erwischt allerdings natürlich längst nicht jeden. Beispiele für aktuelle Zahlen: Die Motorrad verkauft alle zwei Wochen laut IVW 108.637 Einheiten, davon 54.306 im Abo. Das sieht gesund aus, ein derart hoher Abo-Anteil ist jedoch im Freizeitfahrzeug-Bereich unüblich und damit das Ziel für Verdächtigungen der Mitbewerber. Die Motorrad hat viele alte Abos, die sie jedem Fahrlehrer, jeder Motorradwerkstatt zugestanden hat. Mitbewerberkritik: Das sind ja nicht alles Leser, nur weil da Hefte hingehen. Für dich als Leser daher: Bei (Freizeit-)Fahrzeugzeitschriften ist eine gute interne Vergleichs-Messlatte für Publikumserfolg der reine Kioskverkauf (verkaufte Ausgabe minus Abozahlen). Hierbei beachten: Die Motorrad verkauft zweimal im Monat ihre Auflage.

Noch klarer sind die Beispiele PS und „sport auto„: Beide lassen sich vom DSK ein paar Heftseiten verschandeln, weil der DSK jedem Mitglied eine der beiden Zeitungen in den Briefkasten stopft — gut für die Zahlen. Nun ist der DSK genauso langweilig wie seine Website, und das Einzige, was DSK-Mitglieder mit den wunderbaren Wheelies in PS anfangen können, ist wahrscheinlich, sich furchtbar darüber aufzuregen und furchtbar langweilige Leserbriefe zu verfassen. Die meisten werden die Zeitschriften gar nicht lesen, sondern sie kopfschüttelnd tsk-tsk-tskend in den Papiermüll entsorgen. Ich stelle mir vor, DSKler kommen heim und schalten sich dort ab, bis sie wieder arbeiten gehen. Die über 13.000 Mitglieder erhalten ein Abo der Sporcht Auto (aktuell 21.880 Gesamtabos von 43.456 verkauften Heften insgesamt) oder der PS (13.636 Gesamtabos von 42.258 verkauften Heften insgesamt). Do the math.

Die IVW ist übrigens der Grund, warum selbst die Zeit im Internet Klickstrecken und mehrfach unterteilte Artikel hat: Die Werbungs-Währung im Internet heißt nämlich immer noch: Seitenaufrufe. Jeder Klick zählt! Macht mehr Bilderstrecken! Eine Alternative zu all diesem (erlaubten) quantitativen Tuning ist es, bei weniger Lesern trotzdem mehr Geld zu verlangen, weil das Endprodukt im Neusprech „wertig“ ist, es also nur James Bonds lesen, die täglich eine Ölbohrinsel erwerben. Eine GQ (Gay Quarterly) ist einfach eine ganz andere Plattform als eine Auto Bild. GQ-Leser kaufen sich Kleidung, um gelegentlich gepflegt anders aussehen zu können. Auto-Bild-Leser lassen sich Kleidung von Mutti kaufen, damit der Piller nicht raushängt. Im Motorradbereich versucht die MO das mit Qualität statt Quantität: nur noch 27.391 virtuelle Bonds kauften das Heft (inkl. 4.935 Abos), aber die sind laut Prospekt im Vergleich zum Proletariat anderswo einfach bessere Menschen (bedeutet im Werbekontext: reichere Menschen). Aus meiner Zeit als Leserbriefonkel im Vergleich zu anderen Leserbriefonkeln kann ich zumindest sagen, dass sie bessere, gebildetere, leserlichere Leserbriefe als der Branchenschnitt schrieben. Ein anderes, mehr in Alpenrichtung platziertes Beispiel ist der Tourenfahrer (35.796 verkaufte Hefte mit 13.583 Abos drin), denn der typische deutsche Tourenfahrer ist heute jemand, der sich finanziell bereits fertig sortiert hat.

Zusammenfassung:
Der Werbekunde schaut, wie viele Hefte an wie gute Menschen verkauft werden und wie das Heft generell zu seinem Produkt passt. Dann entscheidet er, ob sich der Werbepreis für ihn lohnt. Das Medienobjekt hat die Plattform, die Zielgruppe, die Reichweite, um das attraktiv zu machen und finanziert mit dem indirekten Verkauf dieser Aktivposten die eigentliche Produktion des Hefts. Der Leser finanziert mit dem Kioskgeld das papierene Überträgermedium „Presseverteiler“. Im Internet ist das Überträgermedium viel billiger, deshalb finanzieren sich Medienobjekte dort (wie Ralf richtig sagt) ausschließlich über Werbung. Jedenfalls: Gut ausgependelt ergibt sich eine gesunde symbiotische win-win-win-Situation. Da die Medienbranche derzeit im Umbruchsfieber liegt, ist diese früher fast ausschließlich zu findende Konfiguration mittlerweile nahezu ausgestorben, beziehungsweise bis zur Unkenntlichkeit mutiert.

Wer soll das bezaaah-länn?

Es wäre schön, wenn überall so heile Welt wäre wie bei der Landlust. Nein, ich rede nicht vom Inhalt, sondern von der Funktion: Ein selbstbewusstes Heft findet ein starkes Publikum (kürzlich haben sie die Millionengrenze durchbrochen), sodass sich damit identifizierende Werbekunden von sich aus melden, um eine Anzeige zu erwerben. Werbungen, die das Heft schlechter aussehen lassen, lehnt die Landlust ab. Ein anderes Beispiel ist die Fastbike. Sie hat zwar wenige Leser (sorry, habe keine Zahlen, das Heft ist noch nicht bei der IVW), aber die Zielgruppe ist extrem genau definiert. Jeder, der irgendwas mit Racing verkaufen will, trifft hier zu rund 100 Prozent sein Publikum. Wenn ich einen Racing-Kabelbaum zu bewerben hätte, würde ich das auch lieber da tun, weil ich in der PS nicht verstehen würde, warum ein Vergleich von Einsteiger-Fahrschulmotorrädern drin ist. Diese Naked-Bike-Newbies kaufen doch meinen Kabelbaum eh nicht!

Solche Einzelfälle sind aber vor allem im Fahrzeugbereich, vor allem bei den Motorrädern ebendas: Einzelfälle. Meistens ist (einfach mal drauf achten) dieser Tage sehr wenig bezahlte Werbung drin (wird auf den Umschlagseiten dann durch Eigenwerbung ersetzt). Wenn die Einnahmen aus der Werbung zu gering werden, muss der Copy-Preis das Heft finanzieren. Deshalb sah man in letzter Zeit einige teurere Hefte. Zur Erinnerung aber noch: Hefte, die bei geringer Auflage allein vom Copy-Preis leben, kosten meistens 10 bis 30 Euro pro Stück. Weniger heißt, dass Werbung einen Teil des lebensnotwendigen Umsatzes nach Distributionskostenabzug ausmacht, üblicherweise mehr als 50 Prozent. Andere Modelle etablieren ist schwierig, denn allzu hohe Preise verstehen die Kioskkunden nicht, die wurden in einer Zeit sozialisiert, in der fünf Mark für ein Magazin Wucher war. Folglich ist so ein Versuch fast immer mit Verkaufseinbrüchen verbunden und kann sich zum Abstrudeln in die Bedeutungslosigkeit auswachsen.

Damit sind wir in einem ernstzunehmenden Problemvortex: Preise erhöhen ist schwierig. Werbung wird weniger. Leser aber auch. Der Magazinmarkt ist in der Krise. Der Werbemarkt ist in seiner eigenen Krise. Motorräder haben sich vor wenigen Jahren europaweit noch doppelt so gut verkauft. Diese Krisen treffen sich am traditionellen Finanzierungsmodell. Deshalb kann sich der geneigte Leser die Situation vieler Fachmagazinmärkte (sind ja nicht nur Motorradhefte betroffen) wie in einem afrikanischen Tümpel vorstellen, der in der aktuellen Trockenzeit immer weiter verdampft, kleiner wird. Eine mögliche Überlebensstrategie ist sich eingraben, sehr konservativ sein und derart bewahrend auf bessere Zeiten warten. Was ich in den letzten MOs, die ich gelesen habe, gesehen habe, deutet auf eine solche Strategie hin: zehn schöne Umbauten, im Stand fotografiert, ein nüchterner ausführlicher Test und am Ende noch ein Umbau. Als Schraubenschlüsselhersteller würde ich dort werben wollen. Als Treibstoffverkäufer eher weniger. Dieselbe Richtung zeigt das aktuelle, konservative Motto der Motorpresse: „Nutzwert verkauft stabil.“

Stabil heißt jedoch im konkreten Fall: stabil sinkend. Der Teich trocknet recht langsam aus, es ist aber keine Regenwolke in Sicht. Man kann versuchen, amphibisch neue Lebensräume zu erschließen (siehe MOs Ohrig), das klappt aber selten (siehe MOs Ohrig). Deshalb rückt man zwangsläufig enger zusammen, denn die Hersteller sitzen ja mit im Boot, äh: Tümpel. Ich habe schon mehrere interessierte Markenfans getroffen, die ihren Herstellervertreter gefragt haben, warum er derart langweilige Werbungen schaltet. Der Seitenpreis ist doch derselbe. Die Antwort: „Wir schalten keine Werbung, sondern wir finanzieren Motorradpublikationen, damit sie über uns berichten.“ Ich möchte an den Teufel am Anfang erinnern. Das ist kein okkultes Geheimnis. Das sagen einige der größten Hersteller am deutschen Markt öffentlich ihren Kunden, ihren Fans. Es ist derzeit weit verbreitete Realität. Früher haben Hersteller auffällige Anzeigen geschaltet, wenn sie gerade nicht im Heft waren, aus Neuigkeitsmangel zum Beispiel: „Schau her! Die Fireblade! Weil du sonst nur Schrott mit S im Heft anschauen musst!“ Heute schalten die Hersteller, wenn sie im Heft sind (und nur dann): „Man kann bei uns finanzieren. Glaube ich. Meh. Lies doch einfach den Artikel.“ Et vice versa: Wer kein Werbegeld bezahlt, findet auch nicht statt im Heft.

Beide Parteien könnten im Prinzip einfach auf die Anzeigen verzichten und teures Papier für coole Stories freimachen, sie könnten einfach so sagen: Berichterstattung kostet Geld, fertig. Das stößt dem klassischen Verlagsmann auf, denn er glaubt tief im Herzen noch an die echte Werbung. Doch der Zeit angepasste Finanzierungsmodelle haben sich längst etabliert: „Advertorials“, genauso wie die berüchtigte „Produktionskostenbeihilfe“ sind mittlerweile akzeptierte Mechanismen mancher Publikationen im Autobereich: „Gib mir Geld, Mercedes, dann mache ich dieses affengeile Feature mit deinem Auto statt mit dem von BMW!“

Beispiele für Lösungsansätze

Erstens kann man natürlich breitbeinig diesen Gegebenheiten entgegenstürmen und mehr einen Prospekt denn ein Magazin machen: Ja! Wir machen nur Geschichten, für die Protagonisten geblecht haben! Kommt damit klar! Die Ramp ist ein Beispiel hierfür. Kalorien gibt es dort keine, aber die Präsentation ist wunderbar (Texte besser nicht lesen, Bilder anschauen). Zweitens kann man natürlich einen hohen Copy-Preis ansetzen. Die Ramp ist ein Beispiel auch hierfür: 15 Euro. Drittens kann man mit digitalen Medien experimentieren. Hierzu sei gesagt, dass weder die Motorpresse (*hu-App-st*) noch der berühmte Ich hier zu richtig guten Ergebnissen gelangt sind, und dass es weiterhin nur ein Patentrezept gibt: Wie Bloor bei Triumph nachlegen, nachlegen, nachlegen, bis der Laden schließlich Drehzahl aufnimmt und Geld verdient (wie gesagt: ausschließlich mit Werbung). Passender Energy Drink dazu: RelentlessHeise Autos und das neu aufgezogene Portal Bikerszene.de sind Beispiele für so einen schnittchenweisen Aufbau. Dieser Aufbau ist allerdings eine ungemein langatmige, zähe, undankbare Arbeit, die Unmengen an Ressourcen verschlingt und folglich für die meisten Verlage (mangels übereifriger Netzarbeiter) ungeeignet ist.

Was wir daher in der Breite sehen, ist ein Arrangieren. Wenn etwas scheiße ist, kann man sich ja durchaus die Frage stellen, ob man es überhaupt im Heft braucht. Meistens kriegt man doch eh für Kritik nicht nur von den Herstellern, sondern vor allem von Käufern (Stockholm-Syndrom) Maule dafür, das lohnt sich doch wirklich nicht. Wer heute ein Fahrzeug verreißt, erntet den ersten Sturm von denen, die sich das Modell schon gekauft haben oder kaufen wollen, weil er ihre Kaufentscheidung und damit indirekt ihr Weltbild in Frage stellt. Dank kann man dafür nicht erwarten. Vorteil des Weglassens: Man hat keine scheißigen Sachen im Heft oder im Büro. Ich fahre für mich allein zum Beispiel nur Sachen, die ich gut finde: gute Kleidung, gute Navis, gute Helme, Handschuhe, und so weiter. Warum sollte ich mir eine Harlay antun? Die ist doch eh scheiße. Nachteil: Der klassische Verriss ist ausgestorben, weil er regelrecht schädigend wirkt. Der Reitwagen ist ein gut nachvollziehbares Beispiel für einen Scheißevermeider. Es finden praktisch nur Dinge statt, die sie „leiwand“ finden, keine, die „oarsch“ sind.

Natürlich gibt es auch Grenzen des Arrangierens. Wenn ein Hersteller von Scheiße Geld zahlt, dann ist er auch am Redakteur als Bekleidung zu finden, um mal ein Beispiel zu nennen, und er kriegt eine dieser komischen Auszeichnungsplaketten, mit der er (manchmal im selben Heft) weitere Werbung machen kann. Kennt eigentlich jemand „Human Centipede„? Ich auch nicht, fiel mir aber aus irgendeinem Grund grad ein. Egal.

Ein anderes Opfer des Arrangierens ist der News-Bereich. Er enthält heute üblicherweise wenig bis gar keine News mehr, sondern Zubehörhersteller dürfen dort ihre Produkte vorstellen. Das kann ja durchaus interessant sein. Mir persönlich gefällt es besser auf eigenen Seiten, wie es in Top Gear oder dem Playboy gelöst ist. Als ich mal bei MO den News-Bereich einer Ausgabe gemacht habe, habe ich daher eine schön gestaltete Doppelseite nur mit Produkten hinter den eigentlichen News-Teil gelegt und „KAUF MICH!“ drübergeschrieben (ohne „DU SAU!!“). Ausgabe hab ich leider vergessen, erinnert mich gerne.

Schlussfolgerungen für die Leser-Praxis

Die Rahmenumstände, die zur aktuellen Lage führten, werden auf absehbare Zeit nicht weggehen, sondern stärker wirken. Man sollte das als Leser wissen, um das Beste aus seinen Medien zu holen.

  • Lies mehr zur Unterhaltung, zur Untermalung deines Hobbys denn zur Informationsfindung. Zu der gibt es mittlerweile meistens bessere Möglichkeiten: „Vergiss den Test in $ZEITSCHRIFT, wir sind die Experten!“, formulierte es mal jemand im Navi-Forum.
  • Halt die Ohren in der Boxengasse offen, um Dinge wie „Motorschadenhäufigkeit BMW S 1000 RR“ zu erfahren, solche undankbaren Recherchen lohnen sich für Medienfirmen nicht.
  • Achte in den klassischen Medien mehr auf Meinungen, denn eine Meinung eines langjährigen, vielfach er-fahrenen Motorredakteurs ist die eigentliche Info.
  • Aus diesem Grund sind Empfehlungen von Zubehör auch weiterhin im Regelfall sehr brauchbar („Die besten Hosen, empfohlen von Horst Motorpresseredakteur“), wohingegen normale Zubehörvergleiche mit Vorsicht zu genießen sind („Zehn aktuelle Scheißsachen im Vergleich“).
  • Vergiss diese Plaketten, das sind interne Metainformationen für Brancheninsider ohne belastbaren Bezug zur Produktqualität.
  • Praktisch alle deutschen Medienobjekte zensieren sich stärker als nötig selbst. Also gib nicht BMW & Co. die Schuld, wenn jemand dir entscheidende Infos vorenthält („Benellis brennen übrigens gern“), sondern beschwer‘ dich beim Heft. Behaupte in deinem Schreiben, die Redaktion wüsste alles genau, der Sauhaufen. Meistens stimmt das.
  • Wenn dein Lieblingshersteller trotz Nachrichtenwert über viele Ausgaben nicht oder verdächtig flach im Heft auftaucht, möchte er vielleicht an dieses Heft aktuell nichts zahlen (Budgets sind begrenzt, die Anfragen von Zeitschriften nicht). Da hilft kein Leserbrief, lies zwischenzeitlich ein anderes Heft. Meistens renkt sich das nach einigen Monaten bis Jahren wieder ein. Oder der Lieblingshersteller geht pleite. Oder das Heft geht pleite, weil du es nimmer liest, du alter Egoist.
  • Eine gute Fundstelle für Hardcore-Infos zur Zuverlässigkeit ist der immer noch erfrischend ehrliche Dauertest der Motorrad — lesen.
  • Tests aller Art taugen nur, dich heiß auf etwas zu machen — selbst das schaffen ja nur die guten. Jeder außer den Blindkäufern (hallo Streetfighter– und Panigale-Fans!) fährt daher zur Entscheidungsfindung immer selber ausführlich Probe.
  • Die mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen im jeweiligen Markenforum eruieren. Das Fachwissen von Motorjournos geht in die Breite. Sie kennen viele Fahrzeuge, die meisten aber nur flüchtig. Das heißt, dass sie nur von den wenigsten Alltags- oder Dauerhaltbarkeitsproblemen wissen.
  • Fahrempfehlungen empathischer Händler („fahr mal die neue KTM 990 SMT, die wird dir taugen“) sind Testergebnissen stets vorzuziehen.
  • Gebraucht-Fahrzeug-Beratungs-Artikel sind praktisch frei von finanziellen Einflüssen und zeigen daher im Regelfall das Beste, was eine Publikation in Sachen Test zu leisten in der Lage ist — lesen.
  • Achte darauf, was Redakteure selber von ihrem eigenen Geld kaufen oder ihren echten Freunden empfehlen (Triumph) und was trotz schriftlicher Begeisterung nicht (Aprilia).
  • Online-Medien finanzieren sich fast alle rein über Werbung. Das Gesagte gilt daher für sie genauso bis verstärkt.
  • Und schließlich: Wir in dieser Branche sind keine bösen Menschen, wie ein Leser den Verdacht vieler aussprach. Wir versuchen, jeder auf seine Art, aus einer interessanten Zeit das Beste zu machen. Habt Geduld mit uns, und lasst Nachsicht walten.

Ergänzungen gerne. Wenn du jetzt hier am Ende stehst und nimmer weißt, wofür du deine fünf Euro zum bestmöglichen Erkenntnisgewinn ausgeben sollst: Kauf Sprit und fahr.

Weiterbildung: Frank Rieger und Felix von Leitner interviewen M. O. C. Döpfner vom Axel-Springer-Verlag — unter Anderem auch zum Thema Werbung.

Hier der Podcast, perfekt fürs Autoradio

 

Kommentare:

ältere
  • Alexander meinte am 30. Juni 2012 um 11:34:

    Das mit dem nicht mehr stattfinden Verriss ist eine Sache, die ich sehr schade finde. Richtig vom Leder ziehen und den Eimer hinterher abfackeln, das wären Qualitäten, die mich als Leser ansprechen würden. (Auch gerne, wenn es Marken/Produkte trifft, die ich gut finde! Polarisieren ist imho immer besser, als bei „Joa, ist ganz nett.“ rumzuschwuchteln.) Immer nur Friede, Freude, Eierkuchen hält doch auf Dauer niemand aus.

  • Ben meinte am 30. Juni 2012 um 14:35:

    Sollte ich mein MO-Abo also kündigen und als werbewirksam verwertbarer Kioskkunde auftreten, damit das Heft an Budget und somit hoffentlich an Wahnwitz wieder zulegt?
    Bei der PS, die ich mir ab und an hole scheints ja zu funktionieren… oder bin ich da nun zu ICH-bezogen?

    Hmpf. Ich les den Kram ja eh nur zur Unterhaltung und ab und an für die eine oder andere Träumerei. Mehr als meinen alten Hobel kann ich mir derzeit eh nicht leisten. Ach ja, zum Thema Verriss: Was sich heute teils LEITARTIKEL oder auch KOLUMNE nennt ist größtenteils ein Witz. Dabei bin ich als Leser doch geneigt gerade in diesen „rein redaktionellen Teilen“ wahre Inspiration, Meinung, Provokation zu ‚relevanten‘ Dingen zu suchen… vergeblich.

    Gruß Ben

  • Wir schal­ten keine Wer­bung -wir finan­zie­ren Motor­rad­pu­bli­ka­tio­nen | Motopoly meinte am 30. Juni 2012 um 18:04:

    […] Artikel ist überaus amüsant und lebendig geschrieben. Und mit überaus amüsant und lebendig meine ich, […]

  • Alfred Lockinger meinte am 30. Juni 2012 um 18:12:

    jooooo —-> PUNKT ! sasd ichda einmal…..
    sicher die wahrheit und der große teil war mir auch bekannt und bewusst. wie so oft ein göttlich ehrlicher und geradliniger artikel.
    ich vermisse allerdings was du über das verhältnis Inet zu Zeitschrift im direkten Vergleich denkst und ob diverse mögliche Werbekunden wirklich noch im Mittelalter leben oder eventuell die nächsten 100 jahre den anschluss an die aktuelle zeit packen werden oder nicht. ich vermisse auch die relation der werbekosten in magazinen und zum verlgich im net in geggenüberstellung der werbewirksamkeit.

    nicht das ich dich damit kritisieren wollte, ganz im gegenteil – du bist der einzige schreiberling dessen meinung mich zu diesem thema wirklich interessiert und die auch gerne hören würde.

    mit besten grüßen

    alfred(der werbende noch immer nach passenden produkten und pers. sympatie anpaggert )

    • Clemens Gleich meinte am 2. Juli 2012 um 8:50:

      Alfred, die Werbeindustrie hat wirklich ihre eigene Krise. Das schließt Online-Werbung ein. Wenn jetzt sogar Heise mit Klickstrecken anfängt, kannst Dir ja ein Bild vom Ausmaß machen.

      Der Grund, warum Print bevorzugt wird, liegt an Gewohnheit, nicht Logik. „Ja, aber können wir trotzdem auch ins Print-Heft?“, fragte mich jemand mehrfach, obwohl ich ihm (ebenfalls mehrfach) erklärte, dass Online ein Vielfaches an Reichweite habe.

      Gute Frage zum selber stellen: Wenn Du jetzt heute ein (konkretes!) Produkt zu bewerben hättest, wo würdest Du das tun? Ehrliche Antworten landen verräterisch oft beim „klassisch? nirgends“.

  • Sven Rockmann meinte am 1. Juli 2012 um 16:05:

    Danke Mr. Mojo.

  • Ralf Zimmermann meinte am 2. Juli 2012 um 11:08:

    Clemens!

    Klasse wie du so ein „trockenes“ Thema rüberbringst. Ich bin ein echter Fan deiner Schreibe!
    Meinst du bei den Auflagen, die gedruckte Auflage, oder die wirklich über die Verkaufstheke gewanderten Exemplare? Wäre interessant zu wissen, wie hoch der zurück geschickte und letzendlich geschredderte Anteil einer Zeitschrift ist (Abonennten mal außen vor).

  • Maik Mjoellnir meinte am 2. Juli 2012 um 16:54:

    Hi Clemens,

    zum Stichwort „Zehn aktu­elle Scheiß­sa­chen im Vergleich“ fällt mir der „Leder-Einteiler-unter-800EUR-Test“ aus einem der letzten PS-Hefte ein. Das generell vernichtende Urteil der PS-Redaktion fand ich doch sehr bemerkenswert, weil sehr werbekundenunfreundlich. Allerdings verstehe ich wiederum nicht, weshalb sie überhaupt einen solchen Schwachsinnstest anzetteln. Ich behaupte mal, jeder, der länger als 2 Sekunden über die Materie nachdenkt, kommt von selbst drauf, dass Lederkombis unter 800 EUR niemals etwas taugen können, weil wenn sie das doch täten, könnte der Hersteller sie für weit über 800 EUR anbieten, oder?

  • Andreas Illg meinte am 5. Juli 2012 um 18:33:

    Hallo Clemens,

    ziemlich viel Text für nicht mal Halbwissen. Vermute die ganzen „guten“ Sachen die du ausschließlich benutzt, hast du gegen echtes Geld gekauft, genauso wie die vielen Testmotorräder (und sowieso die Testwagen) die du so gerne bewegst. Auch als Blogger und freier Autor sollte man besser dran denken: Wer im Glashaus sitzt, wirft nicht mit Steinen!

    Grüße von deinem ehemaligen Chef

  • Clemens Gleich meinte am 5. Juli 2012 um 19:01:

    Hallo Andreas,

    der Text war weder ein Angriff noch persönlich, sondern beantwortet Fragen, die eben gelegentlich gestellt werden. Dass niemand alles kauft, was er testet, wissen die Leser schon (kannst aber auch lesen, was ich zum Thema Teststellungen/Präsentationen geschrieben hab). Wie die Anteile von Werbung liegen, wissen sie dagegen nicht. Ich fand das Thema interessant, Andere auch, Du darfst aber gern und in beliebiger Länge Sachen richtig erklären, wenn Dir dieses „nicht mal Halbwissen“ zu wenig ausführlich ist.

    Ich sehe bei solchen Erklärungen von Medien keinen Grund zur Dünnhäutigkeit. Das sind einfach interessante Themen, mehr nicht. Und wie gesagt: Bemängele gern Fehler, dann korrigiere ich die. Ich seh es sicher nicht so, als werfe ich Steine.

  • Der Alte Griesgram meinte am 5. Juli 2012 um 20:05:

    Ich erinnere mich an den Kollegen aus der Druckerei, der mir hinter vorgehaltener Hand mal die Druckauflagen und IVW Auflagen von einigen Zeitschriften nannte. Druckauflage 3.000, IVW gemeldete Auflage 50.000.
    Schön finde ich auch die Mediadaten, in denen gerne auch mal 7 Leser pro Sonderauflage angegeben werden.
    Hach ja, die gute alte Totholzzeit.
    Aber jetzt mal was ganz anderes. Du willst Zeitschriften, mit Kultpotential. So wie Moto Guzzi oder eher so wie H-D?

  • Winfried V. Berlepsch meinte am 5. Juli 2012 um 21:13:

    Wenn ich mal viel Geld hab‘, mache ich mein eigenes HöchsterGang! So, jetzt weißt Du‘s!

    Ich denke, es wäre kein Problem, wenn die Medien (™) sich weiterhin für‘s Produktplacement bezahlen ließen, wenn sie denn dazu stünden. Du, als Autor, kannst zum Beispiel sehr gut rational aufzählen, warum ein Motorrad gut und sein Geld wert ist. Trotzdem ist es scheiße! Weil‘s langweilig ist. Weil‘s einfallslos ist. Weil‘s keine Emotionen mitbringt. Und das sagst Du auch. (Danke dafür!)

    Ich denke, damit können Leser, Zuschauer etwas anfangen. Denn etwa 80% der westlichen Konsumgesellschaft lesen zwar gerne Zeitschriften mit Berichten über Sachen, die sauteuer, exklusiv, einzigartig, hinreißend… usw… sind, können sich das Zug aber nicht leisten. Trotzdem hängt sich jeder Junge mit Benzin im Blut und erstem Haar am Sack ein Ferraroporschghini über‘s Bett und träumt vom ersten Blowjob, denn er von der geilen Schnitte auf dem Beifahrersitz eben jenes Gefährt bekommt.

    Kaufen wird er sich mal einen etwas stärker motorisierten Golf und die Schnitte auf dem Beifahrersitz… hmm, nee, die fast das Ding nichtmal an. So ist eben das Leben.

    Worauf ich hinaus will, die Leute wollen was zum Träumen (Pornoschlitten), etwas, daß sich mit ihren Alltagserfahrungen deckt (ja, der Golf funktioniert. Aber ÖDE!). Und wenn Du ihnen dann noch in ihrer kleinen Welt zu etwas gratulieren kannst, das sie sich doch leisten könne/ konnten. Beispiel Hammond über den Aygo

    Das Produkt als Entertainment. Und ich könnte mir vorstellen, daß das auch für Hersteller interessant ist. Auf lange Sicht (™) wäre das zumindest jugend-affiner und neue Käuferschichten ansprechend, als Facebook-Anbindung in Mittelklasse-Limousinen.

    Aber bis das jemand einsieht…?
    Womit wir wieder beim Anfang wären: Geld haben und einfach machen. Das eigen Motormagazin. Mit Blackjack und…

  • sinsser meinte am 6. Juli 2012 um 11:02:

    Fährt der A. Illg eigentlich Harley?

  • Marcus Lacroix meinte am 8. Juli 2012 um 20:52:

    Gut geschrieben! Redet man aber ja nicht gerne drüber 🙂
    Wir finanzieren uns seit über 28 Jahren ausschließlich über regionale Werbung und verschenken das Heft und sind auch noch Stolz drauf. Unterstützung durch Hersteller und Industrie geht leider meistens an die „Großen“ denn die haben wohl mehr Einfluss auf die Leser – schade eigentlich. Dafür macht die Arbeit Spaß und das ist wichtiger… 😉
    Und die online-Sache ist mehr ein Service für de Leser. Die Umsätze sind trotz 30-40000 Google Analytics Besuchern im Monat marginal. Klickt trotzdem mal rein: http://www.bma-magazin.de/

    Viele Grüße, Marcus

  • Clemens Gleich meinte am 9. Juli 2012 um 9:54:

    Marcus! Die meisten Leute wissen gar nicht, wie gut wir in Deutschland in Sachen Medienvielfalt aufgestellt sind. Es gibt nirgends mehr Verlage, und im Motorradbereich finde ich persönlich die kleinen Hefte eine Bereicherung. Es gibt sie ja auch lokal (z. B. Syburger), also mit den Dingen, die wirklich dort passieren, wo der Leser lebt.

    Und ihr habt den Klaus Herder. Das sollte man ja auch ned vergessen.

    http://www.bma-magazin.de/fahrberichte/honda/honda-crossrunner-mod-2011.html

    Macht einfach weiter so. Ohne euch wärs langweiliger.

  • Ralf Steinert meinte am 9. Juli 2012 um 10:24:

    Hi Clemens! Ein gewohnt guter und schlüssiger Artikel – zumindest bis zum Ende der Headline. Ab dann schwenkst Du von „Medien“ auf „Print“ und das verstehe ich nicht ganz. Beeinflusst die Werbung denn nur den Journalismus auf Papier? „Wir“ Printverlage haben ja wenigstens noch ein duales Verdienstmodell durch Verkäufe und Werbeeinnahmen, wohin gegen sich die meisten Onlineanbieter ausschließlich über Werbeeinnahmen finanzieren müssen – oder kann man Klickvieh seit neuestem auch schlachten und verspeisen?
    Es gibt medienunabhängig guten und schlechten Journalismus, wobei zugegebermaßen letzteres mittlerweile überwiegt. Wenn ich Geld, Zeit und Gehirnschmalz investiere und vor Ort eine Story produziere, die primären Quellen anzapfe, mir ein Bild mache und Bilder mache, hinterfrage und verifiziere und das alles noch in einem guten Layout und sämiger Schreibe verpacke, ist das meistens gut – völlig egal, ob es online veröffentlicht oder gedruckt wird.
    Schlecht ist es (ebenfalls medienunabhängi), wenn ich unreflektiert Pressemitteilungen als Stories abdrucke oder ins Netz stelle oder als reiner Aggregator andere Texte oder Clips zusammensammele und das dann auch noch „Magazin“ nenne.
    Leider kann ich mir doch einen Seitenhieb auf die (übrigens unbestrittenen) Medien der Zukunft nicht verkneifen: Wenn ich einen Artikel veröffentliche, kostet mich als Herausgeber/Verleger inklusive Reportage- und Fotografenhonorar, Layout, Reinzeichnung, Bildbearbeitung, Lektorat, Proof, Druck und Vertriebskosten mehrere hundert Euro – pro Seite versteht sich. Wenn ich also diesen finanziellen Aufwand eingehe, denke ich ausgiebig darüber nach, ob es der Inhalt wert ist. Genauso wie ich niemals ein Kilo gut abgehangenes argentinisches Rinderfilet als Suppenfleisch in meinen Grüne-Bohnen-Eintopf werfe würde. Und jetzt beantworte mir bitte eine Frage: Meinst Du wirklich, dass sich jedes Onlineportal oder Blog dieselben schlafraubenden Gedanken macht, bevor ein Artikelper Copy & Paste in das Content Management System gehackt und der Leserschaft umsonst zur Verfügung gestellt wird? Wenn Du darüber berichtest „wie Werbung die Medien beeinflusst“, dann solltest Du einen Angriff über die Flanke starten und nicht nur die fußkranken Alten von hinten in den Rücken schießen.
    Das Patentrezept gegen die von DIr zur Recht kritisierte Beeinflussung der Medien durch die Werbung heißt übrigens Geld bezahlen für Information und Unterhaltung. Je höher die Verkaufserlöse sind, desto weniger müssen sich Medien von der Werbung abhängig machen. Und das – um Frieden zu stiften – ebenfalls medienunabhängig.

    • Clemens Gleich meinte am 9. Juli 2012 um 11:10:

      Hey Ralf,

      ich habe den Punkt noch unten an die Liste gehängt, damit er hängen bleibt. Es stand schon vorher das mit den Klickstrecken drin, die zum Begriff „Klickvieh“ geführt haben. Es liegt mir fern, „fußkranke Alte von hinten in den Rücken“ zu schießen, ich bin ja selber einer von ihnen.

      Du hast den Unterschied der Investitionshöhe zwischen Print und Online angeführt. Das ist ein interessanter Punkt, der aber erstmal unabhängig von Werbung ist. Höhere Kosten heißen: weniger Schrott wird einfach mal reingeworfen, es heißt aber auch, dass konservativer agiert wird mit Versuchen, weil die ja teurer sind. Schwerer wiegt für mich der Aspekt der Unabänderlichkeit des einmal gedruckten, verteilten Papiers. Was man online schnell nachkorrigiert (und deshalb gern nachlässig recherchiert), ist auf Papier erstmal so fixiert, was (zumindest prinzipiell) zu mehr Umsicht motiviert.

      Online muss Drehzahl haben, deshalb wird reingeworfen, was da ist. Andererseits gibt es genauso „das Heft muss voll werden“, weil die Seitenzahl ja festgelegt ist.

      Mein ganz persönliches Faszinosum ist das gedruckte Heft als Packung. Eine gefühlt „gute Mischung“ verkauft sich eigentlich immer besser als eine, bei der dieses Gefühl fehlt. Wenn ein Leser ein Heft aus dem Regal zieht, stellt sich also das Gefühl ein „das war das mit der Hecke“ — faszinierend.

  • Ralf Steinert meinte am 9. Juli 2012 um 11:47:

    Falsch verstanden, Clemens. Meine Kriterien sind guter (= kostenintensiver) und schlechter (= billo) Journalismus. Auch Onlinemagazine können teuer sein, denn der Aufwand einer guten Reportage ist genauso hoch wie im Print. Natürlich haben sie klassisch weniger Produktionskosten, aber Programmierung und moderne Instrumente wie Apps, Augmented Reality etc. sind ja auch nicht umsonst.
    Den Unterschied macht das hochwertige Umfeld, in dem sich der werbende Kunde mit seinen hochwertigen Produkten oder Dienstleistungen wiederfindet. Es gibt aktuell nur wenige Onlinemagazine, in denen sich ein Inserent so wohl fühlen kann wie in der überwiegenden Zahl der Printmagazine. Wenn ich das Gefühl hätte, da sitzt jemand in Unterhose am Küchentisch und schleust Inhalte durch, um viele Klicks zu erhalten („Kurve 3, voll geil – 0:44 gucken: LINK) oder unter Alkoholeinfluß die populistisch einfärbten Kommentare verfasst, die er gerade auf dem Bikertreff aufgeschnappt hat, würde ich als Mediaagentur nicht gerade den Kassenschrank öffnen.

    • Clemens Gleich meinte am 9. Juli 2012 um 12:09:

      Ah, ach so. Ich glaube, dass dem so ist, weil Deutschland das Medium Papier gern hat. Ich habe jetzt schon mehrfach gehört „man sollte das eigentlich gleich nur auf dem Tablet rausbringen“, und musste antworten: „Wenn du das machst (bzw. deinem Kunden empfiehlst), schmeißt du beim jetzigen Stand des Markts 95 % der Einnahmen weg. Die kommen im Magazinbereich nämlich immer noch aus Print.“

      Ich kenne heute in Deutschland kein Online-Medium, das wirklich über Qualität funktioniert, es geht selbst in der „Zeit“ online um Quantität (also Klicks generieren). Bis wir hier wie in den USA gute („kostenintensive“) Online-Magazine haben, die Umsatz mehr aus Qualität generieren, fließt noch einiges Wasser den Main runter, und im Fahrzeugbereich noch mehr, weil der konservativer ist (daher auch so extrem wenige App-Kunden hier).

  • Ralf Steinert meinte am 9. Juli 2012 um 12:28:

    Stimmt, Du kommst leider um den Kiosk nicht herum. Und da kommen wir zu dem WIRKLICHEN Problem der Special Interest Print Magazine: Dem Pressevertrieb. Das System des nationalen Pressevertriebs ist seit den 70er Jahren nahezu unverändert, was in der Tat ein Anachronismus sondergleichen ist. Das System ist ineffektiv, ressourcenverschwendend, teuer, langsam und feedbackarm. ABER: Wenn Du am Kiosk ausliegen willst (und das musst du als Verleger), kommst Du um den Pressegrosso einfach nicht herum. Es wäre ein absoluter Traum, wenn man sich als Special Interest Magazin mit anderen ähnlichen Produkten zusammen auf einer Webseite präsentieren könnte und die Leser würden das Heft im Shop bestellen. Funktioniert nur leider nicht. Denn ist es immer noch so (ebenfalls ein Anachronismus): Der potenzielle Leser schlendert in den Laden, schnüffelt durch die Regale, zieht (hoffentlich) das Heft hervor, nimmt es in die Hand, befühlt es und schnuppert daran herum, blättert es kurz an und legt es – so Gott es will – auf die Kassentheke oder – Gott ist ein blöder Sack – wieder zurück ins Regal. Kein Webkiosk dieser Welt kann diesem Buy-around standhalten – so schön das auch wäre…

  • Jonas meinte am 2. August 2012 um 9:56:

    Hallo Clemens,

    stellst du den Text wieder online?
    Wollte ihn meinem Lieblingsmedienmenschen zeigen, aber dann war er plötzlich weg…

    • Clemens Gleich meinte am 2. August 2012 um 10:35:

      Ist schon auf der Pipeline vermerkt. Wir nehmen vorher noch eine technische Änderung am System vor, also wirds diese Woche wohl nix mehr.

  • Made meinte am 7. August 2012 um 8:57:

    Hey Clemens,

    danke daß der Artikel wieder online ist !
    Ich hatte schon befürchtet daß Du es Dir während Deines Urlaubs anders überlegst . . . . .
    Vieles was darin beschrieben wird hatte ich schon „befürchtet“, aber ich finde es super, daß
    das mal jemand laut und deutlich sagt/schreibt. So läßt sich so mancher Test-Sieg(er) gleich ganz anders beurteilen ->> einfach mal die Werbeanzeigen durchblättern . . . . . .Daß Du Dir damit in Deiner Branche keine Freunde machst ist klar, aber wie sagt man so schön: „getroffene Hunde bellen“, HeHeHe und Du weißt ja „viel Feind, viel Ehr“

    Und an alle aus der Medien-Branche die hier ganz offensichtlich mitlesen mal eine ganz
    klare Ansage ( nur meine Meinung ! ):

    ICH WILL PAPIER ! ! ! ! ! !

    Da ich den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen muß will ich in meine Freizeit nicht
    auch noch vor dem Bildschirm verbringen, ganz egal ob vor einem PC, Laptop, Smartphone
    oder einem sonstigen Tamagocchi !

  • Alex Kahl @probefahrer meinte am 7. August 2012 um 12:52:

    @Winfried und die Magazine voller feuchter Träume
    Das stimmt nur bedingt. Je nach Magazin eben. Es gibt durchaus Redaktionen, die Dir das genaue Gegenteil sagen werden: Porscherrarighini auf dem Titel = Weniger Verkäufe.
    Golf1erA3KlasseFabia-Dings im Vergleichstest = Heft brummt.

    Für mich als Leser zählen nur die interessanten Geschichten. Und die möglichst schön zu lesen und trotzdem kompakt. Wir haben ja keine Zeit.

    • Clemens Gleich meinte am 8. August 2012 um 14:26:

      Sehe ich genauso. Auf Heise Autos klicken z. B. die Fahrtests von Golf, 3er, A3 und neue A-Klasse. Aufwendige Geschichten abseits dieser Brote mit Butter muss man (wie guten Alk) ja auch zu schätzen wissen, was einfach nur eine Teilmenge der Leserschaft kann und will. Darf man auch ned vergessen.

  • Anonymous meinte am 23. Februar 2013 um 18:27:

    […] du dann deutlich mehr zahlen willst schon: Hintergrund: Wie Werbung die Medien beeinflusst | MoJomag [Sammelthread] Assetto Corsa […]

  • Google Play Store: Google verbannt Werbeblocker wie Adblock Plus - bald auch bei Chrome? - Seite 5 meinte am 15. März 2013 um 18:13:

    […] Google sollte da irgendwelche Karten anbieten um den Acc aufzuladen. @OctoCore Lesen und verstehen:Hintergrund: Wie Werbung die Medien beeinflusst | MoJomag […]

  • Radial rulez (mit Bild und vielen Klammern …) | Genau so isses doch ... meinte am 6. April 2014 um 12:32:

    […] wenn ich weiß, dass da nicht immer alles genau so läuft, wie man sich das als Normalo vielleicht vorstellt). Was mir seit einigen Jahren auf den Senkel geht auffällt, ist die obligate Erwähnung der radial […]

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