Quant: Haargel und heiße Messeluft

Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es meistens auch nicht wahr. So lautet eine alte Weisheit, die Kollege Gregor Honsel vor kurzem wieder zitieren musste, denn ein Mann mit dem selbstgewählt klingenden Namen „Nunzio La Vecchia“ behauptete über seinen elektrischen Supersportwagen „Quant“ Dinge, die zu gut klangen, um wahr zu sein. 600 km Reichweite! 480 kW Dauerleistung! 680 kW Boost-Leistung! Redox-Flow-Akkumulator in nie gekannter Energie- und Leistungsdichte! Mittlerweile liegen die Behauptungen für das in Genf präsentierte F-Modell bei 800 km Reichweite und über 800 kW. Und ein „Quantino“-Modell, das 1000 km schafft. Warum schreien nicht alle laut im Chor „Bullshit!“?

Im Gegenteil lesen wir nicht einmal leisen Zweifel im Autoblätterwald, wenn Herr La Vecchia von „2000 Ampere“ träumt, von einer CFK-Wanne, von wunderschöner Beleuchtungstechnik, von Daten, die jedem Verständnis entbehren. Unabhängige Messungen lässt La Vecchia nicht zu. Das muss doch alle Alarmglocken schrillen lassen, in jedem Redakteurskopf über dem Prakti! Wer behauptet: „Meiner ist drei Meter lang!“, der muss entweder die Hosen runterlassen oder die Verachtung ertragen, die eine Gesellschaft für solche leeren Prahler zu Recht austeilt.

Der geheime Inhalt:

Das Auto steht in Genf auf der Messe, ja, super. Besser: „Ein Auto“ steht da in Genf. Noch besser: „Ein Modellauto“ steht dort. Es wird keine 800 km fahren. Es werden keine Supercaps drin sein, die 2000 Ampere durch zentnerschwere Kabel schicken. Es wird keine Redox-Flow-Zelle aus der Enterprise Strom liefern. La Vecchia sagt, dass er das Innenleben niemandem zeigen kann, denn das ist alles geheim. Da hat er recht. Was in diesem Modellauto aus dem 3D-Drucker drin ist, muss um seiner Pläne willen tatsächlich geheim bleiben. Denn der geheime Inhalt ist heiße Messeluft.

Was also will dieser Mann mit seinen immer fantastischeren Behauptungen? Er will Investoren beeindrucken. Das letzte Mal erfand er die Supersolarzelle. Man konnte sie auf praktisch jedes Material hauchdünn aufdampfen. Sie lieferte dennoch so effizient Strom wie die besten Forschungszellen. Und sie verwendete Rohstoffe, die billig und in Massen verfügbar waren. Um diese bahnbrechende Erfindung zu vermarkten, tat sich La Vecchia mit Koenigsegg zusammen, um in Genf einen elektrischen Sportwagen namens „Quant“ und so weiter …

Traumfrau

Es gab keine unabhängigen Messungen. Alle Behauptungen waren haarsträubend unrealistisch. Letztendlich war das alles egal. Denn der Prahler fand eine Investorin, deren Gutgläubigkeit ihr zum Verhängnis wurde: Sie verlor das wegen Betrugs angestrengte Strafverfahren. In der Urteilsbegründung: „Wer als geschäftserfahrener Investor trotz der sich geradezu aufdrängenden Hinweise auf einen fehlenden Gegenwert dennoch einen Kauf vornimmt, ohne entsprechende Abklärungen zu tätigen, wird nicht in arglistiger Art und Weise getäuscht.“

Die arme alte Frau erhielt 2010 immerhin ein paar ihrer Millionen und die übergebenen Grundstücke zurück, als sie nach dem verlorenen Strafverfahren ein Zivilverfahren anstrengte. Sie starb kurz darauf. Um das restliche Geld streiten jetzt die Erben weiter vor Gericht. Doch das hat Nunzio La Vecchia, dieser Medienprofi, wahrscheinlich längst gut angelegt in Modellautos, Friseurbesuche und Hochglanz-Pressemappen voller Bullshit. Wie kann er es also zurückzahlen? „Diese Frage erübrigt sich“, antwortete La Vecchia der den Fall verfolgenden Schweizer Boulevard-Publikation „Blick“. „Ich werde den Fall vor das Bundesgericht weiterziehen und dort sowieso recht bekommen.“ Tja. Fehlender Realitätskontakt wettgemacht durch übersteigertes Selbstbewusstsein.

Die Masche ist doch uralt. Wir erinnern uns alle noch an Herrn Andrea Rossi, der 2011 aus Alufolie und heißer Messeluft einen kleinen Fusionsgenerator bastelte. Das wird nur von der EnBW unterdrückt! Investieren Sie jetzt! Sie werden es garantiert bereuen. Rossis vorherige Projekte: Öl aus Abfall gewinnen (es folgte eine Verurteilung wegen Betrugs und illegaler Verklappung von 70.000 Tonnen Giftmüll in der Lombardei), und der Versuch, dem Militär einen revolutionär effizienten thermoelektrischen Generator anzudrehen (der Versuch scheiterte, denn das Militär will immer die runtergelassenen Hosen sehen, bevor es den Finanzierungs-Feuerwehrschlauch anschließt).

Es ist Jesus von Ingolstadt!

Was daran so aufregt: Was macht die Autopresse? Sie guttenbergt die Pressemeldungen. Warum? Weil die Pressetexte wie La Vecchia selber die Haare schön haben? Bequemlichkeit? Hoffnung? Sympathie? Personalknappheit? Alles zusammen? Da wird der Quant mit dem Tesla verglichen, als sei das irgendwie dasselbe. Nein! Elon Musk muss man nicht mögen, aber niemand wird bestreiten, dass er sich den Arsch abgearbeitet hat und nie davor zurückschreckte, die Hosen fallenzulassen. Wired attestierte ihm mehrfach „Eier aus Stahl“ ob der Risiken, die er mit seinem eigenen Geld einging. Musk und La Vecchia gehören außer als Gegensätze nicht in den selben Satz, sie gehören nicht auf dieselbe Seite, sie gehören nicht einmal in das selbe Buch oder auf dieselbe Speicherbank. Es ist schon erstaunlich genug, dass sie im selben Universum existieren.

Selbst in Boulevard-Blättern wie dem Blick oder dem Spiegel wird La Vecchia in der Luft zerrissen. Er wird nicht Tesla gegenübergestellt, sondern mit seinem bekannten Lebenswerk portraitiert, das man mit dem Ärzte-Song „Angeber“ zusammenfassen könnte: Supernunzio kann einfach alles besser als alle Anderen – zumindest in seinen Fantasieverlautbarungen. Physik. Gitarre spielen. Aussehen. Flugzeuge fliegen. Frauen. Pressemelden. Doktortitel kaufen. Und so einem Windbeutel jubelt die Autopresse zu, als sei er Jesus von Ingolstadt. Ich verstehe es nicht. Die kurze Recherche von Gregor oder mir bedeutet als Aufwand: mehrmaliges Googeln. Mehr nicht. Wenn La Vecchia jemals wie Rossi wegen Betrugs belangt wird, kann das Gericht praktisch die gesamte Autopresse wegen ihrer großflächigen Beihilfe zur Verhandlung laden. Vielleicht schrei(b)en wir dann endlich mal laut und deutlich „Bullshit!“.

Kommentare:

ältere
  • Clemens Gleich meinte am 24. Februar 2015 um 13:17:
  • Daniel meinte am 24. Februar 2015 um 15:52:

    Nach 5 Minuten guggln meine volle Zustimmung:
    Selbst bei technischer Ahnungslosigkeit und ohne Wissen um die Vorgeschichte des erfindenden Genies muss doch jeder halbwegs interessierte Autofreund spätestens dann aufmerken, wenn ein solcher Sportwagen (unabhängig von irgendwelchen fantastischen Reichweite/Leistungs-Kombinationen) mit dem Satz beworben wird: „Große Flügeltüren für bequemen Ein- und Ausstieg“. Fehlt noch die niedrige Silhouette zum Schutz der Schwalben.
    Veröffentlich so übrigens auf der Domain „ingenieur.de“, was Deine Kritik an der Autopresse zumindest etwas relativiert.

  • Clemens Gleich meinte am 24. Februar 2015 um 15:56:

    @Daniel: Alle solche Links gern hier posten. Positivbeispiele sammeln. So wie die bei Produktion.de. Weiteres Positivbeispiel der Kollege Pander beim Spiegel:

    http://www.spiegel.de/auto/aktuell/neue-batterietechnik-unternehmen-verspricht-extreme-e-auto-reichweite-a-1018760.html

  • Clemens Gleich meinte am 24. Februar 2015 um 15:59:

    … und ich würde ingenieur.de nicht der Autopresse zuordnen. Das ist Technikfachpresse. Da wird weniger Quatsch geglaubt.

  • Volker.D meinte am 24. Februar 2015 um 18:04:

    Vollste Übereinstimmung, Clemens.

    Hierauf jedoch muss ich noch ein wenig herumdenken: „Selbst in Boulevard-Blättern wie dem Blick oder dem Spiegel….“

    Ich sag es nicht gern, die schweizerische Bildzeitung aka Blick hat mit dem Spiegel – trotz dessen in letzter Zeit online haarsträubender Trivialisierung – doch sehr wenig zu tun.

    Volker

    • Clemens Gleich meinte am 24. Februar 2015 um 18:10:

      @Volker: Ist das ehemalige Nachrichtenmagazin nicht per Neuausrichtung im Boulevard angekommen? War so mein letzter Stand. Lasse mich aber gern korrigieren.

  • Thimo meinte am 25. Februar 2015 um 18:21:

    Ich interessiere mich eigentlich nicht für die 4Rad-Presse, aber amüsant ist das schon.

    Obwohl der Herr Wimmer in der 2Rad-Presse ja eine Zeit lang auch eine immense Bühne bekommen hat. Der hatte wenigstens Produkte …

    Und Der Spiegel und Spiegel Online sind redaktionell streng getrennt (sic), also darf SO auch über Boulevard-Themen schreiben. Merke: Nicht alle Spiegel-Leser wissen auch mehr.

  • Sebastian meinte am 26. Februar 2015 um 0:03:

    Naja mal im Ernst Clemens, die Kolumne ist selbst für Deine Verhältnisse recht scharf. Liest sich schmissig wie ein echter CGL und auch sachlich ist der ja auch OK.
    Ich denke auch das es immer mal wieder gesagt werden muss in Branchen die über ihre grössten Werbekunden schreiben (und objektiv urteilen sollen) und von Verkaufs- und Klickzahlen abhängig ist.
    Auf der anderen Seite kann ich auch verstehen wenn ein Redakteur das so nicht durchgehen lassen will, wenn er das so nicht veröffentlichen will um da Reibungspunkte zu vermeiden.

    Macht die Kolumne ja nicht schlechter, sondern zeigt vielleicht nur wie dicht sie am Ziel ist.

  • Andreas meinte am 26. Februar 2015 um 13:01:

    Vielleicht liegt das Problem auch daran, dass an vielen Stellen in vielen Redaktionen Leute sitzen, die nach dem Abi „irgendwas mit Medien“™ machen wollten und der Zufall über die erste unbezahlte Stelle dann entscheidet ob sie die nächsten Jahre über Automobiltechnik , Ernährungstipps oder den Nahostkonflikt schreiben.

    Ich bin durch einen mir unerklärlichen Zusammenhang im Newsletter von „Springer für Professionals“, „Automobil- und Motorentechnik“ gelandet und was z. B. da regelmäßig verschickt wird macht kein Geheimnis daraus, dass die Autoren weder Interesse an noch Verständnis für die Technik haben.

    In meinem Bekanntenkreis kann ich das von Zeit zu Zeit beobachten. Da gibt es jemand der historisch orientierte Kulturwissenschaften studiert hat, jetzt keinen Arbeitsplatz findet und deswegen „was mit Medien“ macht. Ohne langjährige Praktika -sagt man, kann ich als Außenstehender nicht beurteilen- sei da nichts zu machen, also wurd nach völlig intolerablen Stellen mittlerweile was bei einer Tageszeitung gefunden. Da werden dann jetzt jeden Tag Pressemitteilungen zusammenkopiert von Themen, die gerade in anderen Nachrichtenorganen eben auch grad präsent sind. Leide ohne dass sich der Schreiber dafür interessiert und ohne dass der Schreiber dazu je Hintergrundinformationen gesammelt hätte. Selbstverständlich aber unter Zeitdruck, dass eine Eigene Recherche auch nicht stattfindet.

    Dem einzelnen Kann man das noch nichtmal großartig vorwerfen, der muss auch Miete zahlen und hofft im besten Fall, dass da irgendwann nochmal ein richtiger Job kommt.

    Ich kann dir nur vor den Computer gucken, Clemens, aber es macht den Eindruck als hättest du dir einen Themenkomplex ausgesucht/geschaffen, der dich persönlich interessiert. Ich glaube das ist bei vielen deiner Kollegen nicht so.

    Lange Rede kurzer Sinn: Einen Teil der Redaktion von Springer für Professionals kennt mein Spamfilter mittlerweile beim Namen und mir wär der Artikel bei Heise nicht unangenehm aufgefallen. Vielleicht hättest du ihn in einer anderen Rubrik vorschlagen sollen? 😉

    • Clemens Gleich meinte am 26. Februar 2015 um 14:48:

      Andreas: Das lass ich so nicht gelten. Jeder Journalist hat immer wieder neue Themen, in die er sich einarbeiten muss. Das wichtigste Werkzeug ist die Liste der Leute, die wir zu Fachthemen fragen können. Wenn man einfach nur Pressetext aufnimmt und wieder auswürgt, ist jede Kritik berechtigt. Dafür brauchen wir keine Presse.

  • Volker meinte am 26. Februar 2015 um 17:06:

    “ Wenn man einfach nur Pressetext aufnimmt und wieder auswürgt, ist jede Kritik berechtigt. Dafür brauchen wir keine Presse.“

    Hier fehlt mir nun ein „gefällt mir“ Button.

    Warum auch immer, ich muss grad an die ewig gleichen Beweihräucherungstexte denken, welche Motorrad Journalisten (?) aller Verlage von Modellvorstellungen an irgend welchen, möglichst heimatfernen und exclusiven Locations zurück kommend in ihre Printmedien übergeben.

    Volker

  • Volker meinte am 1. März 2015 um 13:20:

    Servus Clemens!

    Nunzio La Vecchia. So ein schöner Name. und dann http://cdn2.spiegel.de/images/image-733501-galleryV9-liwq.jpg. Holla! Was für ein hübscher Bengel aber auch. Dem würde ich ja sofort alles glauben. Wenn ich schwul wäre. Und dement. Zugegeben, nicht jeder ist Diplomphysiker, Maschbauer oder Materialkundler und hat vielleicht von den zahlreichen Perpetua mobilia noch nichts gehört, die allerweil angepriesen werden, dabei erweisen sich nachplappernde Journalisten als besonders ärgerlich.

    Aber was erwartest Du? Investigativrecherche auf Spitzenniveau bei Minijob und Mindestlohn, chronischem Ideenmangel und der zeitlichen Vorgabe, soundsoviele Texte pro Zeiteinheit rauszurotzen?

    Unreflektierte Abschreiberer ist glücklicherweise nicht ein Privileg der Autopresse. Erinnerst Dich noch an die „im Dunklen leuchtenden Schafe“, die 2013 ein Rascheln im Blätterwald verursachten?

    Aufhänger war: http://www.mopo.de/panorama/quallen-dna-im-erbgut-diese-schafe-leuchten-im-dunkeln,5066860,22591226.html und ich habe mir mal die Mühe einer Recherche äquivalenter Fundtücke gemacht:

    http://www.focus.de/wissen/natur/tiere-und-pflanzen/schafe-mit-quallen-dna-genforscher-zuechten-leuchtende-schafe-in-lateinamerika_aid_971597.html
    http://www.n-tv.de/wissen/Schafe-leuchten-im-Dunkeln-article10540501.html
    http://www.berliner-kurier.de/panorama/quallen-dna-im-erbgut-diese-schafe-leuchten-im-dunkeln,7169224,22591226.html
    http://www.heute.at/kurioses/art23706,872281
    http://www.wiwo.de/technologie/forschung/gentechnik-uruguay-laesst-schafe-leuchten/8128492.html
    http://www.welt.de/wissenschaft/article115604121/Forscher-zuechten-Schafe-die-im-Dunkeln-leuchten.html
    http://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Gruseliges-Experiment-Genforscher-zeugen-leuchtende-Schafe-id24969996.html
    http://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/gen-forscher-erfinden-das-leucht-schaf
    http://www.wptv.com/dpp/news/phosphorescent-sheep-uruguays-institute-of-animal-reproduction-creates-glow-in-the-dark-sheep
    http://abclocal.go.com/wls/story?section=news/bizarre&id=9081307
    http://www.natureworldnews.com/articles/1627/20130427/glow-dark-sheep-genetically-modified-uruguay-lab-video.htm

    Fazit: Wuhaha. Nichts gegen die Morgenpost. Und N-TV. Und den Berliner Kurier. Und Heute.at. Und die Welt. Und WiWo. Und Wptv. So sind neben deutschsprachigen natürlich auch englischsprachige Presseorgane (Ist der Appendix eigentlich ein Organ?) von diesem Unsinn betroffen. Stellvertretend ein Zitat aus der Morgenpost (alle anderen haben sowieso reihum den Guttenberg gemacht):

    „[…] Leuchtendes Gelb ist das neue Weiß. Das gilt jedenfalls für eine Schafherde in Uruguay. Wissenschaftler haben durch Genmanipulation Schafe erschaffen, die im Dunkeln leuchten.

    Die phosphoreszierenden Schafe funktionieren ähnlich wie klebende Leuchtsterne in Kinderzimmern: Die Tiere können Licht speichern. Wenn die Sonne untergeht, leuchtet die Herde mit UV-Licht nach.

    Die ersten Leucht-Schafe wurden im Oktober geboren. Ihr Erbgut wurde mit Quallen-DNA versetzt. Wie die beteiligten Forschungsinstitute erklärten, hätten sich die Tiere normal entwickelt. […]“

    Das ist wirklich extrem sauber recherchiert. Natürlich ist es Grün und nicht Gelb. Und die Tiere leuchten nicht im Dunklen, sie lumineszieren (d. h. passiv, nämlich dann, wenn man sie mit Schwarzlicht anstrahlt). Bei dem Vorgang handelt es sich um Fluoreszenz, nicht Phosphoreszenz. Von „Speichern“ kann (zumindest auf einer relevanten Zeitskala) nicht die Rede sein. Wenn die Sonne untergeht, leuchtet bei den Tieren gar nix, schon gar nicht „mit“ UV-Licht, sondern _IM_ UV-Licht.

    Aber immerhin so ähnlich und immerhin rund 10% der Notiz sind korrekt: Den Tieren ging es den Umständen entsprechend gut. Damals. Heute haben sie vielleicht Krebs. Oder sonst einen Gendefekt. Sind unfruchtbar, Schrotschußgentransfer sei Dank.

    Daran läßt sich lehrbuchmäßig verfolgen, wie die Dynamik im Internet so funktioniert, wie Schmarrn die Runde macht, durch stete Wiederholung womöglich an Glaubwürdigkeit gewinnt und welchen Wahrheitsgehalt man entsprechenden Meldungen am Ende beimessen kann. Endlich eine sinnvolle Anwendung für den Depublizierungsmechanismus [1], in diesem Fall idealerweise schon _vor_ der Veröffentlichung.

    Wer sich für die Primärquellen und sauberer recherchiertes Material nicht zu schade ist, der sei an [2] verwiesen. Dort geht klar hervor, daß es sich erwartungsgemäß um das sogenannte „Grün fluoreszierendes Protein“ [3], abgekürzt „GFP“ handelt, welches schon an/in Karnickeln und sonstwo erfolgreich eingesetzt wurde. Nun eben an Schafen. Wui!

    Vielleicht wird eines Tages ein Säuglingspimmel „im Dunklen grün leuchten“, oder man kann von außen mit dem Schwarzlichtstrahler feststellen, ob die Windel voll ist. Nanopartikel aus der Weltraumforschung, Energieklanglack, kalte Fusion, Atomstromdetektor. Mehr gibts dazu eigentlich nicht zu sagen – außer: Peinlich, peinlich.

    Umso peinlicher noch und m. M. n. hart am Rande der Strafbarkeit, daß sich die Presse zum Erfüllungsgehilfen eines solchen, mehrfachen Hochstaplers macht. Aber bei all den gefakten Forschungsergebnissen, geklauten Promotionen und Ponzi-Systemen, die nun aber endlich funktionieren, wundert mich gar nichts mehr. Publish or perish.

    Viele Grüße,
    Volker

    [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Depublizieren

    [2]
    http://en.mercopress.com/2013/04/25/uruguay-gm-lambs-which-have-a-luminescence-reaction-when-exposed-to-uv-conditions
    http://www.irauy.org.uy
    http://www.cromo.com.uy/2013/04/los-corderos-que-iluminan-a-la-ciencia-nacional

    [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCn_fluoreszierendes_Protein

  • Oliver meinte am 9. März 2015 um 16:13:

    Hier wird noch in einem der letzten Absätze kurz das Thema in Frage gestellt:

    http://www.welt.de/motor/modelle/article138147739/Bei-Volkswagen-kaempfen-alle-gegen-alle.html

  • Andreas meinte am 11. März 2015 um 15:16:

    @ Clemens: Keine Sorge, ich halte das ebensowenig für Journalismus wie du. In hellen Momenten stimmt uns da wahrscheinlich sogar die betreffende Person selbst zu.
    Darauf wollte ich ja hinaus.

    Einige Journalisten da draußen haben aus nachvollziehbaren oder nicht nachvollziehabren Gründe kein Interesse an dem was sie gerade tun. Wie in jeder anderen Berufsgruppe auch. Da werden Artikel dann halt eben immer auch nur genau so gut, wie sie sein müssen um vom Vorgesetzten keinen auf den Deckel zu bekommen. Oft reicht es da anscheinend die Pressemitteilung abzutippen und mit einem hübschen Foto auszustatten.

    Journalistisch ist das natürlich fürn Arsch, deswegen liest den entsprechenden Newsletter bei mir ja auch der Spamfilter.

  • 3-plus-1 meinte am 12. März 2015 um 13:48:
  • Frank Kemper meinte am 12. März 2015 um 23:12:

    Ich glaube, ich muss hier mal mit ein paar Mythen aufräumen.

    Clemens sagt, zum kritiklosen Abtippen von Pressemeldungen brauche man keine Journalisten. Ehrlich gesagt: Zum Probefahren von First-World-Spielzeugen auch nicht. Egal ob Auto Motor Sport oder Reitwagen – was die machen, ist nicht Vierte Gewalt, sondern Unterhaltung.

    Und: Mit Unterhaltung lässt sich mehr Geld verdienen als mit nüchterner Information. Die BBC verkauft „Top Gear“ (zumindest bis gestern) erfolgreich in alle Welt, den ARD-Ratgeber Verkehr will niemand sehen. Dazu kommt eine merkwürdige Fortschrittshysterie: Wenn Apple ein paar Spezialisten bei Autofirmen abwirbt, dann ist völlig klar, dass Apple in Kürze autonom fahrende Elektroautos bringen und damit die etablierte Autoindustrie zerschmettern wird. Wie Apple das bereits mit der TV-Industrie und den Social Networks gemacht hat, möchte man hinzufügen – aber das mag ja niemand lesen. Es klicken eben mehr auf „Genialer Italiener erfindet Revolution“ als auf „Elektroautos wenig gefragt“.

    Buzzfeed fliegt besser als die Frankfurter Rundschau. Und das wird noch schlimmer werden.

    • Clemens Gleich meinte am 13. März 2015 um 8:55:

      Wenn nur gesellschaftlich voranbringendes Schreiben Journalismus ist, gibt es den praktisch gar nicht.

  • Andreas meinte am 13. März 2015 um 13:34:

    Jetzt übertreibst du. Auch heute gibt es viele Schreiberlinge, die mit größtem Idealismus bei der Sache sind und sich bemühen Aufmerksamkeit für gesellschaftlich relevante Themen zu schaffen.

    Auch „Unterhaltung“ lass ich persönlich als Motivation für einen Artikel durchaus gelten. Ob sowas dann noch im engsten Sinne zu „Journalismus“ zählt soll jemand anders beantworten, dass ist mir viel zu egal.

  • 3-plus-1 meinte am 13. März 2015 um 14:37:

    @Frank Kemper

    Also da …

    > Clemens sagt, zum kritiklosen Abtippen von Pressemeldungen brauche
    > man keine Journalisten. Ehrlich gesagt: Zum Probefahren von First-World
    > -Spielzeugen auch nicht. Egal ob Auto Motor Sport oder Reitwagen – was
    > die machen, ist nicht Vierte Gewalt, sondern Unterhaltung.
    >
    > Und: Mit Unterhaltung lässt sich mehr Geld verdienen als mit nüchterner
    > Information. Die BBC verkauft “Top Gear” (zumindest bis gestern)
    > erfolgreich in alle Welt, den ARD-Ratgeber Verkehr will niemand sehen.

    … muss ich mal entschieden widersprechen!

    Ich brauche schon z.B. die organisierten Journalisten von MOTORRAD, die einen 50.000-km-Test durchführen und dann auch den Verlag im Rücken haben, um unter Umständen einen Gerichtsstreit durchzustehen.

    Gäbe es diese Postillen nämlich nicht und nur Blogger würden über ihre Motorraderfahrungen schreiben und dann schimpfen, wenn ihnen der Motor platzt, wären die Hersteller gleich dabei jeden schön einzeln auf üble Nachrede zu verklagen. Bis in die Privatinsolvenz. Dann wäre es auch vorbei mit „Klartext“, denn das kann sich keine Einzelperson leisten. Egal ob im Recht oder nicht.

    Wenn da aber ein Verlag hinter steht, und man sich ganz sicher ist, im Recht zu sein, dann kann auch nur ein solcher alle erforderlichen Rechtsmittel aufbringen, Gutachter bezahlen und dann in Ruhe durchladen und auch mal in die Schlacht ziehen. Wie wichtig ein Verlag hinter Journalisten ist, wissen wir doch spätestens, seit GFvG von der taz endgültig in die Schranken verwiesen wurde. Mit Privatpersonen konnte er machen was er wollte. Große Konzerne haben da ein noch größeres Potential die Wahrheit für sich zu pachten und jeder Privatmann, der „Geplante Obsoleszenz“ auch nur in den Mund nimmt, hat die Klage schon am Hals.

    Man muss sich da in die Richter etwas hineindenken, denn wenn ein Privatmann von einer Firma verklagt wird, sitzt da immer ein „Störer“ gegen „wertvolle Jobs“ auf der Bank, bei einem Verlag gegen eine Firma ist das aber „Die Wahrheit“ gegen „Das Kapital“ … und auch genau so wird in Deutschland Recht gesprochen.

    PS: Was dann ARD-Ratgeber gegen Top-Gear betrifft, da hebt der Ratgeber einfach zu oft den moralischen Zeigefinger. Wer will den auch die Propaganda für Fahrradhelme und Tempo 80 auf der Landstraße hören?

  • Die verdammte Lügenpresse schlägt wieder zu | MoJomag meinte am 7. Juli 2015 um 19:47:

    […] stellte ich eine Kolumne hier ein, die ich eigentlich für Heise Autos geschrieben hatte, die vom Supernunzio. Dazu schrieb ich, dass den Kollegen wohl die Kollegenschelte zu stark war. Ich hätte wissen […]

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